Katholische Heimatlosigkeit?

5. Dezember 2017 in Kommentar


Ich fürchte, dass diese Spaltung in der Kirche sich in der Zukunft noch fortsetzen und dramatisch verstärken wird - Diakrisis am Dienstag - Von Stefan Meetschen


Linz (kath.net)
Das Jahr geht zu Ende, und auch die Kirche nimmt in diesen Wochen vor Weihnachten das Ende verstärkt in den Blick: Die Lesungen sind zunehmend düster, apokalyptisch geprägt. Das passt nicht nur zum Jahresausklang, sondern - wie ich den Eindruck habe - auch zum derzeitigen Lebensgefühl. Viele Menschen, und es müssen gar nicht mal Christen oder Katholiken sein, spüren, dass es so, wie es momentan läuft, nicht mehr lange weitergehen kann. Zu fragil wirkt die internationale Ordnung, zu bedroht erscheint das ökologische System, zu absurd sind Reformen und Gesetze, die als Fortschritt für die Menschheit verkauft werden. Dazu kommt ein Klima der Aggression und der Angst in den Medien, insbesondere in den sozialen Netzwerken - als wären Liebe und Barmherzigkeit erkaltet oder nie dagewesen.

Was mich persönlich etwas melancholisch werden lässt, ist ein Gefühl der katholischen Unbehaustheit oder Heimatlosigkeit, das mich seit einiger Zeit bedrängt und durch gewisse Ereignisse eher stärker als schwächer geworden ist. Vielleicht ist das mein persönliches Problem, vermutlich geht es aber vielen so. Ich weiß als jemand, der jahrzehntelang dem Kurs vor Johannes Paul II. und Benedikt XVI. - so gut es ging - gefolgt ist, nicht mehr so recht, wie es mit der Kirche weitergehen soll. Denn: Bei allen "Kontinuitäts"-Thesen, die zu Beginn des Pontifikats von Franziskus beschworen wurden, mittlerweile erkennt man, wenn man die ideologischen Scheuklappen abnimmt, deutlich, dass sich bestimmte Dinge erheblich verschieben - nicht nur wegen der Fußnoten von "Amoris Laetitia". Alte Fragen, die längst als geklärt angesehen wurden, werden wieder aufgeworfen. Bestimmte Personen und Einrichtungen, die der Lehre des Polen und des Deutschen treu ergeben waren, werden marginalisiert oder transformiert. Begründete Zweifel an theologischen Neuakzentuierungen dürfen zwar in aller Freimut artikuliert werden, ohne jedoch, dass daraus ein fruchtbarer Diskurs entsteht. Das alles ist nicht schön.

Dazu beobachte ich, dass sich das römisch-katholische Lager, das sich all die Jahre als sogenannte "Neocons" mäßigend zwischen den feindlichen Flügeln (Progressive, Traditionalisten) befand, allmählich zerfranst, auflöst oder zu spalten scheint, was in der Kirche zu weiteren Gleichgewichtsschwankungen an der Basis führt.

Manche dieser früheren "Neocons" sagen sich: neuer Papst, neues Glück - und haben zum Beispiel mit der umstrittenen, typisch jesuitischen Situationsethik von "Amoris laetitia" überhaupt keine Probleme, so wie sie auch fast alles, was Franziskus tut oder sagt, etwa im Bezug auf die Flüchtlingskrise oder die Ökumene als geradezu gottgegeben akzeptieren und darin das Wirken des Heiligen Geistes für unsere Zeit sehen, halleluja. Andere Wojtyla- und Ratzinger-Jünger hingegen sind mittlerweile so skeptisch gegenüber Rom (und ihren früheren Meistern!) geworden, dass sie nach der Devise "Die Pius-Brüder sind das neue Opus Dei" zu verfahren scheinen. Nicht nur der zuweilen recht ambivalent anmutende Regierungsstil Bergoglios verdient in den Augen dieser Katholiken eine gehörige Portion Zweifel, sondern auch die Texte und Mechanismen des Zweiten Vatikanischen Konzils, bei dem ausgerechnet Wojtyla und Ratzinger mit großem Anfangsoptimismus mitwirkten, werden mit wachsendem Argwohn gesehen. Ist Franziskus also vielleicht doch nur das adäquate Gesicht des Konzils?

Der einzig gangbare Weg - gerade auch angesichts islamistischer und neohumanistischer Bedrohungen - scheint für diese neuen Dubia-Katholiken der Weg zurück zum traditionellen Katholizismus zu sein - mit alter Messe (die Benedikt XVI. wieder erlaubt hat), altem Religionsverständnis (kein Relativismus beim Umgang mit anderen Konfessionen und Religionen) und deutlicher Distanz zu all dem, was irgendwie nach "Modernismus" riecht.

Erstaunlicherweise sind es nicht nur ältere Gläubige, sondern auch Angehörige der jungen Generation, die ein solches großes Latinum des Katholizismus wieder in der Kirche populär machen wollen.

Wie wird das alles ausgehen? Ich fürchte, dass diese Spaltung sich in der Zukunft noch fortsetzen und dramatisch verstärken wird. Und mir tun besonders die Priester und Bischöfe leid, die sozusagen zwischen den Fronten stehen und auf einem schwankenden Schiff, das ihnen selbst kaum noch einen sicheren Halt gibt, für Ordnung und Orientierung, Klarheit und Durchblick sorgen müssen. Wie lange kann man so etwas geistlich und seelisch durchstehen ohne innerlich aufgerieben zu werden?

Deshalb mochte ich bei allem Trübsinn und Pessimismus, der zurzeit in der Atmosphäre zu sein scheint, sehr die Idee, die mir jetzt ein befreundeter Priester per sms mitteilte. Er schrieb mir, dass er am 8. Dezember, dem Fest der Immakulata, besonders für diejenigen Hirten beten wolle, die an den Rand gedrängt worden seien, die man als "Looser" oder "Verlierer" verspotte, obwohl Jesus und die Märtyrer sich zum Verlieren doch auch nicht zu schade gewesen seien. Ich mag diese Idee sehr und überlege, für wen ich am 8. Dezember besonders beten werde. Fest steht, dass ich dies - wie jeden Tag - für Franziskus und Benedikt XVI. tun werde. Unter der besonderen Fürsprache von Johannes Paul II.


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