Lackner: In Flüchtlingsfrage 'nicht blauäugig sein'

5. Jänner 2016 in Österreich


Salzburger Erzbischof: Erfolgreiche Bemühungen, aber auch briefliche Beschimpfungen, "als würden wir das Tafelsilber des christlichen Abendlandes verspielen" - "Mit Sympathie allein kann man nicht Erzbischof sein", "man muss Position beziehen".


Salzburg (kath.net/KAP) Nach der Erfahrung von mehreren Monaten, in denen die Flüchtlingsfrage auch für ihn zur großen Herausforderung des Jahres 2015 geworden sei, kommt der Salzburger Erzbischof Franz Lackner (Foto) zur Konklusion: "Man darf nicht blauäugig sein." Wie er in einer Jahresbilanz in den "Salzburger Nachrichten" (SN) erklärte, habe die Erzdiözese mittlerweile mehr als 700 Flüchtlinge untergebracht, Lackner erwarte auch für 2016, dass große Anstrengungen notwendig sein werden. "Sehr zu denken" hätten ihm freilich die vielen negativen Briefe an ihn und die Caritas gegeben: "Wir wurden beschimpft, als würden wir das Tafelsilber des christlichen Abendlandes verspielen."

Er habe im Vorjahr erstmals gesehen: "Mit Sympathie allein kann man nicht Erzbischof sein", so Lackner: "Man muss Position beziehen." Zugleich bekundete Lackner Verständnis für die Sorgen und Ängste der Einheimischen. Es sei offenkundig, "dass es nicht auf Dauer so weitergehen kann, wie wir das in den ersten Monaten des Flüchtlingsansturms erlebt haben."

Der Erzbischof bekannte sich zur Überzeugung, dass man "um Europa keinen Zaun machen" könne. Die vielen Flüchtlinge sieht Lackner "als Chance für uns Christen", die von einem Bevölkerungsanteil von 80 Prozent und mehr mittlerweile weit entfernt seien und sich auf dem Weg befänden, in Zukunft als "Kontrastgesellschaft" zum gesellschaftlichen Mainstream zu fungieren. Andere Religionsangehörige könnten der Anlass sein, sich auf das Eigene zu besinnen und darüber nachzudenken, "warum bei uns die Kirchenbänke oft so leer sind". Letztlich speise sich das Christsein aus diesen eigenen Wurzeln, nicht jedoch aus einem Gegensatz zu anderen Überzeugungen, versicherte Lackner.

Gleiche Rechte behutsam einfordern

"Irgendwann" werde sich auch die Frage einer Moschee mit Minarett für Salzburg stellen, so seine Einschätzung. "Aber jetzt wäre nicht der richtige Zeitpunkt, das zu diskutieren." Selbstverständlich müsse jeder seine Religion frei und öffentlich ausüben können. "Aber wenn so große Veränderungen vor sich gehen, wie wir sie derzeit erleben, gibt es Reibungsenergien, die leicht in Aggression ausarten können", warnte Lackner. Er "würde sehr appellieren, immer die gesamte Situation zu betrachten und die Forderung nach gleichen Rechten in jedem Detail nicht zu übertreiben".

Der Erzbischof berief sich dabei auch auf den Philosophen Jürgen Habermas, der von einem "Verfassungspatriotismus" gesprochen habe. "Das heißt für mich, dass das Angestammte und das Dazugekommene nicht zu jeder Zeit genau den gleichen Anspruch erheben können."

Die Kirche sieht Lackner vor der Aufgabe, die Qualität ihrer Seelsorge zu überdenken. Es gebe - auch wenn hier vieles nicht messbar sei - Nachholbedarf in Hinsicht auf Qualitätsmanagement und -sicherung. Letztlich gehe es darum, in den Menschen eine Sehnsucht zu wecken: "Die Sehnsucht, dass es mehr gibt als das Augenscheinliche, dass jedem von uns Menschen mehr möglich ist als als das, was uns im Moment möglich erscheint".

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Foto Erzbischof Lackner (c) Erzdiözese Salzburg/Sulzer


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