Die Prophetie von Regensburg

8. August 2016 in Aktuelles


Angesichts der Welle islamischer Gewalt zehn Jahre später die Weisheit und Aktualität der berühmten Vorlesung Benedikts XVI. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as/VATICAN magazin) Der 12. September 2016 ist der zehnte Jahrestag der nunmehr historischen Ansprache Benedikts XVI. über „Glaube und Vernunft und Universität. Erinnerungen und Reflexionen“ an der Universität Regensburg. Obwohl der Papst damals dem Problem „Islam“ nur wenige Worte gewidmet hatte, mit denen er eine breit angelegte Reflexion einleitete, wurden diese zum Anlass genommen – dies auch gesteuert von gewissen Instanzen der Medien –, Benedikt XVI. als „Feind“ des Islam mit „Kreuzzugsmentalität“ darzustellen. Völlig in den Hintergrund trat das eigentliche Anliegen des Papstes.

Trotz aller geleiteten Missverständnisse kam es dann zu vertieften Gesprächen zwischen der katholischen Kirche und hochrangigen Vertretern des Islams.

Grundlage dieser Gespräche war die Sicht des Papstes, dass interreligiöser Dialog im engeren Sinn des Wortes kein theologischer Dialog sein kann, während der interkulturelle Dialog, der die kulturellen Folgen der zugrunde liegenden Glaubensentscheidung vertieft, umso notwendiger ist: „Während über die Glaubensentscheidung ein wirklicher Dialog nicht möglich ist, ohne dabei den eigenen Glauben auszuklammern, müssen in der öffentlichen Konfrontation die kulturellen Folgen der grundsätzlichen Glaubensentscheidung behandelt werden“, so Benedikt XVI. dann im Herbst 2008.

Der Papst erläuterte zum einen, dass die Rückführung der Vernunft auf eine rein mechanische und instrumentelle Vernunft den Menschen verarmt und diese Selbstbeschneidung des Denkens dem Glauben und der theologischen Reflexion zum Schaden gereicht. Dann lud er dazu ein, die Vernunft und ihren Horizont zu weiten, damit sie wieder fähig wird, sich dem Problem der Wahrheit zu stellen.

Zum anderen betonte Benedikt XVI., dass der endliche Logos des unendlichen Logos teilhaftig ist. Somit ist alles, was der Mensch gegen die Vernunft anrichtet, auch gegen Gott. Umgekehrt ist es unmöglich, mit Gott, dem universalen Logos, Gewalt religiös zu rechtfertigen, da dies dem wahren Menschsein und dem Wesen Gottes widerspricht, der Logos-Liebe ist. Glaubensverbreitung – die immer Verbreitung eines Lebensstils ist – durch Gewalt ist widersinnig, erklärte der Papst damals mit den Worten des byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaeologos. Denn Gewalt steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele: „Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemäß, nicht ‚logikē latreía’ zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider“. Logos ist „Vernunft und Wort zugleich – eine Vernunft, die schöpferisch ist und sich mitteilen kann, aber eben als Vernunft“. Damit konkretisierte Benedikt XVI. eine Klarstellung aus dem ersten Brief des Apostels Johannes: „Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht. Und dieses Gebot haben wir von ihm: Wer Gott liebt, soll auch seinen Bruder lieben“ (1 Joh 4,20-21). Obwohl die Liebe alle Erkenntnis übersteigt, bleibt sie „die Liebe des Gottes-Logos, weshalb christlicher Gottesdienst ,syn lógō’ ist – Gottesdienst, der im Einklang mit dem ewigen Wort und mit unserer Vernunft steht“.

Die unmittelbar nach der Ansprache des Papstes einsetzenden Reaktionen eines gewissen Teils der islamischen Welt sind heute noch in der Erinnerung. Unter dem Vorwand eines „politisch unkorrekten Zitats“, das Benedikt XVI. als Aufhänger und Blickfang seiner langen Vorlesung diente, wurde er des mangelnden Respekts gegenüber einer Weltreligion und deren Stifter bezichtigt. Damals schien es so, als sei der Papst als die größte moralische Autorität der Welt mit Gewalt aus den Bemühungen um eine authentische Auseinandersersetzung mit dem Islam und der islamischen Kultur geworfen worden. Radikale muslimische Fraktionen zusammen mit randalierendem Straßenpöbel sowie einem Teil westlicher Medien konstruierten einen „Fall“ mit dem Ziel, die von Benedikt XVI. dargstellten Leitlinien für einen Dialog zu zerstören. Um den neuen Charakter und die neue Festigkeit der von Benedikt XVI. eingeforderten Prinzipien zu zertrümmern, waren von unterschiedlichster Seite gefühlvolle Verweise auf seinen Vorgänger Johannes Paul II. zu hören gewesen. Gern hätte man es gesehen, das sich in den Köpfen der katholischen Gläubigen Zweifel über die Kompetenz des deutschen Papstes breit machen.

Die Geschichte zeigte hingegen, dass das „Neue“ Benedikts XVI. zum Nährboden eines Dialogs werden sollte, der sich nicht in einem anerkannten religiösen Pluralismus erschöpft. Nicht die Glaubensentscheidung steht für einen Dialog bereit, es müssen vielmehr die Folgen der Glaubensentscheidung abgewogen werden, so dass dann gegebenenfalls eine Wertung über das Fundament der Glaubensentscheidung selbst möglich wird. In diesem Sinn nahm der Papst implizit die apologetische Lehre eines Justinus von den „semina Verbi“ in den kulturellen Bereichen der Anderen auf, ohne diese dabei auf die Glaubensentscheidung oder den Glaubensinhalt zu beziehen (was unmöglich ist), insofern die „semina“ nie einen Glaubensinhalt betreffen, sondern eine Vernunft, die sich im Licht der Wahrheit mit Glaubensinhalten auseinandersetzt.

Die „Regensburger Enzyklika“ hatte eine neue Grundlage für den Dialog zwischen dem Christentum mit seinen jüdischen Wurzeln, das auf der Grundlage des griechischen Logos und des Humanismus die Basis des Abendlandes geschaffen hat, und der islamischen Welt gebaut. Die Christen als Söhne des dreieinigen Gottes, der vernünftige Liebe und liebende Vernunft ist, sprechen auf neue Weise mit den Söhnen Allahs, für die Gott der Einzige, absolut Transzendente ist. Der Multi-Kulti-Pomp der schönen Reden ohne Inhalte und Wirkungen war vorüber. An seine Stelle ist der „offene und aufrichtige“ Dialog getreten, der nur dann funktionieren kann, wenn er sich in „gegenseitigem Respekt“ vollzieht und die beiden Dialogpartner sowohl sich selbst als auch einander immer besser kennen.

Der Dialog mit den anderen Religionen und Weltanschauungen ist zu dem geworden, was er immer hätte sein müssen: zu einer philosophischen und theologischen Frage. In einer Zeit, die wahres Wissen scheut und an allen Enden dessen Relativierung vollzieht, in einer Zeit, in der der Wert einer Meinung darin besteht, sie zu haben, ist es von außerordentlicher Bedeutung, dass das gesuchte Gespräch zwischen Theologen und Philosophen zu einem Politikum geworden ist. Das Gottesbild ist die Voraussetzung dafür, dass überhaupt geredet werden kann. Dabei erstaunte es nicht, wenn über zu lange Zeit hinweg abgestumpfte Geister dies nicht wahrhaben können. Die Wortlosigkeit der Intellektuellen Europas war bedrückend. Der christlich-islamische Dialog aber stand alles andere als an einem Tiefstpunkt. Er stand vor seinem ersten wahren Anfang.

Zur neuen Transparenz gehörten und gehören heute umso mehr zwei Fragen. Sie wären eigentlich selbstverständlich, sind nun aber machtvoll in der Vordergrund gerückt: Was ist das Ziel des Dialogs? Von welcher Grundlage aus muss dieser Dialog geführt werden? Das Ziel des Dialogs besteht im friedlichen Zusammenleben, in einer vernünftigen Auseinandersetzung mit der Geschichte und der Erhellung einer gemeinsamen ethischen Grundhaltung und Anthropologie, ohne dabei notwendige Differenzierungen zu verflachen. Dazu ist es unentbehrlich, dass die Menschen wissen, an welchen Gott sie glauben, wer Gott ist. Wir brauchen Gott, hatte der Papst damals zwei Tage vor der Regensburger Vorlesung in München am 10. September 2006 gesagt, wir glauben an Gott, so in Altötting am 11. September. Welchen Gott wir aber brauchen und an welchen Gott, an welche Wirklichkeit wir glauben, das ist die alles entscheidende Frage.

Deshalb ist es für Benedikt XVI. wichtig, dass wir unser Gottesbild ganz und nicht nur zerstückelt zur Sprache bringen.
Die Betonung der Vernunft ist dabei kein intellektuelles Spiel, das mit dem Leben nichts zu tun hätte. In der dramatischen Zeit der Eskalation eines islamischen Terrorismus, in dem sich zum Großteil extremistische Religiosität von Menschen äußert, die aus einer wortlosen und säkularisierten Welt kommen, wird dies umso deutlicher. Benedikt XVI. formulierte mutig und klar das Problem der Beziehung „Religion-Vernunft“ und somit das Problem der Beziehung von Religion und Gewalt. Vom Inneren der Vernunft her stellte der Papst den Islam vor diese entscheidende Frage, mit der sich die islamische Kultur gerade angesichts der Schrecken und Unmenschlichkeit des selbsternannten „Islamischen Staats“ sehr bald auseinandersetzen musste. Denn dieser Terrorismus ist islamischer Terrorismus und fest verankert in der islamischen Kultur. Diesen Terrorismus verursacht nicht die „Armut“ und er ist keine „Reaktion“ auf von Außen Kommendes, sondern Ausdruck eines religiösen Lebensstils mit präzis auszumachenden historischen Verankerungen. Wie die Geschichte zeigt, ist der Islam keine „Religion des Friedens“, sondern eine pragmatische „heiße“ und öffentliche Religion der Eroberung, der die wesentlichen Grundwerte eines christlich-aufgeklärten Abendlandes fremd sind, ja: die sie ablehnt.

Was Benedikt XVI. deutlich machte, war die grundsätzliche Notwendigkeit einer Gewissenserforschung des Islam hinsichtlich seiner Beziehung zur Gewalt. Aber nicht nur dies. Wie bereits betont, ist dieser Terrorismus keine Folge von Armut oder Ausgrenzung. So musste gerade die westliche Welt nicht zum ersten Mal feststellen, dass die Attentäter bei einem der schwersten Angriffe der vergangenen Monate, dem in Bangladesh vom Juli 2016, aus wohlhabenden Familien mit qualitativ reicher Schul- und Universitätsbildung kamen. Was treibt solche jungen Menschen, die direkt aus der globalisierten Moderne mit ihrem verbreiteten Reichtum und ihren Kommunikationsstrukturen kommen, hinein in das Gemetzel anderer und in den Selbstmord, weil „Gott groß ist“?

Die jungen Attentäter ähneln sich: Paris, Brüssel, London, Dhaka und schließlich Nizza und Würzburg. Sie ähneln auch jenen jungen Menschen aus dem Westen, die sich dazu entscheiden, für den „Islamischen Staat“ in die Schlacht zu ziehen. Sie ähneln sich darin, dass sie aus einer säkularisierten Welt kommen, in der Gott nicht mehr vorkommt und daher nicht in der Lage ist, ein tragendes Wertesystem zu bieten, das mitteilbar ist. So wird deutlich: Benedikt XVI. forderte in Regensburg, dass sich der Islam entschieden, deutlich und unmissverständlich von der Gewalt trennt. Gleichzeitig forderte der Papst, Religion nicht von der Vernunft zu trennen und deren innerstes Zusammensein neu anzuerkennen. Andernfalls wird es einer abendländischen Kultur nicht gelingen, sich mit anderen Kulturen und Religionen auseinanderzusetzen, weil die Grundvoraussetzung hierfür nicht gegeben ist.

Gott und der Glaube an ihn dürfen nicht auf eine ideologische oder politische Diskussion reduziert werden. Der Gott, der Liebe ist, muss bezeugt werden. Die Macht darf nicht denen überlassen werden, die den Namen Gottes missbrauchen, um Gewalt und Schändung des Menschseins zu rechtfertigen. Dies gilt für den säkularisierten Westen ebenso wie für alle anderen Religionen und Kulturen. Dies gilt, so mahnt Benedikt XVI. an, vor allem für diejenigen, die sich Gläubige nennen, sich aber in der Schalheit und Unkenntnis ihres Glaubens verlieren. Denn wenn in der konkreten Verwirklichung des Gottesverständnisses der Religion die Sicht abhanden kommt, dass das Handeln gegen die Vernunft ein Handeln gegen Gott ist, dann wird für diese Art der Religiosität alles möglich und alles rechtfertigbar. Die Gefahr der inneren Säkularisierung der Religion und der Kirche wird so deutlich. Benedikt XVI. befragt den Dialog mit dem Islam (und den anderen Religionen) auf seine Fähigkeit, sich verwirklichen zu können. Der Theologen-Papst vertikalisiert die Problematik auf einschneidende Weise. Das horizontal denkende und profillose Gutmenschentum – „die Versuchung der ‚Gutmenschen’, der Ängstlichen und auch der so genannten ‚Progessiven und Liberalen’“ (Papst Franziskus), wird aus seiner Apathie herausgerissen und vor die postmodernen „Pathologien der Vernunft gestellt“, einer Vernunft, die in einem Leben, „als ob es Gott nicht gäbe“, eingeschlafen, reaktionsfaul und schließlich reaktionsunfähig geworden ist. Benedikt XVI. schließt jedem Gewaltdenken, das sich religiöser Vehikel bedienen will, die Tür. Gewaltverzicht ist die „conditio sine qua non“ des religiösen Seins – jeden religiösen Seins. Denn Gewalt im Namen Gottes, so der Papst eindringlich, ist Gotteslästerung.

Mitte Oktober 2006 kam es dann zu einem sensationellen, ja historischen Ereignis, das viele wieder vergessen haben oder gern verdrängen möchten. 138 führende Vertreter und Wissenschaftler des Islam, Theologen von politischer Bedeutung und anerkanntem intellektuellen Prestige, wandten sich in einem offenen Brief an Benedikt XVI. Die Initiative ging vom jordanischen Königshaus aus. Am 15. Oktober wurde der Brief vom jordanischen Königshaus an den päpstlichen Vertreter in Amman übergeben. Die Zeitschrift „Islamica Magazine“ hatte den Text schon einen Tag vorher im Internet zugänglich gemacht.

Die geistlichen Autoritäten des Islam nahmen damit die Aufforderung des Papstes zu einer sachlichen und vertieften Auseinandersetzung zwischen der Kirche und dem Islam an. Sie beschäftigten sich intensiv mit den von ihnen festgestellten historischen und systematischen Fehlern und Irrtümern, die in der Regensburger Vorlesung enthalten waren. Theologen suchten eine theologische Auseinandersetzung mit dem Papst. Zum ersten Mal in der Geschichte eröffnete sich die Möglichkeit zu einem wahren und vertieften Dialog mit der islamischen Welt. Der harte Kern des gegenwärtigen Konflikts zwischen dem Islam und der säkularen und säkularisierten westlichen Welt kann nämlich nicht „politisch“ oder durch den ungerechtfertigten Export von „Werte“-systemen gelöst werden (zumal unklar geworden ist, worin diese „Werte“ bestehen sollen).

Bezeichnend für das Schreiben an den Papst war, dass es frei war von Vorwürfen, Ressentiments oder Polemiken: eine akademische Antwort auf die „lectio magistralis“ Benedikts XVI. Sie ging von zwei Grundelementen aus. Die islamischen Gelehrten teilten die Sicht des Papstes einer vom Positivismus und Materialismus dominierten Welt. Dem materialistischen Relativismus sei gemeinsam entgegenzutreten. Die islamischen Religionsführer anerkannten sodann die gemeinsame Verantwortung des Christentums und des Islam für das Schicksal der Welt: „Das Christentum und der Islam sind die größte und die zweitgrößte Religion in der Welt und in der Geschichte. Christen und Muslime machen angeblich jeweils über ein Drittel und über ein Fünftel der Menschheit aus. Zusammen machen sie mehr als 55 Prozent der Weltbevölkerung aus, wodurch die Beziehung zwischen diesen beiden Religionsgemeinschaften der bedeutsamste Faktor wird, um zum Weltfrieden beizutragen.“

Die islamischen Gelehrten betonten die moralische Autorität des Papstes als „Führer von mehr als einer Milliarde Katholiken und moralisches Vorbild für viele andere Menschen auf dem Erdenrund“. Gleichzeitig teilten sie den Wunsch Benedikts XVI. nach einem „ehrlichen und aufrichtigen Dialog“ und wünschen ihn „in gegenseitigem Respekt“. Er sollte auf der Grundlage der Gerechtigkeit und dessen fortgeführt werden, „was unserer gemeinsam geteilten abrahamitischen Tradition im Wesentlichen gemeinsam ist“. Dazu gehörten für die muslimischen Theologen die beiden „wichtigsten Gebote“. Sie finden sie im Markusevangelium: „Das erste ist: Der Herr unser Gott ist der einzige Herr; darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden (Mk 12,29-31)“.

Bedeutsam waren auch die Klärungen zum islamischen Verständnis des Verhältnisses zwischen Glaube und Vernunft. Auch der Islam akzeptiere „die Leistung und die Grenzen der menschlichen Intelligenz auf ihre eigene Weise“ und erkenne „eine Hierarchie des Wissens an, in welcher die Vernunft eine entscheidende Rolle einnimmt“. Zwei Extreme habe die islamische Tradition vermieden: das Extrem der Verabsolutierung des analytischen Verstandes zum „letzten Schiedsrichter über die Wahrheit“ sowie die Verleugnung der Fähigkeit des menschlichen Verstehens, die letzten Fragen anzusprechen: „Der Verstand selbst ist eines unter den vielen Zeichen in uns, zu deren Betrachtung Gott uns einlädt, als einem Weg, um die Wahrheit zu erkennen.“

Benedikt XVI. hatte es anders und dabei ähnlich formuliert: Im Christentum ist die Vernünftigkeit zur Religion geworden. Vernunft und Liebe fallen zusammen. Wo die moralische Kraft der endlichen Vernunft fehlt oder abhanden kommt, wird sich die dem Menschen eigene Macht immer mehr zu einer zerstörenden Macht entwickeln. Der Papst wollte der Verbannung und Subjektivierung des Göttlichen entgegenwirken und forderte zur Besinnung zu einer neu in sich erhellten Vernunft heraus. Jeder, sowohl die säkulare Welt als auch andere Kulturen und Religionen, ist dazu aufgerufen, sich dieser Herausforderungen zu stellen. Wichtige muslimische Theologen hatten es getan und sie sollten dies nicht vergessen, und vielleicht kann auch die säkulare Welt gerade heute aus ihrer Wortlosigkeit aufgescheucht werden.

Benedikt XVI. hatte eine Wüste bewässert, das Geschwätz entlarvt und den wahren Dialog trotz der schwierigen Zeiten zu ermöglichen versucht. Für Benedikt XVI. war es klar, dass sich die islamische Welt heute vor einer ähnlichen Aufgabe befindet, wie sie das Christentum mit der Aufklärung bewältigen musste. Dabei wird einerseits der positivistischen Diktatur des Relativismus die Absage erteilt, während andererseits die wahren positiven Eroberungen der Aufklärung (vor allem die Anerkennung der Menschenrechte und die Freiheit der Religionsausübung) zu erfassen sind. Darin sah Benedikt XVI. das Wesen der Fruchtbarkeit eines „Dialogs“, der das Wahre und das Falsche benennt und auf einer kulturellen Ebene Lösungen für die schweren Probleme finden will. Für Benedikt XVI. gibt es keine Gerechtigkeit ohne Wahrheit. Das ist die Prophetie von Regensburg. Doch dann kam die Welle bis dahin ungekannter islamistischer Gewalt und überlagerte das zarte Pflänzchen des christlich-islamistischen Dialogs mit Blut und Tränen.



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