Spaemann: Kirche durch Amoris-Laetitita-Konflikt schwer belastet

22. Juni 2016 in Weltkirche


Philosoph wirft dem Papst in deutscher "Tagespost" Unklarheit und Zweideutigkeit vor - Kritik u.a. an "Amoris laetitia"-Passage, wonach auch Jesus "nur ein anspruchsvolles Ideal vorgeschlagen hat"


München (kath.net/KAP) Die katholische Kirche ist durch Konflikte an der Kirchenspitze nicht grenzenlos belastbar, hat der deutsche Philosoph Robert Spaemann in einem weiteren kritischen Beitrag zum Papstdokument "Amoris laetitia" gewarnt. Der Spaemann-Artikel erschien bereits in der Vorwoche in der Würzburger Zeitung "Die Tagespost", wurde jetzt aber in zahlreiche Sprachen übersetzt. In ihm wird dem Papst Unklarheit und Zweideutigkeit vorgeworfen.

So behaupte "Amoris laetitia" etwa, auch Jesus habe "nur ein anspruchsvolles Ideal vorgeschlagen", kritisiert Spaemann und setzt dem anderslautende Bibelstellen entgegen. Jesus habe etwa gebieten können "wie einer, der Macht hat und nicht wie die Schriftgelehrten und Pharisäer", und Jesus verweise im Gespräch mit dem reichen Jüngling "auf die innere Einheit der Nachfolge mit der Einhaltung der zehn Gebote" (Lk 18,18-23). Jesus predige somit keineswegs bloß ein Ideal, wie dies der Papst schreibe, so Spaemann, "sondern er stiftet eine neue Realität, das Reich Gottes auf Erden".

Die nach Meinung Spaemanns nicht evangeliumskonforme Sichtweise des Papstes müsse daher zu Kontroversen führen: "Wenn sich inzwischen der Präfekt der Glaubenskongregation gezwungen sieht, einen der engsten bischöflichen Berater und Ghostwriter des Papstes [Erzbischof Victor Fernandez, der als Ghostwriter für "Amoris laetitia" gilt; Anm.] öffentlich der Häresie zu bezichtigen, sind die Dinge eigentlich schon zu weit gekommen. Auch die römisch-katholische Kirche ist nicht grenzenlos belastbar", schreibt Spaemann.

Er erinnert, dass seine bereits im Mai geäußerten kritischen Bemerkungen im Gespräch mit der "Catholic News Agency" zur päpstlichen Exhortation lebhafte Reaktionen hervorgerufen hätten - "teils enthusiastische Zustimmung, teils Ablehnung". Die Ablehnung beziehe sich in erster Linie auf den Satz, die Anmerkung 351 stelle einen "Bruch mit der Lehrtradition der katholischen Kirche" dar. "Was ich sagen wollte, war, dass einige Äußerungen des Heiligen Vaters in eindeutigem Widerspruch stehen zu Worten Jesu, zu Worten der Apostel sowie zu der traditionellen Lehre der Kirche. Von einem Bruch sprechen sollte man allerdings nur dann, wenn ein Papst unter förmlicher Berufung auf seine apostolische Vollmacht eindeutig und ausdrücklich - also nicht beiläufig in einer Fußnote - etwas lehrt, was im Widerspruch zur genannten Lehrtradition steht. Der Fall ist hier nicht gegeben."

Bruch sei somit keiner vorhanden, allerdings schon deshalb nicht, weil Papst Franziskus ohnehin kein Freund der Eindeutigkeit sei, glaubt Spaemann: "Wenn er unlängst erklärte, das Christentum kenne kein Entweder-Oder, stört es ihn offenbar nicht, dass Christus sagt: 'Eure Rede sei ja - ja, nein - nein. Alles darüber hinaus ist von Übel.' (Mt 5,37) Vom Entweder-Oder sind die Briefe des Apostels Paulus voll. Und schließlich: 'Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich.' (Mt 12,30)".

Der deutsche Philosoph nimmt dann Bezug darauf, dass sich Franziskus auf dem Rückweg von Lesbos beklagt hatte, "dass man, angestachelt durch die Medien, seinen zahlreichen Erörterungen zur alarmierenden Lage der Familie mehr oder weniger aus dem Wege gehe, um sich an einer Fußnote zum Thema Kommunionempfang festzubeißen". Dem müsse entgegengehalten werden - so Spaemann -, dass sich die vorsynodale öffentliche Debatte nun einmal um dieses Thema gedreht habe: "Denn hier gibt es tatsächlich nur ein Ja oder Nein. Die Debatte wird nun fortgesetzt, und zwar ebenso kontrovers wie vorher, weil sich der Papst weigert, die diesbezüglich klaren Äußerungen seiner Vorgänger zu zitieren, und weil seine Antwort offenkundig so mehrdeutig ist, dass jeder sie zugunsten der eigenen Meinung interpretieren kann und interpretiert."

Wenn Franziskus es liebe, die Kritiker seiner Politik mit denen, die "sich auf den Stuhl des Moses gesetzt haben", zu vergleichen, gehe diesmal "der Schuss nach hinten los", formuliert Spaemann abschließend: "Denn es waren ja die Gesetzeslehrer, die die Ehescheidung verteidigten und ein Reglement für sie tradierten. Die Jünger Jesu waren dann schließlich auch entsetzt über das strikte Scheidungsverbot des Meisters: 'Wer mag dann noch heiraten?' (Mt 19,10) So wie die Leute, die wegliefen bei der Ankündigung des Herrn, sich zur Speise zu machen: 'Diese Rede ist hart. Wer mag sie hören' (Joh 6,60)". Denn Jesus habe zwar Erbarmen mit dem Volk gehabt, "aber er war kein Populist. 'Wollt auch ihr gehen?' - diese Frage an die Apostel war seine einzige Reaktion auf den Anhängerschwund", so Spaemann.

Amoris Laetitia - TEXT als PDF


Schritte über uns hinaus - Robert Spaemann - Teil 1



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