28.900 Katholikinnen unterzeichneten bereits Brief an den Papst

3. September 2018 in Weltkirche


Zu Missbrauchs-/ Vertuschungsskandal um McCarrick/Viganò: „Wir sind keine Katholiken zweiter Klasse, die abgewimmelt werden, während Bischöfe und Kardinäle die Sache unter sich lösen“ – Brief in voller Länge/kath.net-Übersetzung. Von Petra Lorleberg


Vatikan (kath.net/pl) 28.900 namentliche Unterschriften katholischer Frauen stehen bereits unter dem offenen Brief an Papst Franziskus (Stand 3.9. 11 Uhr). Tendenz stark steigend. Die Unterzeichnerinnen bitten den Papst um ehrliche Antworten über die Missbrauchs- und Vertuschungsvorgänge um den Ex-Kardinal Theodore McCarrick und sie wollen von Papst Franziskus wissen, was sie vom Statement des emeritierten Nuntius Carlo Viganò zu halten haben. „Wenn ein Kardinal Seminaristen (sexuell) nachstellen würde, wäre das grauenvoll. Wir müssen wissen, dass wir Ihnen und Ihrer Ehrlichkeit über das, was passiert ist, vertrauen können.“ „Bitte halten Sie uns bei diesen Fragen nicht auf einer Armlänge Distanz. Wir sind treue Töchter der Kirche, die die Wahrheit brauchen, damit wir beim Wiederaufbau helfen können. Wir sind keine Katholiken zweiter Klasse, die abgewimmelt werden, während die Bischöfe und Kardinäle Angelegenheiten privat lösen.“ Der Brief wurde erst am 30.8.2018 online gestellt, es kann als überraschend eingestuft werden, dass hier bereits derart viele Unterschriften zu finden sind.

Die Unterzeichnung des offenen Briefes an den Papst steht auch den Katholikinnen des deutschen Sprachraumes offen.

kath.net dokumentiert den Brief in voller Länge in kath.net-eigener Übersetzung – Übersetzung © kath.net!

An Seine Heiligkeit, Papst Franziskus, Vatikanstadt – 30. August 2018

Eure Heiligkeit,

Sie haben gesagt, dass Sie "eine prägnantere weibliche Präsenz in der Kirche suchen", und dass "Frauen in der Lage sind, Dinge mit einem anderen Blickwinkel als [Männer] zu sehen, mit anderen Augen. Frauen können Fragen stellen, die wir Männer nicht verstehen können."

Wir schreiben Ihnen, Heiliger Vater, um die Fragen zu stellen, die Antworten brauchen.

Wir sind katholische Frauen, die sich zutiefst unserem Glauben verpflichtet fühlen und die zutiefst dankbar sind für die Lehren der Kirche, für die Sakramente und die vielen guten Bischöfe und Priester, die Segen in unser Leben gebracht haben.

Aber unsere Herzen sind gebrochen und unser Glaube gerät durch die sich zuspitzende Krise, die unsere geliebte Kirche erfasst, in Versuchung. Wir fühlen uns wütend, betrogen und desillusioniert. Der Schmerz und das Leid der Opfer enden nie, denn jeder Nachrichtenschub bringt entsetzlichere Enthüllungen über sexuellen Missbrauch, sexuelles Fehlverhalten, Vertuschungen und Betrug – sogar auf höchster kirchlicher Ebene.

Die jüngste Erklärung von Erzbischof Carlo Maria Viganò bringt uns dazu, Sie direkt um Antworten zu bitten. Sein Statement beschuldigt Sie, Heiliger Vater, sowie hochrangige Kardinäle, das ungeheuerliche Verhalten des ehemaligen Kardinals McCarrick zu ignorieren und dieses Raubtier als globalen Sprecher und spirituellen Leiter gefördert zu haben. Ist das wahr?

Dies sind verheerende Vorwürfe. Wie USCCB-Präsident Kardinal Daniel D. DiNardo vor kurzem sagte: "Die aufgeworfenen Fragen verdienen Antworten, die schlüssig sind und auf Beweisen basieren." Wir stimmen zu.

Einige entscheidende Fragen, die das Statement von Erzbischof Viganò aufwirft, erfordern jedoch weder langwierige Ermittlungen noch physische Beweise. Sie erfordern nur Ihre direkte Antwort, Heiliger Vater. Als Sie kürzlich von Reportern über die Vorwürfe von Erzbischof Viganò befragt wurden, antworteten Sie: "Ich werde dazu kein einziges Wort sagen." Sie sagten den Reportern, sie sollten "die Aussage sorgfältig lesen und ihr eigenes Urteil fällen".

Ihrer verletzten Herde, Papst Franziskus, reichen Ihre Worte nicht aus. [Vielmehr] brennen sie und erinnern an jenen Klerikalismus, den Sie erst kürzlich [selbst] verurteilt haben. Wir brauchen Leitung, Wahrheit und Transparenz. Wir, Ihre Herde, bedürfen IHRE Antworten JETZT.

Insbesondere bitten wir Sie demütig, die folgenden Fragen zu beantworten, da Ihnen die Antworten gewiss bekannt sind. Erzbischof Viganò behauptet, dass er Ihnen im Juni 2013 (im Wesentlichen) diese Botschaft über den damaligen Kardinal McCarrick übermittelt hat:

"Er hat Generationen von Seminaristen und Priestern korrumpiert und Papst Benedikt hat ihm befohlen, sich in ein Leben des Gebets und der Buße zurückzuziehen."

- Ist das wahr? Was hat Ihnen Erzbischof Viganò im Juni 2013 über den damaligen Kardinal McCarrick mitgeteilt?

- Wann haben Sie von Kardinal McCarrick von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs oder sexuellen Fehlverhaltens gegenüber Erwachsenen erfahren?

- Wann haben Sie von den Einschränkungen erfahren, die Papst Benedikt dem damaligen Kardinal McCarrick auferlegt hat? Und haben Sie Kardinal McCarrick von irgendwelchen Einschränkungen von Papst Benedikt befreit?

Heiliger Vater, in Ihrem Brief an das Volk Gottes über die Skandale haben Sie geschrieben: "Das Bewusstsein der Sünde hilft uns, die Fehler, die Vergehen und die in der Vergangenheit verursachten Wunden anzuerkennen, und es gestattet uns, uns zu öffnen und in der Gegenwart stärker für einen Weg erneuerter Umkehr einzusetzen." Deshalb erwarten wir, dass Sie, unser Heiliger Vater, offen zu uns sind.

Bitte wenden Sie sich nicht von uns ab. Sie haben sich verpflichtet, in der Kirche die klerikalen Gewohnheiten zu ändern. Wenn ein Kardinal Seminaristen (sexuell) nachstellen würde, wäre das grauenvoll. Wir müssen wissen, dass wir Ihnen und Ihrer Ehrlichkeit über das, was passiert ist, vertrauen können. Die Opfer, die so furchtbar gelitten haben, müssen wissen, dass sie Ihnen vertrauen können. Die Familien – die die Quelle der Erneuerung der Kirche sein werden –´, müssen wissen, dass wir Ihnen vertrauen und somit der Kirche vertrauen können.

Bitte halten Sie uns bei diesen Fragen nicht auf einer Armlänge Distanz. Wir sind treue Töchter der Kirche, die die Wahrheit brauchen, damit wir beim Wiederaufbau helfen können. Wir sind keine Katholiken zweiter Klasse, die abgewimmelt werden, während die Bischöfe und Kardinäle diese Sachen unter sich lösen. Wir haben das Recht, Bescheid zu wissen. Wir haben ein Recht auf Ihre Antworten.

Wir sind Ehefrauen, Mütter, alleinstehende Frauen, geweihte Frauen sowie Ordensschwestern.

Wir sind die Mütter und Schwestern Ihrer Priester, Seminaristen, zukünftigen Priester und Ordensleute. Wir sind die Laienleiterinnen der Kirche und die Mütter der nächsten Generation.

Wir sind Professorinnen in Ihren Seminaren und Leiterinnen in katholischen Büros und Institutionen.

Wir sind Theologinnen, Verkünderinnen [der Frohen Botschaft], Missionarinnen und Gründerinnen katholischer Apostolate.

Wir sind die Menschen, die opfern, um die gute Arbeit der Kirche zu finanzieren.

Wir sind das Rückgrat der katholischen Pfarreien, Schulen und Bistümer.

Wir sind die Hände, die Füße und das Herz der Kirche.

In Kürze: Wir sind die Kirche, genauso wie die Kardinäle und Bischöfe um Sie herum.

Heiliger Vater, wir sind die "prägnante Gegenwart", die die Kirche braucht, und wir brauchen Ihre Antworten.

In Liebe zu Christus und zur Kirche,
[Es folgen die Unterschriften]

Link zum Originalbrief mit Unterzeichnungsmöglichkeit: Letter to Pope Francis from Catholic Women

Archivfoto Papst Franziskus



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