Vatikan: Benedikt XVI. ist präsent, aber seit drei Jahren unsichtbar

10. Februar 2016 in Chronik


Der emeritierte Papst lebt zurückgezogen im Kloster - Das Gehen fällt ihm zunehmend schwerer, doch geistig ist er topfit - Korrespondentenbericht von Johannes Schidelko


Vatikanstadt (kath.net/KAP) Zuletzt sah man ihn bei der Eröffnung des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit. Unmittelbar nach Papst Franziskus durchschritt seinen Vorgänger Benedikt XVI. als zweiter die Heilige Pforte des Petersdoms. In der rechten Hand den Gehstock und links gestützt auf seinen Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein stieg der emeritierte Papst die Stufen zum rechten Eingangsportal der Vatikan-Basilika hinauf. Bei seiner Ankunft in der Vorhalle von Sankt Peter hatten Franziskus und Benedikt sich herzlich begrüßt und einige Worte gewechselt. An der anschließenden Prozession zum Hauptaltar nahm der 88-Jährige nicht mehr teil.

Es war der siebte öffentliche Auftritt von Benedikt XVI., seit er Ende Februar 2013 freiwillig sein Amt aufgab, weil er sich den Strapazen nicht mehr gewachsen sah. In den letzten Jahren war er Einladung seines Nachfolgers zu den Konsistorien und der Erhebung neuer Kardinäle gefolgt. Er nahm auch an der Seligsprechung seiner Vorgänger Johannes XXIII. (1958-1963) und Johannes Paul II. (1978-2005) Ende April 2014 teil. Und im vergangenen Jahr begab er sich an den traditionellen päpstlichen Sommersitz Castel Gandolfo, nahm dort die Ehrendoktorwürden der Päpstlichen Universität Johannes Paul II. und der Musik-Akademie von Krakau entgegen und hielt seine erste öffentliche Rede seit dem Rücktritt.

Ansonsten hält sich Benedikt XVI. jedoch streng an jene Selbstverpflichtung, die er an jenem 28. Februar 2013 abgegeben hatte: Er wolle in Zukunft zwar präsent aber unsichtbar bleiben. Er wolle sich dem Gebet und der Meditation widmen und die Leitung der Kirche ganz seinem Nachfolger überlassen, dem er unbedingten Gehorsam zusicherte. Seither lebt der emeritierte Pontifex völlig zurückgezogen im Kloster "Mater ecclesiae" in den vatikanischen Gärten.

Die Wahl des deutschen Kurienkardinals und Ausnahmetheologen Joseph Ratzinger im April 2005 zum Papst kam nicht ganz überraschend. Überraschender war am 11. Februar - vor drei Jahren - der Rücktritt des erschöpften Pontifex, der sich im Dienst physisch aufgerieben hatte. Der mutige Schritt brachte dem damals 85-Jährigen in Kirche und Öffentlichkeit Respekt ein - und beschäftigt die Kirchenrechtler bis heute. Sein Nachfolger Franziskus ist nach eigenem Bekunden überzeugt, dass dieser Schritt legitim war und kein Einzelfall bleiben dürfte.

Benedikt XVI. verbringt seine Tage keine 200 Meter von seinem Nachfolger Franziskus entfernt im dreistöckigen Klosterbau am Hang des vatikanischen Hügels. Er betet, meditiert, pflegt eine umfangreiche Korrespondenz und trifft immer wieder Gäste, wie Gänswein bestätigt. Als Präfekt des Päpstlichen Hauses steht er in Diensten von Papst Franziskus, hält zugleich aber auch seinem früheren Herrn die Treue. Er wohnt ebenfalls im Kloster, sowie die vier Damen der Geistlichen Bewegung "Memores Domini", die schon im Apostolischen Palast den Haushalt führten.

Der emeritierte Papst hat einen regelmäßigen Tagesablauf: Er feiert die Frühmesse, dann Frühstück, Gebet, Lektüre, Bearbeiten der reichlich eingehenden Post, manchmal Besucher. Zweimal am Tag unternimmt er einen Spaziergang. Einen kürzeren nach dem Mittagessen auf der Klosterterrasse, und einen längeren am Nachmittag zum Rosenkranzgebet mit dem Sekretär zur Lourdesgrotte. Allerdings nimmt der emeritierte Papst, der geistig hellwach und rege ist, aber zunehmend Probleme mit dem Gehen hat, für einen Teil des Weges einen Golf Cart. Für die übrige Strecke nutzt er den Rollator. Und auch im Hause ist er inzwischen ständig auf eine Gehhilfe angewiesen.

Etwa alle zwei bis drei Monate kommt Papst Franziskus zu Besuch. In der Regel vor oder nach dessen Auslandsreisen, aber auch zu den christlichen Hochfesten, und die beiden Sekretäre kommen meistens mit. Benedikt und Franziskus ziehen sich dann in die erste Etage zum Vier-Augen-Gespräch zurück. Über den Inhalt wird nichts bekannt. Aber man kann davon ausgehen, dass Franziskus seinem Vorgänger über Aktuelles berichtet und gelegentlich seinen Rat erfragt. Aber auch zwischenzeitlich sind die beiden telefonisch immer wieder in Kontakt.

Papst Benedikt XVI. - Ein Interview mit Peter Seewald


Papst emeritus Benedikt XVI. wird von Papst Franziskus begrüßt und durchschreitet als Zweiter die Heilige Pforte


VIDEO - Papst Franziskus verabschiedet Papst em. Benedikt XVI. in den Urlaub nach Castel Gandolfo (30.6.2015)


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