Kenne ich den Unterschied zwischen Nahrung und dem Leib des Herrn?

22. September 2016 in Deutschland


Paderborner Erzbischof Becker in Predigt bei Deutscher Bischofskonferenz: „Ich sehe hier durchaus einen Anlass, auf unser konkretes Verhalten bei der Feier der heiligen Messe hinzuweisen.“


Fulda (kath.net/DBK) „‚Wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit!‘ Ich sehe hier durchaus einen Anlass, auf unser konkretes Verhalten bei der Feier der heiligen Messe hinzuweisen. Überlege ich mir wirklich, und wenn ja, wann überlege ich mir, dass ich zum Tisch des Herrn gehen möchte? Kenne ich den Unterschied zwischen gewöhnlicher Nahrung und dem mir von Christus gereichten Leib des Herrn? Gebe ich mein ‚Amen‘ als gläubige Antwort auf den Empfang der Speise des ewigen Lebens?“ So eindringlich fragte der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker (Archivfoto) in seiner Predigt bei der Morgenmesse im Rahmen der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda.

kath.net dokumentiert die Predigt von Erzbischof Hans-Josef Becker in der Eucharistiefeier am 22. September 2016 im Rahmen der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz involler Länge:

Schwestern und Brüder im Herrn,
so vergesslich wollen wir nicht sein, dass wir die Worte des Herrn eben in der Verkündigung des Evangeliums nicht mehr in uns nachklingen lassen. Der letzte Satz sagt ganz markant: „Wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit!“ Klingt er wirklich nach?

Leben in Ewigkeit? – Viele glauben nicht an dieses ewige Leben. Zumindest wollen sie keinen Hehl machen aus ihrer Distanz zu jenem ewigen Leben, auf das hin wir erlöst sind. Kennen wir nicht auch solche Menschen? Da ist zum Beispiel Simone de Beauvoir (1908–1986), die atheistische Tochter einer gläubigen Mutter. Da ist zum Beispiel André Malraux (1901–1976), der ehemalige französische Kultusminister. Beide genannten Personen verweisen auf tiefe Konsequenzen eines Lebens ohne ewiges Leben: Simone de Beauvoir zerbricht sich auf Hunderten von Buchseiten den Kopf über ihr eigenes Altwerden, was sie letztlich nur tragisch finden kann. André Malraux sieht sich umgetrieben vom Gedanken an den Tod und er fragt fast verzweifelt: „Was kann man der Urgewalt des Todes entgegensetzen?!“

Tod, Verwesung und Vergänglichkeit machen uns zu schaffen. Der Gedanke an die Hinfälligkeit von Welt und Leben treibt nicht wenige Menschen in eine große Traurigkeit. Von den Römern wissen wir, dass sie von den „Tränen aller Dinge“ sprachen, und meines Wissens prägte der große Dichter Dante das Wort von der „großen Traurigkeit“.

Aber muss das Leben vieler Menschen in solcher Grundstimmung verlaufen beziehungsweise verharren? Kommt Traurigkeit vielleicht von einer falschen Sicht ihres Lebens? Woher wissen sie denn so genau, dass mit dem biologischen Tod alles aus ist? Sollten wir nicht alle insgesamt feinfühliger und aufgeschlossener die Regungen unseres menschlichen Herzens wahrnehmen? Vielleicht könnten wir es bemerken: Dieses Herz sehnt sich nach einem Leben ohne Ende. Ergreifend hat Gustav Mahler in seiner dritten Sinfonie die Worte Nietzsches vertont: „Und alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit.“

Die Märchen vieler Völker wollen unser Leben nicht enden lassen mit dem Tod und sie beschwören immer wieder Jungbrunnen, die die ewige Jugend spenden. Oder sie künden von einem Lebenskraut, das den Tod überwinden soll.

Doch mit der Sehnsucht allein ist es nicht getan. Entspricht solcher Sehnsucht auch ein Ziel? Oder muss sie im Leeren und Ungewissen enden?

Der Zürcher Schauspieler Ernst Ginsberg (1904–1964) hat es einmal so artikuliert: „Es muss ein ewiges Leben geben. Wenn Gott uns nämlich schon die Sehnsucht danach ins Herz gegeben hat, so wäre es von ihm geradezu grausam, dieser Sehnsucht keine Erfüllung zu gewähren.“ Viele denken anders. Das weiß ich. Und für sie ist es gar nicht so sicher, ob es einen Gott überhaupt gibt. Und die Frage nach dem ewigen Leben fordert von ihnen ein Achselzucken.

Und unsere Antwort, Schwestern und Brüder? Da steht das Wort vom „Brot des Lebens“: „Wer dieses Brot isst, wird ewig leben!“ Vor dunklen Gedanken und dunklen Erfahrungen und dunklen Horizonten wirkt etwas Helles noch viel heller. Vor der Dunkelheit der großen Traurigkeit erstrahlt der letzte Satz des Evangeliums, wie wir es hörten, noch leuchtender. Hier wird deutlich gesagt: Es gibt ein ewiges Leben, und es gibt die menschliche Sehnsucht zu Recht! Hier wird aus der Offenbarung Gottes heraus für die Welt verkündet: Das Leben überdauert den Tod. Es wächst weiter, trotz aller Verwesung des Leibes. Es wird höher, reicher und göttlicher.

Für jeden? – Nein! Doch für den, der von dem Brote Jesu isst, der sein Fleisch und sein Blut zu sich nimmt, ist das Wort des Herrn aus dem Johannes-Evangelium hilfreich, zukunftsweisend und eindeutig. Es ist kaum zu fassen: Da ist eine Speise, die den Tod überwindet. Es wird „das Brot zum ewigen Leben“ genannt. Und es wird gereicht. Gottes Barmherzigkeit vermählt sich mit menschlichem Elend: „Das ist mein Leib.“

Ein Gedanke zu unserem Verhalten bietet sich heute an: Wie sollen wir uns denn zu diesem Geheimnis verhalten? Und nicht selten bemerken wir, dass wir irgendwie in Verlegenheit sind, dass wir zumindest nicht immer von einer erwarteten Selbstverständlichkeit geprägt sind. Der Verstand versagt beziehungsweise reicht nicht aus. Ist da nicht Demut angebracht? Da steht das Wort des Herrn: „Ich bin das lebendige Brot.“ Hier ist das „Fleisch für das Leben der Welt“. Es war schon immer schwer, darüber nachzudenken und sich in hilflosen Worten diesem Geheimnis des Glaubens zu nähern. Wie es Papst Johannes Paul II. in seiner großen Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia“ als ein Vermächtnis für die Welt hinterlassen hat, so steht die Tatsache: Die Gemeinschaft der Glaubenden aller Zeiten wird von diesem Brot begründet. In diesem Brot, das Gemeinschaft stiftet, berühren sich Himmel und Erde.

Das Geschehen der Hingabe Jesu Christi im Geheimnis der Eucharistie ist wohl das Anspruchsvollste im Glaubensleben eines jeden katholischen Christen.

Wie stehen wir davor, Schwestern und Brüder? Wie begegne ich diesem Geschenk Gottes, diesem Vermächtnis? Wie stehe ich vor diesem Brot, welches Christus ist? Beachte ich, dass ich meinem Schöpfer und Erlöser und damit meinem Ziel begegne? – „Wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit!“ Ich sehe hier durchaus einen Anlass, auf unser konkretes Verhalten bei der Feier der heiligen Messe hinzuweisen. Überlege ich mir wirklich, und wenn ja, wann überlege ich mir, dass ich zum Tisch des Herrn gehen möchte? Kenne ich den Unterschied zwischen gewöhnlicher Nahrung und dem mir von Christus gereichten Leib des Herrn? Gebe ich mein „Amen“ als gläubige Antwort auf den Empfang der Speise des ewigen Lebens?

Papst Benedikt XVI. hat gleich in den ersten Tagen seines Petrusdienstes festgestellt: „Die Kirche ist jung.“ Ich sehe dieses Wort bestätigt in einer wachsenden Sensibilität junger Menschen für die Feier des Gottesdienstes und für entsprechendes gottesdienstliches Verhalten. Nein, ich sage besser, für ein Bewusstsein, in der Einfachheit und Demut des Menschseins vor der größeren Wirklichkeit Gottes zu stehen und von ihm unendlich reich beschenkt zu werden. Das größte Geschenk unseres Glaubens trifft so von Neuem auf die Sehnsucht der Menschen – jene Gabe, in der der Herr sich selbst schenkt und von sich sagt: „Wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.“
Amen.

Evangelium: „Wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.“ (zu Joh 6,51.58)

Archivvideo: Erzbischof Hans-Josef Becker: Predigt im Pontifikalamt zum Liborifest 2016, Paderborner Dom


Foto Erzbischof Becker (c) Erzbistum Paderborn


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