ARD: „Umgang mit Missbrauchsfall - Papst Franziskus in der Kritik“

21. Jänner 2018 in Weltkirche


Hätte sich Papst Franziskus klarer vom umstrittenen Bischof Barros abgegrenzen sollen? - Missbrauchopfer werfen Barros Mitwisserschaft und Vertuschung vor – Päpstlicher Missbrauchsberater Kardinal O'Malley kritisiert den Papst scharf


Santiago de Chile (kath.net/pl) Die Lateinamerikanreise von Papst Franziskus werde von seinen Äußerungen zu einem Missbrauchsfall überschattet, berichtet die ARD. Selbst der päpstliche Berater für Missbrauchsfälle in der Kirche, der US-Amerikaner Sean Kardinal O'Malley, kritisierte den Papst scharf und sagte, dieser bereite Missbrauchsopfern großen Schmerz. Es geht um den von Franziskus zum Bischof ernannten Juan Barros. Gegen ihn steht der Vorwurf im Raum, er habe bereits früh vom Missbrauch durch den inzwischen vom Vatikan gemaßregelten Priester Fernando Karadima gewusst, doch habe mitgeholfen, dies zu vertuschen. „Das ist alles Verleumdung. Ist das klar? Es gibt auch nicht den geringsten Beweis gegen ihn“, hatte Franziskus dann in Chile gesagt und damit indirekt den Opfern Karadimas vorgeworfen, Barros zu verleumden. Allerdings hatten drei der Opfer Karadimas in einer Pressekonferenz gesagt, dass Barros anwesend gewesen sei, während sie von Karadima missbraucht worden waren. Kardinal O'Malley stellte dazu fest, dass er sich nicht erklären könne, warum Franziskus eine solche Wortwahl verwendet habe, denn der Papst sei sich sehr wohl über das Fehlverhaltens der Kirche und ihres Klerus sowie der Folgen für die Opfer im Klaren.

Das Schweizer SRF ging weiter in der Einschätzung der Schuldfrage und schrieb, dass der fragliche Bischof über Jahrzehnte hinweg den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch ein Mitglied des Klerus geduldet und den Täter gedeckt habe. Katholiken und Nicht-Katholiken sähen es nach Darstellung des SRF als erwiesen an, dass die Kirche nicht wirklich willens sei, Mitwisser in Soutane der ordentlichen Strafjustiz zu übergeben. Außerdem zitiert das SRF die Frage eines Missbrauchsopfers: „Hätte ich etwa ein Selfie machen sollen, während er mich vergewaltigte?“ Ein anderes Missbrauchsopfer hatte nach Darstellung des SRF im chilenischen Fernsehen gesagt, dass dies wohl die einzige Papstreise sei, bei der es nach Abreise des Papstes weniger Katholiken gebe als vor Beginn des Besuches.

Selbst im Medienportal des Vatikans, den „Vatican News“, zog in der deutschsprachigen Ausgabe der Redakteur Stefan von Kempis gemischte Bilanz aus der Reise. Es seien erheblich weniger Menschen zu den Begegnungen mit dem Papst gekommen als die Veranstalter erwartet hatten. Er berichtete in einem Interview, dass selbst die Jesuiten Bischof Barros öffentlich dazu aufgefordert hatten, zurückzutreten oder wenigstens den Papstauftritten fernzubleiben. Doch dann sei „Bischof Juan Barros bei einem Treffen mit dem Papst“ erschienen, „und am nächsten Morgen auch zur Papstmesse in Temuco im Süden, und am Tag darauf auch noch in Iquique ganz oben im Norden – und auf einmal stand sogar der Papst selbst in der Öffentlichkeit als unglaubwürdig da“.

Link zum Statement von Kardinal O'Malley, Päpstlicher Missbrauchsberater und Erzbischof von Boston/USA, auf der Homepage des Bistums Boston: "It is understandable that Pope Francis’ statements yesterday in Santiago, Chile were a source of great pain for survivors of sexual abuse by clergy or any other perpetrator."

Euronews - Papst Franziskus bittet in Chile um Verzeihung wegen Kinderschändung



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