Die Verschlossenheit der ‚Lehrer des Buchstabens’

11. April 2016 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: die ‚Lehrer des Buchstabens’ und das verschlossene Herz – sie nutzen das Wort Gottes gegen das Wort Gottes. Es geht ihnen nicht um den Menschen, sondern um ihre vorgefertigten Raster. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Die erste Lesung aus der Apostelgeschichte (Apg 6,8-15) stand im Mittelpunkt der Predigt von Papst Franziskus bei der heiligen Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ am Montag der dritten Woche im Osterkreis. Die Gesetzeslehrer klagen Stephanus mit Verleumdungen an, denn: „sie konnten der Weisheit und dem Geist, mit dem er sprach, nicht widerstehen“ (V. 10). Sie „stifteten Männer zu der Aussage an: Wir haben gehört, wie er gegen Mose und Gott lästerte. Sie hetzten das Volk, die Ältesten und die Schriftgelehrten auf, drangen auf ihn ein, packten ihn und schleppten ihn vor den Hohen Rat“ (V. 11-12).

Ihr Herz, so der Papst, sei gegenüber der Wahrheit Gottes verschlossen. Es klammere sich allein an die Wahrheit des Gesetzes, mehr noch: an die Wahrheit des Buchstabens. So fänden diese Menschen keinen anderen Ausweg als die Lüge, falsche Zeugen und den Tod.

Jesus habe ihnen gerade diese Haltung vorgeworfen, denn „ihre Väter hatten die Propheten getötet“, und jetzt errichteten sie Denkmäler gerade für jene Propheten. Die Antwort der „Lehrer des Buchstabens“ sei mehr zynisch als heuchlerisch: „Wenn wir zur Zeit unserer Väter gelebt hätten, hätten wir nicht so gehandelt“. Und so würden sie sich nun die Hände waschen und sich vor sich selbst für rein halten. Doch „ihr Herz ist gegenüber dem Wort Gottes verschlossen, es ist gegenüber der Wahrheit verschlossen, es ist gegenüber dem Boten Gottes verschlossen, der die Prophezeiung überbringt, um das Volk Gottes vorangehen zu lassen“:

„Es tut mir weh, wenn ich jenen Abschnitt aus dem Matthäusevangelium lese (Mt 27,3-10), als den Judas seine Tat reut, er zu den Hohenpriestern geht, um die Geldstücke zurückzubringen, und sagt: ‚Ich habe gesündigt’. ‚Was geht das uns an?’, antworten sie, ‚Das ist deine Sache!’. Ein verschlossenes Herz vor diesem armen, reuigen Mann, der nicht wusste, was er tun sollte. ‚Das ist deine Sache’. Und er ging hin und erhängte sich. Und was tun sie, als Judas weggeht, um sich zu erhängen? Reden sie und sagen sie: ‚Nun, das ist ein armer Mann’? Nein! Sofort geht es ums Geld: ‚Man darf das Geld nicht in den Tempelschatz tun; denn es klebt Blut daran’.... Diese Regel, und diese, und diese, und diese... – Die Lehrer des Buchstabens!“.

„Ihnen ist das Leben eines Menschen gleichgültig“, so Franziskus weiter, „ihnen ist die Reue des Judas gleichgültig: das Evangelium sagt, dass ihn seine Tat reute und er deshalb zurückgegangen war. Für sie sind nur das vorgefertigte Raster der Gesetze wichtig, und viele Worte und viele Dinge, die sie sich gebaut haben. Und das ist die Härte ihres Herzens. Und das ist die Härte des Herzens, die Torheit des Herzens dieser Leute, die angesichts der Tatsache, dass sie der Wahrheit des Stephanus nicht widerstehen können, Zeugnisse suche, falsche Zeugen, um ihn zu verurteilen“.

Stephanus ende wie alle Propheten, er ende wie Jesus. Und dies wiederhole sich in der Geschichte der Kirche:

„Die Geschichte erzählt von vielen Menschen, die getötet, die verurteilt wurden, obwohl sie unschuldig waren: verurteilt mit dem Wort Gottes, gegen das Wort Gottes. Denken wir an die Hexenverfolgungen oder an die heilige Jeanne d’Arc, an viele andere, die verbrannt wurden, die verurteilt wurden, da sie gemäß ihren Richtern nicht mit dem Wort Gottes übereinkamen. Es ist dies das Beispiel Jesu, der – aufgrund seiner Treue und seines Gehorsams gegenüber dem Wort des Vaters – am Kreuz endet. Mit wie viel Zärtlichkeit doch spricht Jesus zu den Jüngern von Emmaus: ‚Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben’ (Lk 24,25). Heute wollen wir den Herrn bitten, dass er mit derselben Zärtlichkeit auf die kleinen oder großen Torheiten unseres Herzens blickt, dass er uns liebkost, dass er zu uns sagt: ‚Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch doch!’ und dann anfängt, uns die Dinge darzulegen“.

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