Erlebnisse eines Bischofs auf Pro-Life-Kundgebungen

5. Oktober 2016 in Kommentar


„In den vergangenen Jahren sprachen sich sogar Bischöfe für das geltende Abtreibungsgesetz aus oder bekundeten ihre peinliche Unkenntnis der Lehre der Kirche zum Thema Abtreibung!“ kath.net-Klartext von Bischof Andreas Laun


Salzburg (kath.net) Als in Österreich 1975 die Fristenlösung beschlossen wurde, sammelten wir, die Christen, vor allem die Katholiken, für ein Volksbegehren fast 1 Million beglaubigte Unterschriften. Ich erinnere mich an einen Sonntag in Wien, an dem ich zwei Notare gewinnen konnte, nach der 10 Uhr-Sonntagsmesse kostenlos für uns zu arbeiten und die entsprechenden Dokumente zu besiegeln!

Wollte jemand heute wieder versuchen, ein Volksbegehren in diesem Sinn zu starten, er würde scheitern. Denn das bestehende Gesetz hat bewirkt, was wir schon damals vorausgesagt haben: Das Gesetz verändert das Denken, die Leute gewöhnen sich daran. In den vergangenen Jahren sprachen sich sogar Bischöfe für das Gesetz aus oder bekundeten ihre peinliche Unkenntnis der Lehre der Kirche zum Thema Abtreibung, die man ja auch im Katechismus leicht nachlesen könnte!

Was kann, was soll, was muss man heute noch tun? Ähnlich liberale Gesetze gibt es heute ja in den meisten Ländern Europas.

Meine Antwort ist: Erstens kann kein Gesetz das Gewissen abschaffen. Und auch nicht das Wissen um die Wahrheit! Niemand von uns weiß, wann und wo und wie dieser Sieg des Teufels in seiner Niederlage enden wird!

Zweitens: Das Gebot der Stunde heißt: Nicht schweigen und bei jeder Gelegenheit sich zur Heiligkeit und Unantastbarkeit des unschuldigen menschlichen Lebens bekennen, beim Cafétratsch und in der Öffentlichkeit – wo auch immer! Darum muss man auch sagen: Der Staat hat die Pflicht, dieses Leben zu schützen mit seinen Gesetzen. Wirklich schützen heißt: auch mit Strafgesetzen! Das lächerliche Lippenbekenntnis wiederholen, „Abtreibung ist zwar Unrecht, ‚nur‘ straffrei!“ genügt nicht! Wer würde diese Formel für den Diebstahl seines Autos gelten lassen? „Gemeinheit, aber bitte den Dieb nicht strafen!“ Wer reagiert so auf den Diebstahl seines Autos?

Eine Form des „Nicht Schweigen!“ ist der Gang über die Straßen unserer Städte und Länder.

Später einmal soll und darf es nicht heißen: „Und ihr Katholiken, ihr hattet eine klare Lehre, aber ihr wolltet es gar nicht so genau wissen, ihr habt geschwiegen und nicht gekämpft! Und das obwohl ihr wusstet, was vor eurer Haustüre tagtäglich geschieht und es weder eine Gestapo noch eine Stasi gab, die euch bedroht hätten! Nur über das Unrecht eurer Vorfahren habt ihr euch immer entrüstet und so getan, als hättet ihr ‚damals‘ natürlich Widerstand geleistet, und Ihr habt euch um dieses Redens willen für gerecht gehalten, für schuldlos!“ Das Heute dürfe und könne man nicht mit dem ‚damals‘ vergleichen, heißt es dann, obwohl die damaligen Diktaturen neben anderen Verbrechen auch genau das taten, was wir heute tun oder geschehen lassen: Abtreibung straffrei stellen war ein kommunistisches Anliegen von Anfang an und die Nazis entwickelten Programme, um slawischen Frauen Abtreibung zu ermöglichen und sie dazu zu motivieren. Wir praktizieren, was Stalin und Hitler uns vorgemacht haben!

Mein Traum ist es: In allen Städten Europas gehen die Christen auf die Straße, geführt von ihren gut erkennbaren, entsprechend gekleideten Bischöfen, vielleicht sogar mit dem Papst an erster Stelle, und verkünden zusammen mit vielen anderen und andersgläubigen Menschen guten Willens eindeutig und kraftvoll das 5. Gebot Gottes für die ungeborenen, für die eingefrorenen und dann auch für behinderte und sterbende Menschen! In diesem Sinn war ich schon „dabei“ in Wien, in Budapest, in Prag, in Berlin, in Paris, in München, in Bratislava, in Bern und anderen, kleineren Städten, meist ohne bischöfliche Mitbrüder. Aber jetzt gibt es schon erste Zeichen der Hoffnung, dass das Beispiel der US-Bischöfe bei uns Schule macht: Dort gehen die Bischöfe beim großen nationalen Marsch für das Leben mit!!!

Es wäre ein Tag der Freude auf Erden und im Himmel, wenn dieser Traum wahr würde. Ich bin überzeugt, der Tag würde Früchte im Leben der Völker bringen, Kinder retten, ja er könnte die Gesetze des Todes zum Einsturz bringen! Unmöglich? Wer hätte es vor wenigen Jahren noch für möglich gehalten, dass der Kommunismus „kippen“ und „die Mauer fallen“ wird? Wenn wir unsere Demonstrationen mit Gebet und Umkehr begleiten, gilt: Bei Gott ist kein Ding unmöglich!

Wussten Sie übrigens, dass Mutter Teresa in den Abtreibungen eine Hauptursache für die heutigen Kriege sah? Wäre es nicht den Versuch wert, es „damit“ zu versuchen statt Bomber zu entsenden, die den Krieg X und Y beenden sollen, Gewalt durch andere und neue und technisch raffiniertere Gewalt?

Das „Rezept“ der großen Heiligen logisch zu Ende gedacht wäre: Stoppen wir die Gewalt gegen die Kinder, dann wird Gott uns helfen, auch die andere Gewalt zu einem Ende zu bringen! Ohne Umkehr zu Gott werden die Menschen auf die Gewalt gegen die Kinder nicht verzichten, und auf der anderen Seite wird die Gewalt weitergehen – die Menschen werden sie beklagen und zugleich die Unverschämtheit haben, Gott Vorwürfe zu machen für das Blut, das sie vergießen!

Archivfoto von Bischof Laun



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