Einschränkung des Selbstbestimmungsrechtes sollte zu denken geben

29. Oktober 2018 in Kommentar


Die Richter in Erfurt haben der Kirche und der Gesellschaft auf der einen Seite einen Bärendienst erwiesen - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Berlin (kath.net)
Konfessionslosigkeit ist für das Bundesarbeitsgericht kein Grund für eine Nichtanstellung bei kirchlichen Stellen. Das Urteil rief in der vergangenen Woche Kritik in der Kirche aber auch bei Arbeitsrechtlern hervor. Das Urteil steht keineswegs im luftleeren Raum. Auch der Europäische Gerichtshof in Luxemburg urteilte in ähnlicher Weise.

Noch liegt für Deutschland kein höchstrichterliches Urteil vor, dennoch ist es hoch an der Zeit einmal über die Kirche als Arbeitgeber nachzudenken. Zwar ging es hier um eine evangelische Dienststelle, doch äquivalent gilt der Fall auch für die katholische Kirche in Deutschland.

Allein die Caritas in all ihren Gliederungen zusammengefasst ist einer der größten Arbeitgeber im Land. Rechnet man noch die Pfarreien mit Schulen und Kindergärten dazu, nimmt die Orden mit Alten-, Pflege- und Krankenhäusern hinzu, dann kommt man auf einen kirchlichen Komplex, der in jedem Falle bei der Anzahl der Arbeitsplätze in unserem Land ganz vorne mitspielt. Bildung, Pflege, Soziales, Betreuung und vieles anderes mehr wird von der Kirche qualifiziert angeboten. Die Kirche ist zudem ein Beratungsunternehmen in allen Lebenslagen. Zu all dem kommt noch ein Projektbetrieb für alle möglichen Ausnahmesituationen.
Nach wie vor hat die Kirche ein eigenes Arbeitsrecht. Das ist im Konkordat, einem völkerrechtlichen Vertrag, so festgelegt. Ganz so leicht, wie sich manch ein Linker, Grüner oder Kampfatheist das denkt, wird das nicht zu beseitigen sein.

Völkerrechtliche Verträge lassen sich nur im Konsnes lösen. Trotzdem läßt sich nicht leugnen, daß auf nationaler wie auf internationaler Ebene die Rechtsprechung mit dem Mittel der Antidiskriminierung mehr und mehr kirchliches Arbeitsrecht selber aushöhlt.

Auf diesem Wege lassen sich tatsächlich Veränderungen am Staatskirchenrecht vorbei etablieren. Ob das legitim ist, steht auf einem anderen Blatt.
Für die Kirche stellt sich noch ein anderes Problem. Mehr und mehr ergeben sich überhaupt Probleme, Stellen mit bekennenden und praktizierenden Gläubigen zu besetzen. Pfarrer, die einen katholischen Kindergarten betreiben, reden zuweilen davon, daß sie froh sind, wenn sie eine Erzieherin im Team haben, die sie auch Sonntags in der Kirche sehen. Wie soll man so noch katholische Kindergartenarbeit machen?

Ähnliches gilt für Schulen, Altersheime, Kinderheime und ähnliches in katholischer Trägerschaft. Die Zahl der Katholiken nimmt rapide ab. Die Zahl der gläubigen und praktizierenden Katholiken sinkt mit noch weitaus höherer Geschwindigkeit.
Sowohl daraus als auch aus der immer weniger kirchenfreundlichen Rechtsprechung gilt es Konsequenzen zu ziehen. Die Kirche wird auf Dauer ihre Dienstleistungen so nicht mehr aufrecht erhalten können. Viele soziale Dienste werden von staatlichen oder privaten Unternehmen nicht schlechter gemacht, die kein kirchliches Arbeitsrecht haben. Da kann man überlegen, ob es sinnvoll ist, in dem Maße mitmachen zu müssen, wie bisher. An anderen Stellen wird man nur umso sorgfältiger auf den Glauben und die daraus resultierende Ethik achten müssen. Fortschreitende Technik in der Medizin wird es z.B. unbedingt nötig machen, daß Ärzte in katholischen Krankenhäusern zumindest in leitender Stelle die Vorstellungen der Kirche teilen. An anderen Stellen wird man differenzieren müssen, was man ggf. ausgliedert und was man erhält.
Die Kirche kann und darf kein Sozialkonzern im Dienst des Staates werden. Jede Caritas fließt aus der Eucharistie heraus und mündet wieder dort. Darum steht der Diakon am Altar leicht nach hinten versetzt neben dem Priester und reicht ihm die Hostienschale bei der Gabenbereitung. Der Kern des Dienstes der Kirche ist sakramental und entzieht sich deshalb dem weltlichen Zugriff von Staat und Justiz, wirkt aber dennoch in deren Bereich hinein. Das ist seit Bestehen der Kirche ein stetiger Akt von Abwägen. Bei den sozialen Errungenschaften unserer Zeit ist es der Erfolg der Kirche im Bewußtsein der Menschen diese Veränderung herbei geführt zu haben, der die Herkunft des caritativen / sozialen Denkens unterm Strich wieder verleugnen will.

Die Richter in Erfurt haben der Kirche und der Gesellschaft auf der einen Seite einen Bärendienst erwiesen. Auf anderen Seite könnte es ein dringend nötiger Weckruf sein, kirchliches Engagement aktiv zu überdenken, sich aus der falschen Umarmung des Staates zu befreien und die Aktivitäten an die wirklichen Notwendigkeiten unserer Gesellschaft anzupassen.


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