Glaubensverführer auf hohem Niveau

26. Juli 2017 in Kommentar


„Ich bin mir nicht sicher, ob sich Drewermann bewusst war, welche Religionspsychologie Jung verfolgte.“ Gastbeitrag der Religionspsychologin Martha von Jesensky


Zürich (kath.net) In einer vor Kurzem erschienen Biografie über Eugen DREWERMANN, wird in Zusammenhang mit der religiösen Entwicklung Drewermanns ein Dialog aus seiner Kindheit zwischen ihm und seiner Mutter berichtet.

Der Biograf Matthias BEIER, Professor für Pastoraltheologie (er promovierte über Drewermann), schreibt: Den Glauben seiner Mutter charakterisiert Drewermann so: „Ich stamme aus einer Familie, in der man selbstverständlich beim Gewitter eine Kerze anzünden und ein Gebet zum Bannen des Blitzeinschlags hersagen musste.“ Aus der Sicht Drewermanns war der Glaube seiner Mutter sowohl eine Quelle innerer Stärke, wie auch, aufgrund seiner Naivität, eine Gefahr. (2017)

Drewermann: „Wenn man Fragen hatte zum Beispiel wie das mit der Hostie sei, ob das jetzt wirklich der Leib Christi wäre…da hat sie gesagt: Kind, das fragt man nicht, das glaubt man. Also das war nie zu hinterfragen.“

Als Drewermann in der Jugendzeit einmal ein Nietzsche-Buch las, das auf dem katholischen Index der verbotenen Bücher stand, ging seine Mutter besorgt in die Kirche, um für ihn zu beten. Er sagt, „Höllenangst“ wurde während seiner Kindheit vom katholischen Priester (es handelt sich speziell um den Pfarrer F. Schulte in der Bergkamen, der als „sehr konservativ“ galt) von der Kanzel gepredigt. Das hat ihn (Drewermann) wesentlich geprägt.

Während Drewermann den Glauben seiner Mutter einerseits als innerlich stark, anderseits als „naiv“ bezeichnet, merkt er nicht, dass er etwas auf seine Mutter projiziert, womit er selber nicht fertig geworden ist: Die Unfähigkeit zum Gehorsam. Weil seine Überzeugung, wie er sagt, auf historisch-kritischer Forschung beruht, nämlich, dass 1. Jesus das Abendmahl in der heutigen Form der katholischen Kirche nie so eingesetzt habe, 2. dass die Lehre von der Jungfrauengeburt keine Aussagen über den biologischen Status von Jesu Mutter machen will, sondern über Jesus, der dadurch symbolisch als allein von Gott herkommend beschrieben werden soll, 3. dass die Eucharistie (Danksagung) von der katholischen Kirche benutzt werde, um die Trennung unter Christen zu säen… (Vgl. Matthias BEIER, 2017, S. 375)

Darum stellt sich für Drewermann die Frage: „Kann der Glaube Gewissheit über historisch Geschehenes geben, oder kann man über Historisches nur auf historischem Weg, durch die historische Forschung wissen?“ Zu ihnen gehören auch der Glaube an die Auferstehung Christi und die Jungfraugeburt. Für Drewermann sind beide nur symbolische Akte – während die Kirche beides als physikalische Fakten versteht und deklariert.

Es geht darum, so Joseph RATZINGER / BENEDIKT XVI. (2008), „ob der Glaube wirklich in die Geschichte hineinreicht. Es geht darum, ob die Materie der Macht Gottes entzogen ist oder nicht. Es geht darum, ob Gott Gott ist und ob er wirklich in der Geschichte bis ins Leibliche hinein gehandelt und sich als Herr über den Tod erwiesen hat, der ja schliesslich (auch wie die Jungfraugeburt) ein biologisches Phänomen ist… Kann und darf der Mensch Gott in seinem Wirken Grenzen setzten?“ (Hinzufügung im Klammern durch die Referentin)

Drewermann stützt sich bei seinem Glaubensverständnis auf C.G. JUNG, dem Begründer der Analytischen Psychologie. In meiner Dissertation gegen die JUNGsche Religionspsychologie habe ich gezeigt, dass Jung einen Standpunkt vertritt, der sich von dem christlichen dadurch unterscheidet, dass seine Anthropologie im Hinblick auf die Selbstverwirklichung des Menschen, beziehungsweise seines „Gottesbildes“ (gemeint ist ein Archetypus, das heisst ein URBILD im Unbewussten mit symbolischem Charakter) die Selbsterlösung zum Ziele hat, während die christliche Anthropologie auf das Erlösungswerk Gottes (durch Christus) vertraut. (Titel der Dissertation: C.G. JUNGs Persönlichkeitspsychologie und ihre Auswirkungen in der Praxis, insbesondere auf den Zusammenhang von Religion und Neurosen. EOS – Verlag, 2001)

Jung begründet seinen Standpunkt so: „Die Imitatio Christi würde auf die Dauer den Nachteil haben, dass wir einen Menschen als göttliches Vorbild verehren, der höchsten Sinn verkörperte und vor lauter Nachahmung vergessen, unseren eigenen Sinn zu verwirklichen.“

Anlehnend an Jung, deutet dann Drewermann die Darstellung von JESUS als Archetypus bei Kreuzigung, so: „Es gilt auch zu beachten, dass die Versuchung des Erlösers vor seinem öffentlichen Wirken notwendigerweise einen Archetyp der Religionsgeschichte darstellt: der Retter muss zunächst in sich selbst die Gefahren überwunden haben, von denen er die Welt befreien will.“ (Drewermann, 1989, S. 15O / in der Dissertation S. 91)

Und an einer anderen Stelle: „Wenn man Gott des Karfreitags als eine Chiffre der Erlösung verstehen will, so muss man unbedingt, statt theologisch, psychologisch, von dem Menschen, statt von Gott her argumentieren…“(1989, S. 71)

Wie das zu verstehen ist, erklärt Drewermann folgendermassen: „25 Jahre lang habe ich mich bemüht, die Welt aus der Sicht der Menschen zu betrachten, die zu mir kamen und ich hoffte, auch der Kirche als Institution nützen zu können. Ein Priesteramt aber, das durch die ergangenen Dekrete auf reinen Sakramentalismus reduziert wird, ist nicht länger ein Dienst am lebenden Menschen, sondern eine Travestie seiner selbst…“ (17.3.1992)

Dann fragt er noch in Bezug auf das Sühnopfer Christi: „Was für ein Moloch von Gott braucht denn solche Sühnopfer?“ (Katholisches Pfarrblatt Forum Zürich, 15.3.1992)

Im Jahre 1957 erklärt C.G. Jung, welche Aufgabe seiner Psychologie in Bezug auf das Dogmenverständnis zukommt: „Sie verschafft Möglichkeiten zum besseren Verständnis des Vorhandenen. Sie öffnet das Auge für die Sinnerfülltheit der Dogmen, sie zerstört eben gerade nicht, sondern bietet einem leeren Haus neue Bewohner.“ Diese Absicht hatte auch Drewermann.

Ich bin mir nicht sicher, ob sich Drewermann bewusst war, welche Religionspsychologie Jung verfolgte. Denn mir erging es ähnlich, wie manchen anderen Studierenden an seinem Institut in Küsnacht bei Zürich - darunter waren auch katholische Priester, die aus der Kirche ausgetreten sind. Erst nach mehreren Jahren gingen mir die Augen auf, als mein damaliger Lehranalytiker mir etwas „Besseres als Jesus“ zeigen wollte. Anscheinend war ich bis dahin noch nicht „reif“ dazu. Folgendes sollte ich bezüglich der Individuation (Selbstverwirklichung) verstehen:

Im Gegensatz zur christlichen Lehre geht es schlussendlich bei C.G. Jung um die Integrierung des Satans in unsere Lebensweise, konkret um das „unmoralische Ideal“, der nach ihm zur Erweiterung der Trinität (Gott, Sohn, Heiliger Geist) zur Quaternität, Symbol für die Ganzheit (Gott, Sohn, Heiliger Geist und der Satan) führt.

(Zwischenbemerkung: Weil ich das dann verstanden habe, habe ich mich entschlossen, gegen dieses Gedankengut eine Dissertation zu schreiben.)

JUNG hat selbst nie an JESUS geglaubt. Er sagte: „Mir war die Geschichte mit dem Herr Jesus immer verdächtig vorgekommen und ich habe sie nie wirklich geglaubt.“ (Originalzitat nach Jaffé, 1992, eine Schülerin von Jung)

Und Drewermann?

Dr. phil. Martha von Jesensky ist Religionspsychologin und praktizierende Katholikin. Die Schweizerin führte lange eine eigene Praxis in Zürich, ihren (Un-)Ruhestand verbringt sie in Matzingen TG


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