Pro & Kontra: Ist die Hohmann-Rede antisemitisch?

12. November 2003 in Deutschland


Die Aufregung um die Rede des CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann (Fulda) schlägt immer höhere Wellen. Zwei Kommentare (Pro & Kontra) von Prof. Berndt Schaller (Göttingen) und den Judenchrist Klaus Mosche Pülz (Herzliya/Israel)


Deutschland (kath.net/idea)
Der Präsident der Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, nannte die Rede den “schlimmsten Fall von Antisemitismus”, der neue EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber forderte den Ausschluß Hohmanns aus dem Bundestag. Auch der Evangelische Präsident des Dachverbandes der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Prof Berndt Schaller (Göttingen), hält die Rede für “antisemitisch”. Der Judenchrist Klaus Mosche Pülz (Herzliya/Israel), Leiter der “Messianischen Bekenntnisgemeinschaft” (ZeLeM), fordert dagegen eine Würdigung der lauteren Absichten Hohmanns.

Pro: Antisemitismus im Gewand des Biedermanns - Von Berndt Schaller

Der Vorwurf des Antisemitismus trifft den Bundestagsabgeordneten für den Landkreis Fulda und das (Noch-)Mitglied der CDU/CSU Fraktion des Bundestags gewiß schwer. Damit möchte er nichts zu tun haben. Als treuer Sohn seiner römisch-katholischen Kirche, der sich als gewählter Volksvertreter “für christliche Werte einsetzt”, darf, kann er kein Antisemit sein. Er ist gegen den “Versuch ..., deutsche Geschichte weiß zu waschen”, er leugnet den Holocaust nicht. Gewiß, gewiß, er will kein Antisemit sein! Er fordert bloß “Gerechtigkeit für Deutschland”, wehrt sich dagegen, die Deutschen pauschal als “Tätervolk” abzustempeln. Also ein harmloser, ja aufrechter, für “Klarheit und Wahrheit” einstehender Mann, der zu Unrecht gegenwärtig – natürlich vor allem von einer linken Meinungsmafia – mit der ‚Keule’ des Antisemitismus-Vorwurfs überzogen wird?Mitnichten! Seine – ausgerechnet zum Tag der Deutschen Einheit gehaltene – Rede ist eines der übelsten Beispiele für die Aufnahme und Verbreitung klassischer antisemitischer Klischees. Selbst die alte Rassentheorie läßt grüßen. Sie spielt zwar keine tragende Rolle, aber im Hintergrund schimmert sie durch, wenn argumentativ auf die jüdische Abstammung z. B. von Karl Marx, Ferdinand Lassalle und Rosa Luxemburg abgehoben wird. Im Vordergrund steht die in antisemitischen Kreisen, nicht zuletzt auch im NS-Staat gern kolportierte Verquickung, ja sogar Gleichsetzung von Juden und Bolschewismus bzw. Sozialismus. Als erster Zeuge wird dafür ausgerechnet Henry Ford angeführt mit seinem Buch “Der internationale Jude”, einem Hauptwerk des politischen Antisemitismus der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts. Und in dessen Gefolge wird dann penibel aufgelistet, “wie stark und nachhaltig Juden die revolutionäre Bewegung in Rußland und mitteleuropäischen Staaten geprägt haben” und wie viele dabei an den bolschewistischen Greueltaten beteiligt waren. Das liegt ganz auf der Linie der antijüdischen Propaganda von Goebbels und Konsorten. Zu den antisemitischen Klischees gehört im übrigen dann auch der Verweis auf die ‚guten’, in diesem Fall die religiösen Juden.

Hier werden mit dem Ziel, die deutsche Schuld am Holocaust zu relativieren, antisemitische Stereotypen aufgewärmt und salonfähig gemacht und damit zugleich unterschwellig antijüdische Ressentiments geweckt bzw. befördert. Ob letzteres gewollt ist, sei dahin gestellt. Es wird in jedem Fall in Kauf genommen. Hier spielt ein politischer Biedermann mit dem Feuer. Er zündelt mit kruden Assoziationen, historischen Halbwahrheiten und Unterstellungen herum und versucht damit, die Volksseele aufzuheizen. Und dabei kann er sich mancherorts des Beifalls sogar sicher sein. Umso mehr ist es nötig, ihn in die Schranken zu weisen. Seine Fraktion und wohl auch seine Partei sind hier gefordert.

Kontra: Juden nicht unter Denkmalschutz stellen - Von Klaus Mosche Pülz

Nicht nur in Deutschland, auch in Israel schlagen die Wellen hoch über die Rede des CDU-Politikers. Zunächst muß man sich die Frage nach dem Menschen Hohmann stellen. Er ist bekennender Christ und verurteilt in seiner Rede ausdrücklich die Unrechtstaten eines unmenschlichen NS-Regimes. Hitler ist für ihn ein “Vollstrecker des Bösen”. Ebenso verurteilt er zu Recht antideutsche Filme und Literatur in England und in den USA, wo noch immer antideutsche Bücher mit SS-Schergen auf den Titelblättern reißenden Absatz finden. Deutschland leidet unter dem Minderwertigkeitskomplex, noch immer ein Tätervolk zu sein, auch wenn es mit über 45 Milliarden Euro Wiedergutmachungsgeldern einen Teil seiner Verbrechen ungeschehen zu machen versuchte. Aber Hohmann sagt selbst auch, daß dies gar nicht möglich wäre. Seine Gegenrechnung mit Napoleons Eroberungsfeldzügen und dem gewalttätigen Bolschewismus des Sowjetkommunismus “jüdischer Prägung” erinnert an die antisemitischen “Protokolle der Weisen von Zion”. Die Aufrechnung deutscher Unrechtstaten in der NS-Zeit mit denen des Sowjetkommunismus ist auch nicht stimmig. Aber ist es besonders jüdischerseits klug, nun noch immer auf “die” Deutschen einzuschlagen und nun auch der jungen Generation gegenüber diese “schlimme” Vergangenheit anzulasten? Schafft man mit einer solchen unversöhnlichen Haltung nicht erst recht einen neuen Antisemitismus? Will man mit Strafaktionen gegen Hohmann und den Brigadegeneral Günzel ein Zeichen setzen, daß jedwede Kritik an jüdischstämmigen Agitatoren im sowjetischen Kommunismus, die schließlich historisch beweisbar sind, “Antisemitismus” bedeuten? Erst wenn es möglich ist, Juden auch Ungerechtigkeiten vorwerfen zu können, ist das bisherige Mißverhältnis in den Beziehungen zu den Juden aufgehoben.Hohmann ist nicht der Unmensch, zu dem er in den Medien und bei den linkslastigen Politikern und durch den neuen EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber abgestempelt wird. Ihm geht es um den Gottesbezug in der europäischen Verfassung, um eine christlich-messianische Zukunft für Europa und um “eine gute Zukunft für unser deutsches Vaterland”. Haben die Medienmacher die hehren Wünsche überlesen? Juden sollte man nicht unter Denkmalschutz stellen, und dieses sollten sie auch zugeben. Im Talmud steht als Zielsetzung, daß das rechte Judentum nach dem Prinzip des “tikun ha-olam” verfahren sollte, d.h. die Welt zum Besseren zu führen. Möge Israel diese Herausforderungen annehmen, anstatt sich ständig die Meriten der Menschheit zuzuschreiben und sich als Mustervolk darzustellen. Gott adelt den Demütigen, nicht den Stolzen! (idea)

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Foto: (c) martinhomann.de


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