Psychatrie-Euthanasie: 'Hollands Kirche warnt seit langem'

7. August 2017 in Chronik


Kardinal Eijk: Erster Dammbruch 2002, zweiter 2004 - Durch das "Groningen Protocol" wurde damals "Beendigung des Lebens ohne Zustimmung" möglich gemacht, und auch behinderte Neugeborene konnten getötet werden


Washington (kath.net/KAP) Die Zunahme von Euthansie- und assistierten Suizidfällen bei Psychiatrie- und Demenzpatienten bestätigen die seit Jahren bestehende Kritik der Kirche daran. Das hat der niederländische Kardinal Willem Eijk am Freitag gegenüber dem "Catholic News Service" (CNS) betont. Der hollandweit bekannte Psychiater Boudewijn Chabot habe zu Recht beklagt, dass Ärzte mittlerweile die gesetzlichen Anforderungen für Sterbehilfe ignorierten. Sie sehen vor, dass ein Patient, der den Tod verlangt, "unerträglich leidet und ohne Aussicht auf Besserung sein" müsse.

Chabot, der als "Pionier des niederländischen Euthanasiegesetzes" gilt, hatte im Juli in der Zeitung "Nieuwe Rotterdamse Courant Handelsblad" (NRC Handelsblad) geschrieben, er habe beim ursprünglichen Gesetzesentwurf an die "vollkommene Selbstbestimmung" geglaubt, und er sehe in einer Zunahme der Sterbehilfefälle noch kein Problem. Allerdings - fügte er hinzu -, habe es dennoch Erschrecken ausgelöst, dass durch die spätere Erweiterung des Euthanasiegesetzes durch Einschließung psychiatrischer Patienten sowie Demenzkranker eine hohen Zahl von derartigen Fällen gemeldet wurde. Es waren 141 im Jahr 2016, im Vergleich zu nur 12 im Jahr 2009.

Kardinal Eijk, der die Ethikkommission der niederländischen Bischöfe leitet, kommentierte das mit den Worten: "Chabot beschwert sich nun über eine von ihm selbst initiierte Entwicklung. Natürlich ist es gut zu lesen, dass ein Initiator und früher Anwalt der Euthanasie und des unterstützten Selbstmords jetzt Betroffenheit äußert", sagte der Kardinal: "Aber die Niederländische Bischofskonferenz hat von Anfang an gewarnt, die intrinsische Würde des menschlichen Lebens durch Sterbehilfe oder assistierten Selbstmord zu verletzen. Es ist eben niemals zulässig, diesen Wert zu verletzen, und weil man sich dabei auf einen rutschigen Hang begibt."

Ejik kritisierte die "Naivität" Chabots. Er habe in den 1990er Jahren angenommen, dass "das Beenden des Lebens für Menschen mit psychiatrische Störungen sich nur auf wenige Fälle beschränken würde", was man jedoch schon damals anders habe sehen müssen.

Die Niederlande wurden 2002 zum weltweit ersten Land, das die Sterbehilfe legalisierte. Seither gibt es einen rasanten Anstieg der damit zusammenhängenden Todesfälle; pro Tag sind es laut Kommissionsbericht 20 Fälle. Der Bericht von Mai 2017 besagt auch, dass 6.672 Sterbehilfe-Todesfälle im Jahr 2015 registriert worden waren, im Vergleich zu nur 150 von assistiertem Selbstmord, während 431 Patienten ohne ausdrückliche Zustimmung getötet worden waren.

Folge davon, "wenn man das Prinzip zerbricht"

Eijk sagte, dass die Euthanasie ursprünglich nur "auf ausdrücklichen Wunsch eines Patienten im Endstadium einer unheilbaren somatischen Krankheit" zugelassen worden war. Das habe man stetig erweitert, und nun werde die Begründung, dass der Patient "vor dem Endstadium des Lebens" stehe, als ausreichend angenommen.

"Wenn man das Prinzip zerbricht, dass das menschliche Leben ein wesentlicher Wert ist, begibt man sich auf den rutschigen Hang", fügte der Kardinal hinzu. "Niederländische Erfahrungen lehren, dass wir immer wieder mit der Frage konfrontiert werden, ob das Ende des Lebens nicht auch mit wenig oder ohne Formen des Leidens möglich sein sollte."

In einer Petition von Jänner 2017 warnten Chabot und 200 andere niederländische Ärzte, dass die gesetzlichen Schutzmaßnahmen "langsam brechen". Es würden viele Menschen mit Demenzkrankheit und psychiatrische Patienten getötet, "ohne tatsächlicher mündlicher Zustimmung". In seinem Handelsblad-Artikel beschuldigte Chabot die offizielle Euthanasie-Kommission, dass "behinderte Menschen heimlich getötet wurden" und sagte, dass "Hinrichtungen" jetzt vorkämen.

Kardinal Eijk erinnerte an den zweiten Dammbruch, der 2004 erfolgt war. Durch das "Groningen Protocol" sei damals "Beendigung des Lebens ohne Zustimmung" möglich gemacht worden. Behinderte Neugeborene mit Symptomen wie Spina bifida konnten ab jetzt getötet werden - wegen "angenommenem zukünftigen Leiden, oder Leiden ihrer Eltern". Der Kardinal sagte, dass ein neuer Gesetzesentwurf zum unterstützten Selbstmord, der 2016 beschlossen wurde, gesunden Menschen, die nichtmedizinische Probleme hätten - wie "Einsamkeit, Trauerfall, eingeschränkte Mobilität und Niedergang wegen Alter" -, erlaube, durch die Tätigkeit eines nonprofessionellen "Assistenten beim Selbstmord" zu sterben.

"Unsere Antwort auf das Leiden sollte nicht sein, Euthanasie oder unterstützten Selbstmord anzubieten, sondern eine adäquate, professionelle und liebevolle Palliativpflege - bei der aus christlicher Perspektive die Seelsorge ein unentbehrlicher Teil ist", sagte Eijk. "Wenn Menschen unerträglich und ohne Perspektive an Einsamkeit leiden - was ein häufiges Problem in der heutigen hyperindividuellen Kultur ist -, sollten wir versuchen, diese Kultur zu ändern, anstatt Selbstmord für gesunde Menschen zu bieten", sagte er.

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