Schönborn: Christenverfolgung fordert Kirchen gemeinsam heraus

25. April 2016 in Weltkirche


Kardinal Schönborn erinnerte an einen syrisch-orthodoxen Priester, der 2006 entführt wurde und dem Papst abschwören sollte. Das wäre für den Nichtkatholiken kein Problem gewesen. Er weigerte sich trotzdem und wurde erschossen.


Wien (kath.net/KAP) Wenn auch in der Ökumene die theologische Diskussion über strittige Themen unbedingt notwendig ist, sind doch Erfahrungen persönlicher Freundschaften genauso bedeutend. Das betonte Kardinal Christoph Schönborn am Freitagabend in seinen Ausführungen zum Abschluss eines prominent besetzten ökumenischen Symposions im "International Theological Institute" (ITI) im niederösterreichischen Trumau, zu dem der "Neue Schülerkreis von Kardinal Ratzinger/Papst Benedikt XVI." geladen hatte. Dieser "Ökumene der Freundschaft" maß der Wiener Erzbischof "eine besondere Kraft für die Zukunft der Ökumene" zu. Weiters unterstrich der Kardinal die "Ökumene des Martyriums" und wies auf die massive weltweite Christenverfolgung hin. Die Gegner und Verfolger des Christentums machten keinen Unterschied zwischen den Konfessionen.

"Von außen werden wir darauf festgemacht, dass die Kirche eine einzige ist", sagte Schönborn. Das sei eine - wenn auch unfreiwillige - Herausforderung, gemeinsam als Christen Zeugnis zu geben. Der Kardinal erinnerte in diesem Zusammenhang an das Schicksal eines syrisch-orthodoxen Priester im Irak, der unmittelbar nach der "Regensburger Rede" von Papst Benedikt 2006 verschleppt worden war. Seine Entführer forderten ihn auf, dem Papst abzuschwören. Das wäre eigentlich für einen syrisch-orthodoxen Christen, der sich nicht zur katholischen Kirche bekennt, kein Problem. Der Priester habe sich jedoch mit dem Hinweis geweigert, dass dies in dieser Situation ein Verrat am Christentum sei, erinnerte Schönborn. Die Entführer hätten den syrisch-orthodoxen Priester im Anschluss ermordet.

Metropolit bedauert Stillstand im Dialog

Der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) räumte in seinem Vortrag einen gewissen Stillstand im katholisch-orthodoxen Dialog ein. Er rief zugleich aber zur Wiederbelegung dieses Dialogs auf. Dieser müsse in Wort und Tat sowie auf höchster Ebene und auch an der Kirchenbasis erfolgen.

Der Metropolit verwies u.a. auf das ökumenische Sozialwort der christlichen Kirchen in Österreich aus dem Jahr 2003, das zehn Jahre später neue aufgegriffen und im Prozess Sozialwort 10+ weiterentwickelt wurde. Das Ergebnis sei schließlich die Broschüre "Solidarische Gemeinde". Dahinter stehe der Konsens, dass alle Kirchen gemeinsam in die Gesellschaft hineinwirken müssen.

Dieses gemeinsame Auftreten der Kirchen sei auch hinsichtlich der dringend notwendigen Neuevangelisierung Europas vonnöten. Alle Kirche seien gemeinsam dafür verantwortlich, dass sich Europa wieder auf seine christlichen Wurzeln besinnt und ein christlicher Kontinent bleibt, zeigte sich der Metropolit überzeugt.

Er plädierte im Hinblick auf die Kirchenbasis u.a. für gemeinsame Wallfahrten und weiters u.a. für eine verstärkte gemeinsame Ausbildung katholischer und orthodoxer Theologiestudenten sowie für gemeinsame theologische Foren. "Nur so kann es gelingen, persönliches Vertrauen aufzubauen", so Arsenios wörtlich.

Sehr erfreut zeigte sich der Metropolit darüber, dass zum neuen Ratzinger-Schülerkeis auch einige orthodoxe Mitglieder gehören.

Nachdenken über das Papstamt

Eines dieser Mitglieder ist der Wiener rumänisch-orthodoxe Theologe und Priester Ioan Moga. Er ging in seinen Ausführungen auf die von Papst Johannes Paul II. in seinem Schreiben "Ut unum sint" verfasste Einladung an die anderen Kirchen ein, gemeinsam über das Papstamt nachzudenken. Diese Einladung sei von orthodoxer Seite allerdings so gut wie gar nicht nachgekommen worden, räumte der Theologe ein und ortete auch eine mögliche plausible Begründung dafür.

Moga betonte, dass man hinsichtlich des Papstamtes zwischen einen dogmatischen lehramtlichen Dimension und einer praktischen kirchenrechtlichen unterscheiden müsse. Für die katholische Kirche besitze das Papstamt eine theologische Dimension, die der Orthodoxen Kirche fremd sei. Über die praktische Ausübung des päpstlichen Primats, welche kirchenrechtlichen Befugnisse damit verbunden sind, könne man wohl diskutieren, über die dogmatische Verankerung des päpstlichen Primats hingegen vermutlich nicht. "Dann stellt sich allerdings die Frage, ob wir nicht aneinander vorbeireden", so Moga. Darauf müsse man ehrlich hinweisen. Und daraus ergebe sich die Frage: "Ist die katholische Kirche bereit, auf über ihre Primatslehre selbst zu diskutieren und nicht nur über die praktische Ausformung?"

"Ut unum sint"

Das Symposion in Trumau stand unter dem Titel "Ut unum sint". So hieß die Aufsehen erregende Enzyklika von Johannes Paul II. vom 25. Mai 1995, in der der Papst den Wunsch nach der Einheit aller Christen bekräftigte und zum Dialog über die Ausübung des Petrusamts durch den Bischof von Rom aufforderte.

Zu den prominenten Referenten zählten neben Kardinal Schönborn und Metropolit Arsenios u.a. auch der Präsident des Päpstlichen Rates zur Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch. Unter den zahlreichen Teilnehmern der Tagung war auch der emeritierte Grazer Bischof Egon Kapellari. Beleuchtet wurden bei dem Symposion neben der Ökumene-Theologie von Papst Benedikt XVI. u.a. die katholisch-orthodoxen Beziehungen gut 50 Jahre nach der Aufhebung der gegenseitigen Exkommunikation sowie die Beziehungen zur evangelischen Kirche im Vorfeld des Reformationsjubiläums bzw. -gedenkens 2017.

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Foto Kardinal Schönborn (c) Erzdiözese Wien


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