Baden-Württemberg: Bildungsplan tritt mit Änderungen in Kraft

6. April 2016 in Deutschland


Das Leitprinzip „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ gibt es nicht mehr


Stuttgart (kath.net/idea) Mit Erleichterung haben Kritiker des baden-württembergischen Bildungsplans auf die neue Fassung reagiert. Sie wurde am 4. April veröffentlicht. Zum Hintergrund: Der Bildungsplan tritt zum neuen Schuljahr im Herbst in Kraft. Gegenüber dem umstrittenen Entwurf hatte Kultusminister Andreas Stoch (SPD) noch Änderungen vorgenommen, nachdem es heftige Proteste gab. So hatte der Pädagoge Gabriel Stängle (Rohrdorf/Nordschwarzwald) im vergangenen Jahr rund 192.000 Unterschriften für eine Petition gegen den Entwurf des Bildungsplans gesammelt. Sie wandte sich gegen das Vorhaben der damaligen grün-roten Landesregierung, die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ zum Leitprinzip des Unterrichts aller allgemeinbildenden Schulen zu machen, wie es LSBTTIQ-Gruppen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle, Intersexuelle, Queer) fordern. In der neuen Fassung ist nun statt von fünf Leitprinzipien von sechs Leitperspektiven die Rede. Die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ geht jetzt in einer allgemeinen Leitperspektive „Akzeptanz und Toleranz von Vielfalt“ auf. Dort heißt es nun, dass „der konstruktive Umgang mit Vielfalt eine wichtige Kompetenz für die Menschen in einer zunehmend von Komplexität und Vielfalt geprägten modernen Gesellschaft darstellt“. Kennzeichnend für eine moderne Gesellschaft seien die Individualisierung und Pluralisierung von Lebensentwürfen. Dort begegneten sich Menschen unterschiedlicher geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung. Kernanliegen der Leitperspektive sei es, „Respekt sowie die gegenseitige Achtung und Wertschätzung von Verschiedenheit zu fördern. Grundlagen sind die Menschenwürde, das christliche Menschenbild sowie die staatliche Verfassung mit dem besonderen Schutz von Ehe und Familie.“ Die Schule solle es jungen Menschen ermöglichen, sich ohne Angst vor Diskriminierung zu artikulieren: „Indem Schülerinnen und Schüler sich mit anderen Identitäten befassen, sich in diese hineinversetzen und sich mit diesen auseinandersetzen, schärfen sie ihr Bewusstsein für ihre eigene Identität. Dabei erfahren sie, dass Vielfalt gesellschaftliche Realität ist und die Identität anderer keine Bedrohung der eigenen Identität bedeutet.“

Evangelische Lehrer- und Erziehergemeinschaft: Schlimmste Befürchtungen sind nicht eingetreten

Für die Evangelische Lehrer- und Erziehergemeinschaft sind die schlimmsten Befürchtungen nicht eingetreten: „Die Schärfe und Übergewichtung des Themas ‚sexuelle Vielfalt‘ wurde als Reaktion auf die Bürgerproteste und Stellungnahmen massiv zurückgenommen“. Diese Ansicht äußerte der Vorsitzende der Evangelischen Lehrer- und Erziehergemeinschaft, Studiendirektor Paul-Gerhard Roller (Tübingen), gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. „Nach dem Paukenschlag einer Verankerung der ‚Akzeptanz sexueller Vielfalt‘ in den Leitlinien zum ursprünglichen Bildungsplan werden jetzt leise Töne angestimmt.“ Eine vollständige Entwarnung könne allerdings nicht gegeben werden, weil der neue Bildungsplan Freiräume zur Behandlung dieses Themas eröffne, die es im alten nicht gegeben habe. Für Gabriel Stängle ist erfreulich, dass in der Einleitung zum Bildungsplan der klare Bezug zur Landesverfassung und dem „Beutelsbacher Konsens“ von 1976 enthalten sei. Dieser legte unter anderem fest, dass Lehrer Schülern nicht ihre Meinung aufzwingen dürfen. Kontroverses sei zudem im Unterricht auch kontrovers darzustellen. „Vieles ist aber weiterhin unausgegoren“, so der Pädagoge. Ihm zufolge ist viel Vertrauen in der Lehrerschaft und unter Eltern in die Bildungspolitik in den vergangenen zwei Jahren verloren gegangen.

Evangelischer Arbeitskreis der CDU: Bildungsplan wurde deutlich entschärft

Die Landesvorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU Baden-Württemberg, Sabine Kurtz (Leonberg), ist der Ansicht, dass durch den öffentlichen Protest und die parlamentarischen Initiativen der CDU „schon viel erreicht“ und der ursprüngliche Entwurf „deutlich entschärft“ worden sei. Der Schwerpunkt habe sich nun von der „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ auf die „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ verlagert.

Sorgen bereitet der CDU-Politikerin allerdings der unabhängig vom Bildungsplan verabschiedete Aktionsplan „Für Akzeptanz und gleiche Rechte“. Er wurde im vergangenen Sommer vom baden-württembergischen Sozialministerium in Kraft gesetzt. Er soll nach eigenen Angaben eine gesamtgesellschaftliche Diskussion gegen Homo- und Transphobie in dem Bundesland anstoßen. Der Plan enthält einen 200 Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog. Unter anderem will sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände und andere Institutionen ihre Aktivitäten zum Abbau von Diskriminierungen von LSBTTIQ-Menschen verstärken. Ebenso soll ihre rechtliche Gleichstellung verbessert werden. Kurtz befürchtet, dass mit dem Aktionsplan die ursprüngliche Überbetonung des Themas sexuelle Vielfalt „durch die Hintertür“ wieder in den Bildungsplan eingeführt werden könnte. Der Aktionsplan sehe nämlich eine Verankerung der geschlechtlichen Identität und sexuellen Orientierung im Bildungsplan als Teilaspekt der Leitperspektive „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ vor. „Daher müssen in den anstehenden Koalitionsverhandlungen sowohl der Aktionsplan als auch der Bildungsplan auf den Prüfstand gestellt werden und offensichtliche Mängel behoben werden“, so die EAK-Landesvorsitzende.

Der Vorsitzende des EAK-Kreisverbandes Karlsruhe-Land, Willi Funk (Bruchsal), forderte, dass das Kultusministerium künftig von der CDU geführt werde. Laut eines Schreibens an die Verhandlungsführer der CDU, darunter Spitzenkandidat Guido Wolf (Tuttlingen) und der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl (Heilbronn), soll das eine Bedingung für eine Koalition mit Bündnis 90/Die Grünen sein.


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