40 Tote bei Anschlag auf Missionsstation

24. August 2017 in Interview


Bischof Juan José Aguirre von Bangassou prangert einen islamistischen Anschlag auf eine Missionsstation an - Den meisten Todesopfern wurde von den Dschihadisten die Kehle durchgeschnitten


Wien (kath.net/KIN) Vergangene Woche prangerte Bischof Juan José Aguirre von Bangassou einen Anschlag durch eine islamistische Gruppe auf eine Missionsstation in Gambo an. Sie liegt in seiner Diözese im Südosten der Zentralafrikanischen Republik. Schätzungen zufolge kamen etwa 40 Menschen ums Leben. Den meisten wurde von den Dschihadisten die Kehle durchgeschnitten. Bischof Aguirre sprach mit der Päpstlichen Stiftung KIRCHE IN NOT (ACN) über die jetzige Lage in der Region und über die Katastrophen, die im Herzen des afrikanischen Kontinents erneut ausbrechen.

KIRCHE IN NOT: Vergangene Woche wurde die Missionsstation in Gambo angegriffen. Es gab zahlreiche Tote und Vertriebene. Wie ist die aktuelle Lage in Bangassou?

Bischof Juan José Aguirre: Was zurzeit geschieht, kann nur verstanden werden, wenn man sich die Anschläge der Seleka vor vier Jahren vor Augen führt. Sie wurden von Ölländern finanziert und vom Präsidenten des Tschad unterstützt. Sie besetzten die Hälfte des Landes. Diese Dschihadisten haben das Land völlig durcheinandergebracht. Vier Jahre später haben weder die Regierung noch die Verwaltung oder die MINUSCA (UNO-Soldaten) irgendetwas unternommen, um die Seleka des Landes zu verweisen. Die UNO-Soldaten haben sogar mit ihnen gemeinsame Sache gemacht. Nun haben viele junge Menschen zu den Waffen gegriffen, um gegen die Seleka zu kämpfen. Ihnen ist es gelungen, sie aus einer bestimmten Gegend zu verjagen. Sie fingen an, die muslimische Gemeinde in Bangassou anzugreifen. Der Konflikt findet zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen, den vielen Anhängern von traditionellen Religionen und nicht-christlichen Sekten, statt. Wir mussten Muslime beschützen, die sich in eine Moschee eingeschlossen hatten, darunter viele Frauen und Kinder.

KIRCHE IN NOT: Was konnten Sie tun, um ihnen zu helfen?

Bischof Juan José Aguirre: Drei Tage lang haben wir sie sogar als menschliche Schutzschilder verteidigt. Wir brachten sie ins Priesterseminar der Diözese, wo sie seit fast zwei Monaten immer noch wohnen. Mit Hilfe einiger NGOs und anderer Organisationen unterstützen wir etwa 2.100 Menschen. Allerdings verließen einige Organisationen nach Zwischenfällen vor einem Monat Bangassou. Und sie sind seitdem nicht zurückgekommen. Die Anti-Balaka kamen in andere Missionsstationen, etwa Pema o Gambo. Sie reagierten auf ein Massaker der Seleka, bei dem vielen Nicht-Muslimen die Kehle durchgeschnitten wurde. Zuletzt haben wir erfahren, dass eine Woche später viele Leichen noch immer nicht begraben worden sind. Die Menschen sind sehr unzufrieden mit den marokkanischen Soldaten der MINUSCA, die eigentlich von der UNO gesandte Friedenstruppen sein sollen. Wir wollen sehen, ob Gott uns mitteilt, wie wir aus dieser Sackgasse herausfinden können.

KIRCHE IN NOT: Konnten Sie die von Seleka angegriffene Missionsstation in Gambo besuchen?

Bischof Juan José Aguirre: Ich konnte die Missionsstation in Gambo noch nicht besuchen, obwohl sie in der Nähe von Bangassou liegt. Von dort wurden etwa 2.000 Menschen vertrieben, die hierher gekommen sind. Ich hoffe, am Sonntag dort die Heilige Messe feiern zu können. Wir haben Lebensmittel und Nothilfe dorthin geschickt. Wir baten einen Priester und einen Journalisten von einer französischen Nachrichtenagentur, mit einem Motorrad nach Gambo zu fahren. Als sie zurückkamen, erzählten sie, die Lage sei schrecklich. Man kann sie nur vom Schweigen Gottes her verstehen. Im Krankenhaus des Roten Kreuzes sind Menschen gestorben, denen die Kehle durchgeschnitten wurde. Sie verbluteten, und jetzt verwesen sie dort, denn sie konnten noch nicht begraben werden. Es sind wohl um die 40 Toten. Sie berichteten, das halbe Dorf sei niedergebrannt, die Kirche geplündert und in Brand gesteckt worden. Ähnliches geschah mit dem Haus der Patres. Der Wiederaufbau wird sehr schwer sein. Aber wir wissen, dass dies geschehen wird, dass wir mit Gottes Hilfe Mittel und Wege finden werden, alles wiederaufzubauen.

KIRCHE IN NOT: Sie konnten jedoch die Grenze zum Kongo überschreiten, um die dorthin Geflüchteten zu besuchen. Wie geht es ihnen? Wie war die Eucharistiefeier mit ihnen?

Bischof Juan José Aguirre: Alles ging reibungslos. Wir setzten mit einem Paddelboot über den Fluss über. Die Anti-Balaka ließen uns passieren. Wir fanden fast 17.000 Menschen vor, von denen etwa 1.000 in der Kirche auf uns warteten. Wir konnten klar mit ihnen reden, um ihnen Hoffnung zu machen und ihnen zu sagen, dass es morgen besser gehen wird, dass wir nicht in einem Wasserglas ertrinken sollen. Allerdings sind sie schon verzweifelt. Wir sprachen von der Mutter Gottes, denn es war das Fest Maria Himmelfahrt. Wir versuchten sie zu trösten, die Tränen meines Volkes zu zählen. Häufig kann man nichts sagen, nur schweigen und zuhören. Diese Menschen haben viel Leid erlitten. Sie warten dort, bis sich die Lage in Bangassou gebessert hat. Sie werden zurückkommen, aber sie werden von neuem anfangen müssen. Denn sie werden nichts auf den Feldern finden, und ihre Häuser wurden zerstört. So ist das Leben hier, es ist sehr hart. Das Leid ist groß. Wir haben nur noch den Trost Gottes und, wenn er nicht spricht, das Schweigen Gottes.

KIRCHE IN NOT: Was ist zurzeit in Bangassou erforderlich, damit diese Situation aufhört?

Bischof Juan José Aguirre: Ein zentralafrikanischer Gouverneur und eine zentralafrikanische Nationalarmee, um die Disziplin durchsetzen. Die FACA genannte Nationalarmee besteht aus spanischen Soldaten. Sie klagen aber darüber, dass sie keine Waffen haben. Allerdings werden Waffen über den Tschad, den Südsudan und den Kongo ins Land eingeschmuggelt. Viele bereichern sich mit Waffengeschäften, die von multinationalen Konzernen kontrolliert werden. Sie erzeugen sogenannte Konflikte niedriger Stärke, um sich zu bereichern. Was hier geschieht, ist ein Beispiel dafür. Aber wir verlieren nicht die Hoffnung, dass wir vorankommen werden. Deshalb machen wir gute Miene zum bösen Spiel. Der Vatikan hat gerade einen Weihbischof ernannt, den Comboni-Missionar Jesús Ruiz Molina. Er soll am 12. November in Bangui zum Bischof geweiht werden. Mit seiner Hilfe werde ich dieses Volk bei seinem schweren Gang durch die Wüste begleiten können.


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