Bischof Voderholzer: Fundamente des christlichen Abendlandes

17. Mai 2016 in Aktuelles


„Es ist wahr: Juden, Christen und Muslime bezeugen gemeinsam den barmherzigen Gott.“ Allerdings versteht sich der Islam nicht als eine Ergänzung des Christentums, „sondern als die Korrektur, ja als die Verneinung des Christentums“.


Regensburg-Nürnberg (kath.net/pbr) „Die Muslime, die zu uns kommen, haben das Recht, von uns zu erfahren, was wir feiern in unseren großen und herrlichen Kirchen, die allenthalben die Mitte unserer Städte bilden und deren Kirchtürme uns über uns erheben und hinaufreißen zum Himmel. Die Menschen, die aus anderen Kulturen zu uns kommen, haben ein Recht darauf, von uns zu erfahren, warum die Glocken in den Kirchtürmen dreimal läuten am Tag. Sie haben ein Recht darauf, von uns zu erfahren, dass das Kreuz nicht das Symbol gewaltsamer Eroberung ist, sondern das Zeichen des Heils; dass Christus dieses ursprüngliche Marterwerkzeug verwandelt hat in das Zeichen der göttlichen Liebe, durch die er alle Menschen erlöst hat.“ Darauf wies der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer in seiner Predigt am Pfingstsonntag in Nürnberg anlässlich des Tages der Sudetendeutschen hin.

kath.net dokumentiert die Predigt von Rudolf Voderholzer, Bischof von Regensburg, am Pfingstsonntag (15.05.2016) zur Messe beim 67. Sudetendeutschen Tag in Nürnberg (Motto „Dialog verpflichtet“) in voller Länge:

Lieber Mitbruder Frantisek, emeritierter Bischof von Pilsen,
liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst,
Liebe sudetendeutsche Landsleute,
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Seit nunmehr 66 Jahren treffen sich die heimatvertriebenen Sudetendeutschen zum Pfingstfest in einer Stadt in Süddeutschland zum Pfingsttreffen. Das diesjährige, das unter dem Leitwort „Dialog verpflichtet“ steht, ist somit das 67.

Wie kam es eigentlich zu diesem Termin, der, wenn ich richtig sehe, nie in Frage gestellt wurde? War es nur die Überlegung, dass Pfingsten ein paar günstige freie Tage zu Beginn von Frühjahrsferien in einer angenehmen Jahreszeit bietet? Ich bin mir ganz sicher, dass die Organisatoren und Planer der ersten Sudetendeutschen Tage das Pfingstfest mit Bedacht und inhaltlicher Überlegung gewählt haben. Denn das Pfingstfest, das hinsichtlich öffentlicher Aufmerksamkeit und Kenntnisse über seinen Inhalt im Schatten steht von Weihnachten und auch von Ostern, das Pfingstfest bietet gerade von seinem Fest-Inhalt her eine Brücke zu den mit dem Sudetendeutschen Tag verbundenen Anliegen.

Fundamente des christlichen Abendlandes

Es sind, wenn man genau hinsieht, zwei Festinhalte, die heute gefeiert werden:
Da ist erstens: die Vollendung der Offenbarung des dreifaltigen Gottes durch die Aussendung des Heiligen Geistes über die in Jerusalem versammelten Apostel und auch Pilger. Der Heilige Geist ist nicht nur eine göttliche Kraft, sondern eine göttliche Person, die zum einen Wesen Gottes gehört, und die wirkt, die das Verkünden und das Verstehen bewirkt, die Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammenführt.

Mit der Vollendung der Offenbarung des dreifaltigen Gottes geht somit zweitens die Gründung der Kirche hervor als eine universale, katholische, weltumspannende Gemeinschaft. Die Lesung aus der Apostelgeschichte, die uns vorhin so schön vorgetragen wurde – sie ist ja wegen der vielen Fremdworte nicht ganz einfach, aber die Lektorin / der Lektor hat es sehr gut gelesen – enthält zentral eine antike Völkerliste, die entsprechend erweitert wurde und besagen will: Die Kirche ist von Anfang an, und das heißt von ihrem Wesen her, alle Völker umspannend, universal, katholisch. Sie schließt niemanden aus. Voraussetzung ist allein das Bekenntnis und der Glaube zum dreifaltigen Gott.

Pfingsten sagt uns: Gott ist einer, aber er ist nicht einsam. Er ist von Ewigkeit her Dialog, Trialog. Er verwirklicht in sich die höchste Form von Einheit, die die Einheit der Liebe ist im Sich-Selbst-Verschenken von Vater, Sohn und Heiligen Geist.

Und in diese Liebe nimmt er die Schöpfung mit auf. Der Geist versammelt die Völker zur Einheit der einen Kirche. Von ihr sagt das Zweite Vatikanische Konzil: Sie ist in Christus gleichsam Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug der Einheit der Menschen mit Gott und der Menschen untereinander.

Pfingsten führt somit zentral zu den Fundamenten des christlichen Abendlandes, das verwurzelt ist in der Taufe auf den Namen des dreifaltigen Gottes.

Die Sorge um die europäische Identität

Liebe Schwestern und Brüder!
Viele Menschen machen sich Sorgen um die christlich-abendländische Identität unseres europäischen Kontinents. Die Migrationsbewegungen, ausgelöst vor allem durch Krieg und Bürgerkrieg infolge des Auftretens von extremistischen und fanatisierten Islamisten; Terroranschläge in europäischen Metropolen machen nicht wenigen Angst. Ist unsere christlich-abendländische Kultur durch den Islam bedroht?

Dazu ist erst einmal mit dem, wie ich finde, nach wie vor gültigen und klugen Wort von Peter Scholl-Latour zu antworten: „Sorgen muss sich Europa nicht machen wegen der Stärke des Islam, sondern wegen seiner eigenen geistigen Schwäche.“ Papst Franziskus hat erst kürzlich anlässlich der Verleihung des Karls-Preises aufs Neue die Müdigkeit und Kraftlosigkeit Europas beklagt.

Was Christentum und Islam verbindet

Gleichwohl bedarf es auch der geistigen Auseinandersetzung. Dialog verpflichtet, auch in der Religion.

Dialog nun aber ist nicht unverbindlicher Austausch von Höflichkeiten oder Befindlichkeiten, sondern Dialog ist das Benennen der je eigenen Positionen und des eigenen Wahrheitsverständnisses, um davon ausgehend gemeinsam nach Wegen des Ausgleichs und des guten Miteinanders zu ringen.

Dialog der Religionen – Ja, es ist wahr: Juden, Christen und Muslime bezeugen gemeinsam den barmherzigen Gott. Es gab wohl kaum eine Zeit, in der es wichtiger war, auch diese Gemeinsamkeit zu betonen, die Gemeinsamkeit im Bekenntnis des einen Gottes.

Islam verneint Christus als menschgewordenen Sohn Gottes

Was den Religionsdialog zwischen Christentum und Islam betrifft, so wird man nicht umhin können festzustellen, dass sich der Islam, der ja historisch später, 600 Jahre nach dem Christentum, auf den Plan getreten ist, in entscheidenden Punkten nicht als eine Ergänzung des Christentums versteht oder als eine komplementäre Größe, sondern als die Korrektur, ja als die Verneinung des Christentums. Das Bekenntnis zum Dreifaltigen Gott, genau das, was wir an Pfingsten feiern, erscheint aus der Sicht des Korans als Gotteslästerung.

Beim Religionsdialog geht es ja nicht bloß um die Ebene Schweinefleisch und Kopftuch. Es geht zentral um die Gottesfrage und damit zusammenhängend das Menschenbild.

Zu den grundlegenden Glaubensinhalten des Islam gehört die Verneinung der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus, der zwar als Prophet unter vielen dem Propheten Mohammed nachgeordneten anerkannt, keinesfalls aber als der Mensch gewordene ewige Sohn des Vaters akzeptiert und bekannt wird.

Der Koran nimmt das Revolutionäre des Christentums zurück

Der Koran nimmt das Revolutionäre des Christentums zurück, dass nämlich der große und heilige Gott sich klein machen kann und sich klein gemacht hat, in der Krippe von Bethlehem und mehr noch am Kreuz auf Golgotha, um die Menschheit mit sich zu versöhnen, die Welt zu erlösen nicht durch Gewalt, sondern durch die wehrlose Annahme der Gewalt und ihre Sühne am Kreuz.

Im Glauben an die Menschwerdung des ewigen Sohnes vom Vater her gründet letztlich auch die zum christlichen Abendland fundamental gehörige Vorstellung von der Gottebenbildlichkeit jedes Menschen, darin gründend die Überzeugung von der Unzerstörbarkeit seiner Würde.

Und, liebe Schwestern und Brüder, wir feiern Pfingsten, Fest des Heiligen Geistes: Zu den Wirkungen des Pfingstgeistes gehörte unter anderem, dass vor den Toren einer jeden christlichen Stadt vom Mittelalter her ein Heilig-Geist-Spital gebaut wurde, in dem die Kranken gepflegt und die Sterbenden begleitet wurden, im Blick auf den Heiligen Geist und in seiner Kraft: des Trösters und Heilers und Stifters von Gemeinschaft.

Vorläufer und Ursprünge unseres Gesundheitswesens!

Wo diese Zusammenhänge nicht gesehen oder gar geleugnet oder verneint werden, kann das auch nicht ohne Folgen für die Politik bleiben.

Erinnern was für uns grundlegend ist

Ich sage das nicht, um Wasser in den Wein des friedlichen Religionsdialogs zu schütten, sondern weil es mir notwendig erscheint, wieder einmal an einige grundlegende Sachverhalte zu erinnern.

Und weil ich die Sorgen vieler Menschen verstehen kann, die den großen Integrationsoptimismus, wie er bisweilen zutage tritt, für übertrieben halten.

Auch das Thema Gewalt darf nicht ausgespart werden. Nicht wegen einer vermeintlich größeren Kriminalitätsrate in neuen Statistiken, sondern wegen prinzipieller Gründe. Es wird sich heuer im September zum 10. Mal der Besuch von Papst Benedikt XVI. in seiner bayerischen Heimat jähren. In seiner Regensburger Rede hatte der Papst die Vertreter des Islam aufgerufen, die Fragen betreffs Glaube und Vernunft, Gott und Gewalt zu klären. Die heilsame Provokation führte anfangs tatsächlich zu verstärkten Bemühungen des Dialogs, aber man wird nicht sagen können, dass alle mit der Rede aufgeworfenen notwendigen Aufgaben schon erledigt wären.

Der gemeinsame Weg der Bischöfe aus Pilsen und Regensburg

Aber wenden wir uns noch einmal uns zu.

Lieber Bischof Frantisek! Es werden in diesen Tagen genau 20 Jahre, dass wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Es war Anfang Juni 1996 anlässlich der Feier des 50. Priesterjubiläums von Pater Viktrizius Berndt. Er war eine der wahrhaft großen sudetendeutschen Priestergestalten und ich durfte ihn zu meinen Lehrern zählen. Wir haben uns getroffen in seiner Heimat Waltsch in der Kirche St. Johannes der Täufer.

Damals hat er gepredigt über das Altarbild, ein Bild von der Taufe Jesu durch Johannes den Täufer am Jordan, letztlich ein Dreifaltigkeitsbild. Mittlerweile ist die Kirche durch den Einsatz der Waltscher, vor allem von Dr. Otto Reigl, innen und außen renoviert, die Glocken läuten und die Orgel kann gespielt werden.

Zwischen Weihnachten und Neujahr letzten Jahres haben wir beide in der Klosterkirche von Kladrau, der Heimat meiner im letzten Jahr verstorbenen Mutter, die gemeinsame Aussendung der Sternsinger unserer Bistümer Regensburg und Pilsen gefeiert. Die große Kirche voll mit engagierten jungen Christen, die die Botschaft von Weihnachten in die Häuser tragen und den Frieden und den Segen von Weihnachten verbreiten.

Und erst vor ein paar Tagen haben wir in Pilsen die Weihe Deines Nachfolgers Tomas Holub gefeiert. Der Feier in der Kirche folgte der Festakt in der „Technomania“, einem Industriedenkmal und Museum auf dem Gelände der Skoda-Werke. Und Du hast diese Räume, wie Du mir erzähltest, alle eingeweiht und gesegnet. Auch dort also wurde Gott gelobt und gepriesen für seine Gaben, die menschliche Intelligenz und Ingenieurskunst, auch dort wurde der Segen gespendet im Zeichen des Kreuzes, das in die Öffentlichkeit gehört.

Ehrfurcht vor dem, was uns heilig ist

Liebe Schwestern und Brüder!
Der spätere Papst Benedikt hat noch als Kardinal einem schwächelnden Europa mit folgenden Worten ins Gewissen geredet. Ich zitiere: „Die immer wieder leidenschaftlich geforderte Multikulturalität ist manchmal vor allem eine Absage an das Eigene, Flucht vor dem Eigenen. Aber Multikulturalität kann ohne gemeinsame Konstanten, ohne Richtpunkte des Eigenen nicht bestehen. Zu ihr gehört es, dem Heiligen des anderen ehrfürchtig zu begegnen, aber dies können wir nur, wenn uns das Heilige, Gott, selbst nicht fremd ist.

Gewiss, wir können und sollen vom Heiligen der anderen lernen, aber es ist gerade vor den anderen und für die anderen unsere Pflicht, selbst in uns die Ehrfurcht vor dem Heiligen zu nähren und das Gesicht des Gottes zu zeigen, der uns erschienen ist – des Gottes, der sich der Armen und Schwachen, der Witwen und Waisen, des Fremden annimmt; des Gottes, der so menschlich ist, dass er selbst ein Mensch werden wollte, ein leidender Mensch, der mit uns mitleidend dem Leiden Würde und Hoffnung gibt. Wenn wir dies nicht tun, verleugnen wir nicht nur die Identität Europas, sondern versagen auch den anderen einen Dienst, auf den sie Anspruch haben. Den Kulturen der Welt ist die absolute Profanität, die sich im Abendland herausgebildet hat, zutiefst fremd. Sie sind überzeugt, dass eine Welt ohne Gott keine Zukunft hat. Insofern ruft uns gerade die Multikulturalität wieder zu uns selber zurück“. Ja, die Muslime sind die letzten, die es uns übel nehmen, wenn wir zu unserem Glauben stehen. Sie erwarten es sogar!

Das Recht der Muslime, Christus kennenzulernen

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Das heißt doch: Nicht nur, dass wir Christen das Recht haben, von unserem Glauben zu erzählen und ihn öffentlich zu bezeugen. Die Muslime, die zu uns kommen, haben das Recht, von uns zu erfahren, was wir feiern in unseren großen und herrlichen Kirchen, die allenthalben die Mitte unserer Städte bilden und deren Kirchtürme uns über uns erheben und hinaufreißen zum Himmel. Die Menschen, die aus anderen Kulturen zu uns kommen, haben ein Recht darauf, von uns zu erfahren, warum die Glocken in den Kirchtürmen dreimal läuten am Tag.

Sie haben ein Recht darauf, von uns zu erfahren, dass das Kreuz nicht das Symbol gewaltsamer Eroberung ist, sondern das Zeichen des Heils; dass Christus dieses ursprüngliche Marterwerkzeug verwandelt hat in das Zeichen der göttlichen Liebe, durch die er alle Menschen erlöst hat.

Sie haben ein Recht darauf, von uns zu erfahren, was der Sinn unserer Fastenzeit und unserer Wallfahrten ist. Allein an diesem Pfingstfest werden mehrere 10.000 Menschen nach Altötting pilgern, die meisten zu Fuß, singend, betend, auf die Fürsprache der Gottesmutter Maria vertrauend, und alle Sorgen und Nöte der Menschen mit ins Gebet nehmend.

Fürsprache des Brückenheiligen

Liebe Schwestern und Brüder,
der morgige Pfingstmontag ist der 16. Mai und damit zugleich der Gedenktag des heiligen Johannes Nepomuk, des in unserer Heimat über alle Grenzen hinweg hoch verehrten Brückenheiligen. Bitten wir auch um seine Fürsprache, dass er uns beistehe in unserem Bemühen, den Glauben unserer Väter und Mütter zu leben und zu bezeugen als die Grundlage und das Fundament unserer europäisch-abendländischen Kultur und somit auch Brücken zu schlagen in eine gute Zukunft. Heiliger Johannes Nepomuk, bitte für uns. Amen.



Archivfoto Bischof Voderholzer (c) Bistum Regensburg


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