Kirchentag: Judenchristen sind unerwünscht

29. Mai 2003 in Deutschland


Kritik auch am einseitigen Umgang der Veranstaltung mit der DDR-Vergangenheit - Gedenkstätten-Direktor: Die Opfer der SED-Diktatur kommen im Programm nicht vor


Berlin (kath.net/idea)
Zum Auftakt des ÖkumenischenKirchentages am 28. Mai haben Vertreter der SED-Opfer und der Evangelikalen Kritik an dem Treffen geübt. Der Direktor der Gedenkstätte im ehemaligenStasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, wirft denOrganisatoren Einseitigkeit beim Umgang mit der Vergangenheit vor. "Unterden Opfern der SED-Diktatur herrscht erhebliche Unzufriedenheit mit demKirchentagsprogramm, denn sie kommen in diesem Programm nicht vor." So habedie "Union der Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft" frühzeitig denVorschlag gemacht, ein Forum "Gott hinter Gittern" zu veranstalten. Der Vorschlag sei jedoch abgelehnt worden. Statt dessen sitze nun diePDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau auf einem Podium. Knabe selbst hattenach eigenen Angaben im Januar der Kirchentagspräsidentin Elisabeth Raiservorgeschlagen, auch die Christenverfolgungen in der SED-Diktatur zum Themazu machen. Außer hinhaltenden Antworten habe er jedoch keine Reaktionerhalten. Knabe kritisierte, daß die Kirchen in Deutschland bis heute dazuneigten, die verbrecherische Dimension der kommunistischen Diktaturen zu ignorieren oder zu beschönigen. "Gerade im Vorfeld des 50. Jahrestages desVolksaufstandes am 17. Juni hätte es dem Kirchentag gut angestanden, sichdieses Themas anzunehmen", so Knabe.

Bleibt die Frage nach der Wahrheit des Glaubens auf der Strecke?

Kritisch äußerte sich auch die Konferenz Bekennender Gemeinschaften in denevangelischen Kirchen Deutschlands. Deren Vorsitzender, Pastor Ulrich Rüß(Hamburg), befürchtet, daß sich der Ökumenische Kirchentag angesichts derVielzahl politischer Themen und der Mitwirkung von Repräsentanten andererReligionen "verzettelt". Er sehe die Gefahr, "daß Politik und Dalai LamaSchlagzeilen machen, nicht aber die wesentlichen Inhalte gemeinsamenchristlichen Glaubens". In einer Zeit, in der Entchristlichung undNeuheidentum zunähmen, sei es wichtig, daß die Kirchen aufeinander zugingenund trotz aller Unterschiedlichkeit das gemeinsame Fundament des Glaubensbezeugten. Dabei dürfe die Frage nach der Wahrheit des Glaubens nicht aufder Strecke bleiben. "Diesem Anspruch kommt der Ökumenische Kirchentag nurbedingt nach." Dennoch bleibe das Treffen eine Chance, "die aber klarer undeindeutiger hätte genutzt werden sollen", so Rüß, der auch Vorsitzender derKirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis in der Nordelbischen Kircheist.

Judenchristen sind auf dem Kirchentag unerwünscht

Beim Ökumenischen Kirchentag in Berlin sindjesusgläubige Juden - im Volksmund Judenchristen - unerwünscht. DieZulassung von "messianischen Juden", die ihren Glauben an Jesus Christusmissionarisch verträten, würde das Verhältnis des Kirchentages zur jüdischenGemeinde belasten, erfuhren die Verantwortlichen des Beit Sar ShalomEvangeliumsdienstes (Berlin), der sich vor einem Jahr um einen Stand auf demAusstellungsbereich "Agora" beworben hatte. Das Werk arbeitet vor allemunter russischen Einwanderern mit jüdischem Hintergrund. Laut PressesprecherAndrei Ignatenko hätten sich die Verantwortlichen des Kirchentags monatelangin Schweigen gehüllt, auf Anfragen ausweichend geantwortet und erst vor dreiWochen erklärt, daß judenmissionarische Werke unerwünscht seien. Dies seiihm zu Beginn des Kirchentags am 28. Mai noch einmal mündlich bestätigtworden. Gegenüber idea sagte Ignatenko, er habe es nicht für möglichgehalten, daß der Kirchentag Moslems und Buddhisten einlade, jesusgläubigeGruppen aber ausschließe. Der Evangeliumsdienst arbeite auf der Basis derEvangelischen Allianz und sei von dieser offiziell als befreundetes Werkanerkannt.

80 Veranstaltungen zu Beziehungen zwischen Christen und Juden

Nach dem Stuttgarter Kirchentag 1999 hatte das Präsidium des DeutschenEvangelischen Kirchentags beschlossen, keine judenmissionarischen Gruppenmehr zuzulassen. In Übereinstimmung mit dem Rat der EKD und dem Zentralratder Juden in Deutschland lehne man eine auf Bekehrung zielende "Judenmission" aus theologischen und historischen Gründen ab. In Berlin befassen sich rund 80 Veranstaltungen mit den Beziehungen zwischen Christenund Juden. Häufig sind Selbstdarstellungen einzelner jüdischer Gruppen geplant.Diskussion über den Kirchentag im KATH.NET-Forum


© 2003 www.kath.net