Zulassung von Geschiedenen - Keine Änderung der Lehre!

14. April 2016 in Familie


„Amoris Laetitia“ darf nicht unabhängig von Bischofssynode sowie bestehender Lehre interpretiert werden, denn das könne zu „falschen Interpretationen“ führen, sagt P. José Granados vom Päpstlichen Institut Johannes Paul II.


Wien (kath.net) Den Fernstehenden das Evangelium bringen – das ist ein wesentlicher Auftrag, der aus dem neuen pastoralen Papst-Schreiben „Amoris Laetitia“ hervorgeht, erklärte P. José Granados DCJM, Vizepräsident des Päpstlichen Instituts Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie an der Lateran-Universität, in einem Interview. Wesentliche Punkte sind für Granados außerdem, dass die Familien von der Kirche stärker begleitet werden müssen und dass Papst Franziskus konkrete Hinweise zur Kindererziehung gibt.

Was die Zulassung von Geschiedenen, die in einer neuen Beziehung leben, zur Kommunion betrifft, gibt es laut P. Granados keine Änderung der bestehenden Norm. Wenn der Papst eine Änderung in einer so bedeutenden Sache gewollt hätte, wäre hier eine klare Stellungnahme nötig gewesen, erklärte er in einem Interview mit der italienischen Zeitung „La nuova Bussola“.

„Aber an keiner Stelle des Dokumentes finden wir geschrieben, dass Geschiedene, die in einer neuen Verbindung leben, zur Eucharistie zugelassen werden können“, sagte der Theologe. Das Dokument sei pastoraler Natur, unterstrich er; der Papst habe sehr deutlich gemacht, „dass wir diese Brüder und Schwestern nicht richten dürfen“.

Vor allem die Fußnote 351 habe manche auf den Gedanken einer Änderung der bestehenden Norm gebracht, erläuterte Granados im Detail. In „Amoris Laetitia“ heißt es wörtlich, „dass man mitten in einer objektiven Situation der Sünde – die nicht subjektiv schuldhaft ist oder es zumindest nicht völlig ist – in der Gnade Gottes leben kann, dass man lieben kann und dass man auch im Leben der Gnade und der Liebe wachsen kann, wenn man dazu die Hilfe der Kirche bekommt“.

Die Fußnote zu dieser Stelle: „In gewissen Fällen könnte es auch die Hilfe der Sakramente sein. Deshalb ‚erinnere ich [die Priester] daran, dass der Beichtstuhl keine Folterkammer sein darf, sondern ein Ort der Barmherzigkeit des Herrn‘ (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium [14. November 2013], 44: AAS 105 [2013], S. 1038). Gleichermaßen betone ich, dass die Eucharistie ‚nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen‘ ist (ebd., 47: AAS 105 [2013], S. 1039). 352 Ebd., 44: AAS“

Laut Professor Granados bezieht sich dies nicht direkt auf die Fälle von Geschiedenen, die in einer neuen Beziehung leben; dies sei ein besonderer Fall, weil man hier „im Widerspruch mit einem Sakrament“ lebe. Franziskus habe demnach nicht die bestehende Lehre geändert. Granados: „Es wäre schon eigenartig gewesen, wenn er eine so wichtige Änderung in einer Fußnote vorgeschlagen hätte.“

Das Schreiben müsse in jedem Fall auf dem Hintergrund der Bischofssynode sowie in Kontinuität mit dem bestehenden Lehramt interpretiert werden, betonte der Theologe. „Der Papst wollte die Botschaft der Synode zusammenfassen, jedoch nicht darüber hinausgehen“, unterstrich er.

Weiters stehe das Schreiben in einer Linie mit dem Lehramt, vor allem jenem von Papst Johannes Paul II., den Franziskus den „Papst der Familie“ genannt habe. Der Text dürfe nicht aus seinem Zusammenhang genommen werden – nämlich der Bischofssynode sowie der bestehenden Lehre -, denn das könne natürlich zu „falschen Interpretationen“ führen.

Franziskus wolle „weder die Sünde rechtfertigen noch sündhafte Situationen“, sondern „dem Menschen helfen, zu einem in Jesus erfüllten Leben zurückzukehren“, im Blick auf den großen Plan Gottes zu Ehe und Familie.

Kann diese Wertschätzung des Guten in objektiv sündhaften Situationen nicht auch gründlich missverstanden werden? Granados verwies darauf, dass „Amoris Laetitia“ ausdrücklich eine „Gradualität des Gesetzes“ zurückweist; diese bedeutet vereinfacht, dass Menschen, die Schwierigkeiten haben, das Gesetz zu erfüllen, dieses nur teilweise erfüllen müssen; das Gesetz würde demnach nicht alle gleichermaßen verpflichten.

In „Amoris Laetitia“ greift Franziskus das „Gesetz der Gradualität“ auf, das Johannes Paul II. geprägt hatte. Dies ist „eine Gradualität in der angemessenen Ausübung freier Handlungen von Menschen, die nicht in der Lage sind, die objektiven Anforderungen des Gesetzes zu verstehen, zu schätzen oder ganz zu erfüllen“ (AL 295). Das Gesetz sei „ein Geschenk Gottes, das den Weg anzeigt, ein Geschenk für alle ohne Ausnahme, das man mit der Kraft der Gnade leben kann, auch wenn jeder Mensch »von Stufe zu Stufe entsprechend der fortschreitenden Hereinnahme der Gaben Gottes und der Forderungen seiner unwiderruflichen und absoluten Liebe in das gesamte persönliche und soziale Leben« voranschreitet.“


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