Limburg vor der Bischofsfindung

23. Februar 2016 in Kommentar


Alle Bauten sind vollendet und der missliebige Tebartz-van Elst ist nach Rom verschwunden. Perfekte Voraussetzungen also für einen Neustart, oder? Doch immer noch polarisiert Limburg und wird in Limburg polarisiert. Gastkommentar von Arne Terkamp


Limburg (kath.net) Vor kurzem wurde in Limburg die Wiedereröffnung des Priesterseminars gefeiert. Stolz präsentierten die Verantwortlichen das Gebäude, welches durch die Renovierung von den siebziger Jahren in die Jetztzeit katapultiert wurde. Und ebenso stolz wurde betont, man hinterlasse dem neuen Bischof keine Baustelle. Zwei Jahre sind vergangen seit der Auseinandersetzung um den Bau des Bischofshauses auf dem Domberg und dem Amtsverzicht von Bischof Tebartz-van Elst. Zwei Jahre, von denen man meinen könnte, dass sie halfen, alte Wunden zu heilen, Versöhnung zu ermöglichen und nun einen Neuanfang zu starten. Mittlerweile ist der Prozess um die Findung eines neuen Bischofs für das kleine Bistum bereits im Gange. Seit einigen Tagen liegt dem Nuntius eine Liste mit Vorschlägen vor. Sowohl das Domkapitel als auch der apostolische Administrator Weihbischof Grothe wie auch sein Stellvertreter Wolfgang Rösch scheinen der Überzeugung zu sein, dem neuen Bischof ein aufgeräumtes Bistum vorbereitet zu haben. Alle Bauten sind vollendet und der missliebige Tebartz-van Elst ist nach Rom verschwunden. Perfekte Voraussetzungen also für einen Neustart, oder?

Doch einem genaueren Blick hält das nicht stand. Mitnichten kann man behaupten, dass Limburg nun zur Ruhe gekommen ist. Immer noch polarisiert Limburg und wird in Limburg polarisiert. Und wer behauptet, dass der neue Bischof keine Baustellen vorfinden wird, der ist entweder naiv oder betreibt ein unseriöses Geschäft. Das ganze Bistum ist voller Baustellen, die einem neuen Bischof reichlich Kopfschmerzen bereiten dürften. Beispielsweise gab der Rektor der Philosophisch-theologischen Hochschule St. Georgen, Prof. Ansgar Wucherpfennig SJ, im Dezember bekannt, dass er bereits mehrfach homosexuelle Paare gesegnet habe. Wohlgemerkt, es handelt sich um denjenigen, der in seiner Funktion als Rektor der Hochschule für die Ausbildung künftiger Priester zuständig ist. Und um denjenigen, der einst, als Bischof Tebartz-van Elst Stadtdekan Kollas nach der „Trauung“ eines homosexuellen Paares im Hohen Dom zu Wetzlar scharf zur (katholischen) Ordnung gerufen hatte, dem Bischof eilfertigst beipflichtete. Dies alles ist nur wenige Jahre her. Gleichzeitig erfährt man, dass Wucherpfennig und die Provinzoberin der Pallottinerinnen, Helga Weidemann, damit beauftragt wurden, ein Ritual für die Segnung Homosexueller zu erarbeiten. Wer der Auftraggeber ist, wurde nicht genannt. Und es erstaunt wenig, dass der Frankfurter Stadtdekan und Domkapitular Johannes zu Elz diese Initiative unterstützt. Was soll ein neuer Bischof mit einer solchen Situation anfangen? Mit dieser Initiative bekommt er gleich zum Amtsantritt eine Baustelle vor die Nase gesetzt, die sich gewaschen hat. Und was sagt eigentlich der Apostolische Administrator dazu? Öffentlich hat man keine Stellungnahme zu diesem Vorgang gesehen, auch nicht von seinem Stellvertreter.

Überhaupt scheint die Amtsführung von Weihbischof Grothe nicht dazu geeignet, den Limburgern den Weg zu einem Neuanfang zu weisen. Erinnern wir uns kurz: Manfred Grothe war Mitglied in jener Kommission, die - im Übrigen auf Wunsch von Bischof Tebartz-van Elst -, den Bau auf dem Domberg und dessen Kosten zu prüfen hatte. Grothe genießt einen exzellenten Ruf als Finanzexperte und hat in dieser Kompetenz im Bistum Paderborn segensreich gewirkt. Wahrscheinlich erschien es deshalb als sinnvoll, ihn als vorübergehenden Administrator in Limburg einzusetzen. Doch das Limburger Problem ist kein finanzielles. Die jüngsten Offenlegungen der diözesanen Finanzen haben gezeigt, dass es sich mitnichten um ein Bistum handelt, welches kurz vor der Pleite steht. Eine stattliche knappe Milliarde steht in den Büchern. Grothe war vielleicht in der Lage, das Bistum in dieser bischofslosen Situation administrativ nicht vor die Hunde gehen zu lassen, doch die Ursachen des Konflikts und der Spaltung hat er nicht angerührt. Und diese Ursachen liegen noch weit vor dem Amtsantritt von Bischof Tebartz-van Elst im Januar 2008. Hier ist nicht der Ort, um einen historischen Abriss zu machen über die Entstehungsgeschichte des Bistums, über den nassauischen Kirchenstreit, über die Einführung der Synodalität unter Bischof Kempf, über die Bafile-Affaire, über den Konflikt um die Schwangerenberatung kirchlicher Beratungsstellen unter Bischof Kamphaus, aber alle diese Dinge spielen eine Rolle, wenn es um den vielzitierten „Limburger Weg“ geht.

Gerne gibt man sich den Nimbus des kleinen, aber selbst- und widerständigen Bistums, welches die religiösen Angelegenheiten auf die eigene Art und Weise regelt. Ein Schelm, wer „Los von Rom“ dabei denkt. Bischof Kamphaus war sicherlich ein Bischof mit einem eigenen, besonderem Charisma, welches den Limburger Bedürfnissen entgegenkam, aber bekannt ist auch, dass er sich bei den Sitzungen der Bischofskonferenz stets über seine renitenten Schäfchen beklagte. Was ihn aber nicht daran hinderte, sich selbst publikumswirksam in einem alten klapprigen Golf in Szene setzen zu lassen und die große Bescheidenheit in jeder Hinsicht zu demonstrieren. Allerdings verkümmerte unter seinem Episkopat die Liturgie zwischen Beliebigkeit und Nachlässigkeit. Erinnern wir uns doch daran, dass schon der Heilige Benedikt sagte, dass dem Gottesdienst nichts vorzuziehen und dieser mit der größtmöglichen Würde und Schönheit zu vollziehen sei. Als Kamphaus’ Nachfolger die Liturgie nach dieser Maßgabe gestalten wollte, stand eiligst der Vorwurf von Prunk und Pracht im Raum. Bischof Kamphaus hat als Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Weltkirche wichtige Akzente gesetzt, doch in Limburg hat er alles schleifen lassen. Sowohl im Ordinariat als auch in manchen Teilen des Klerus zog der Schlendrian ein. Der Sinn für die Sakramentalität der Kirche ging an nicht wenigen Orten des Bistums verloren und damit die Einheit mit der Weltkirche und der Verlust an Katholizität. Lieber etwas selbstgestricktes, als den Eindruck erwecken, man würde sich einem System (Rom!) unterordnen. Schon im Jahr 2008, also bei Amtsantritt von Bischof Tebartz-van Elst, gab es Gemeinden, in denen die Erstkommunionkinder schon seit Jahrzehnten nicht mehr zur Beichte geführt wurden. Dies mag heute vielleicht allgemeine Praxis sein, aber richtiger wird es dadurch auch nicht.

Hinzu kam ein weiteres Spezifikum: Auch Ordinariate entwickeln ihr Eigenleben und das Limburger hat ein ganz spezielles. Mit über 280 Mitarbeitern ist es einer der größten Arbeitgeber in der doch relativ kleinen Stadt. Man kennt sich. Ein seit den 80er Jahren virulenter Finanzskandal mit persönlicher Bereicherung konnte erst nach einem Generalvikarswechsel in 2009 aufgedeckt und zur Anzeige gebracht werden. Im Grunde genommen macht man die Dinge unter sich aus, frei nach dem Motto: „Die Bischöfe kommen und gehen, wir Limburger bleiben bestehen.“ Indiskretionen sind an der Tagesordnung. Protokolle von vertraulichen Sitzungen landen schneller auf den Schreibtischen Frankfurter Redaktionsstuben als auf dem des eigentlichen Adressaten. Und der Stadtdekan einer größeren Stadt des Bistums vertraut seinen Kummer, seine Sorgen, seine (kirchen-)politischen Vorstellungen eher dem örtlichen Zeitungsredakteur als dem eigenen Bischof an. Das alles und vieles mehr war an der Tagesordnung als Bischof Kamphaus ging und als Bischof Tebartz-van Elst kam.

Natürlich hat Tebartz-van Elst Fehler gemacht. Wer macht die nicht? Und in dieser komplizierten Situation erst recht. Doch es ist zu einfach gedacht und zeugt von intellektueller Unredlichkeit, ihn als den alleinigen Buhmann auszurufen. Aber alle im Bistum reden sich nun auf den raus, der der Urgrund aller Unbill sein muss. Viele geistige Impulse, die Tebartz-van Elst setzte, werden kleingeredet, geistliche Initiativen, wie das Bischof-Blum-Kolleg, werden eingestampft.

Kein einziges der Symptome des Limburger Leidens hat Grothe angefasst. Im Grunde genommen hat er nicht gestaltet, sondern ließ sich vielmehr von denjenigen treiben, die schon seit Jahrzehnten eher spalten als zusammenführen. Die Domkapitulare haben in 2014 eine halbherzige Bitte um Entschuldigung veröffentlichen lassen – wohl wissend, dass sie es waren, die im Jahr 2007 mit der Entscheidung für den Neubau auf dem Domberg dem neuen Bischof ein großes Kuckucksei ins Nest legten. Wären die Herren redlich, würden sie ihre Ämter zur Verfügung stellen, um wirklich einen Neuanfang zu ermöglichen. Anstatt dessen machen sie genau das gleiche wie damals: sie schaffen in der Sedisvakanz Fakten, um den neuen Bischof dann wieder vor sich herzutreiben. Interessant ist auch, dass Domkapitular zu Elz im Frühjahr 2014 im Gespräch mit der „Zeit“ offen bekannte, dass es in der ganzen Causa Limburg nie um den Bau ging, sondern um eine kirchenpolitische Richtungsentscheidung.

Viel ist die Rede von Versöhnung und Barmherzigkeit in Limburg. Man könnte nun auch einmal einen Schlussstrich ziehen. Doch mitnichten. Was soll man davon halten, wenn der Priesterrat noch am 30. 11. 2015 zu Protokoll gibt: „Es wird kein gemeinsames Zeichen/Akt der Versöhnung (mit Bischof Tebartz-van Elst) nach außen hin geben.“ Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: das sind Männer, das sind Priester, die jeden Sonntag von der Kanzel die frohe Botschaft der Versöhnung, Liebe und Barmherzigkeit predigen. Na, wenn man solche Freunde hat, dann braucht man keine Feinde mehr. Und überhaupt: aus dem Ordinariat hört man durchaus heraus, dass die echte Atmosphäre der Angst erst nach dem Weggang von Tebartz-van Elst entstanden ist. Es gibt nur eine Deutung der Vorgänge auf dem Domberg: „Der Bischof ist der Schurke!“. Wer es wagt, an dieser Deutung zu zweifeln und auch Fragen nach der Verantwortung anderer zu stellen, dem wird unmissverständlich klar gemacht, dass er sich doch bitte mit Blick auf die eigene Karriere zurückhalten solle. Apropos Verantwortung: was macht eigentlich der einstige Generalvikar Kaspar? Er war doch derjenige, der so kenntnisreich die Finanzierung des Bischofshauses jongliert hat. Es war doch eigentlich seine Idee gewesen, einen Vermögensverwaltungsrat für den Bischöflichen Stuhl einzurichten. Und die Mitglieder dieses Rates waren doch seine Freunde. Bischof Tebartz-van Elst hatte die Herren vorher garnicht gekannt. Doch hört man aus Limburg, dass der arme Generalvikar ja auch nur das habe ausführen müssen, was der harte Bischof ihm befohlen habe. Wer die Beteiligten kennt, der weiß, dass es so nicht gewesen sein kann. Wie dem auch sei, Kaspar ist abgetaucht, und er wird von niemandem in Bezug auf seine Verantwortung für das Desaster belästigt.

Ein neuer Bischof hat so gut wie keine Chance. Er kann eigentlich nur alles falsch machen. Folgt er in allen Beschlüssen den Gremien (und davon gibt es in Limburg mehr als anderswo), so setzt er sich dem Vorwurf der Anbiederung aus. Folgt er ihnen nicht, so wird sicher schnell von einem Klima der Angst gesprochen werden. Trifft er Personalentscheidungen, auch schmerzhafte, so wird sofort über den autoritären Herrscher gejault werden. Trifft er sie nicht, so wird er als Skrupulant beschimpft werden. Und nicht zuletzt: es können Wetten angenommen werden, welches die erste Journalistenfrage sein wird: „Wo werden Sie wohnen?“ Es steht mittlerweile eine Bischofswohnung zur Verfügung. Zieht er dort ein, dann wird das Gezeter über den „neuen Protzbischof“ nicht gerade leise sein. Zieht er dort nicht ein, dann wird auch das Geldverschwendung sein, denn es müsste eine neue Bischofswohnung hergerichtet werden. Es gibt sonst nichts in Limburg.

Eigentlich kann einem derjenige leidtun, den in der nahen Zukunft der Anruf des Limburger Domkapitels mit der Botschaft ereilen wird: „Wir haben Sie zu unserem neuen Bischof gewählt!“. Es wird gemunkelt, dass es ein Münchner werden soll (nein, nicht Marx!). Will der einen Wolf im Schafspelz? Wen wollen die Schafe? Ein Lamm, das wieder geopfert wird, wenn es nicht lammfromm auf dem Limburger Weg weidet?
Es wird einen tapferen Hirten brauchen, der die Herde kraftvoll vor den Wölfen zu schützen vermag – auch vor den Wölfen, die schon mitten in der Herde sind. Wen auch immer es treffen wird, er wird reichlich Unterstützung des Heiligen Geistes brauchen!

Limburger Dom, mehrminütiges Glockenläuten Sept. 2010


Foto Limburger Dom (c) Bistum Limburg


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