'Matrix': Eine Platzpatrone und 136 Minuten Blech

21. Mai 2003 in Aktuelles


Der Sinn des Lebens besteht einfach darin, wach zu bleiben, vermittelt "Matrix Reloaded". Im Film fällt das manchmal schwer, meint Markus Spieker /IDEA.


Deutschland (www.kath.net / idea)
Wie macht man einen Kultfilm? Man schnürt ein Paket aus hyperkinetischerAction und futuristischem Design, schönen Darstellern und rasanterDramaturgie - und stellt das Ganze auf einen pop-philosophischen Unterbau.Nach diesem Rezept haben die Brüder Larry und Andy Wachowski vor vier Jahrenden Science-Fiction-Streifen "Die Matrix" zubereitet: einÜberraschungserfolg, der 60 Millionen Dollar kostete, 460 Millioneneinspielte und vier Oscars gewann.Die Handlung basierte auf der zeitgeistigen Prämisse: Alles ist Lüge. DerHeld des Films, Neo, kommt eines Tages zu der Erkenntnis, dass er sein Lebennur träumt, die Realität nur eine Computersimulation, eben die "Matrix",ist. In Wirklichkeit liegen er und der Rest der Menschheit im Dauerkoma.Maschinen haben die Weltherrschaft übernommen und benutzen die bewusstlosenKörper als Bio-Energiequellen. Übrig geblieben sind eine Handvoll Rebellen,angeführt vom düsteren Morpheus und der betörenden Trinity ("Dreifaltigkeit"). Zusammen mit Neo, der sich als der lange ersehnte "Auserwählte entpuppt, wollen sie die Menschheit aus der Versklavung retten.

Viel Getöse - wenig Gehalt

Die Welt als eitler Schein, erlöst von einem Messias - das lieferte auchChristen Diskussionsstoff. Die Wachowski-Brüder hatten sich beim Drehbuchaus vielen Quellen bedient: beim Christentum, bei Hermann Hesse, beifernöstlichen Religionen. Blieb die Frage, ob "Matrix" nun mehr von Buddhaoder von der Bibel inspiriert war. Die Antwort darauf gibt es in diesemJahr. Die Wachowskis haben nach ihrem ersten Knaller nämlich nachgeladen("reloaded") und Teil zwei und drei produziert. Wenn sich der PR-Qualmverzogen hat, werden viele Kinobesucher merken, dass nur eine Platzpatronedrin war. Viel Getöse, wenig Gehalt. Viel Stil, wenig Substanz.

Das ursprüngliche Konzept funktioniert diesmal nur teilweise: DieKampf-Choreographien sind atemberaubend, die Tricksequenzen spektakulär, dieCyber-Ästhetik zukunftsweisend. Aber darunter gähnt die Tiefe der Leere.Handelte der erste Teil von Neos Erwählung, geht es jetzt um seine Mission.Er muß das Refugium der freien Menschen, die unterirdische Stadt Zion, vordem Angriff der Maschinen retten. Dazu muß er in die Schaltzentrale derMatrix vordringen und auf dem Weg dahin ein Orakel konsultieren, dengeheimnisvollen "Schlüsselmacher" finden und schließlich den Erfinder derMatrix, die "Quelle", konfrontieren. Das ist der Stoff, aus dem alteGriechen-Sagen und moderne Computer-Spiele sind.

136 Minuten mit viel Blech

Aber eben nichts Neues. Nummerkino, zähe 136 Minuten lang, gespickt mitpompös rezitiertem Blech wie "Es gibt vieles in der Welt, was ich nichtverstehe" oder: "Manche Dinge ändern sich nie, manche schon." Was kann manüber ein Drama Schlimmeres sagen, als dass die Menschen, allen voran derschön-seichte Hauptdarsteller Keanu Reeves, genauso seelenlos wirken wie dieMaschinen. Neo kann fliegen, Neo kann Gewehrkugeln abwehren, Neo kann Toteauferwecken - aber keine Emotionen wecken. Er ist keine Jesus-Figur, sondernein Superman, comichaft zweidimensional. Die Bibel-Zitierwut derhalbgebildeten Wachowskis erweist sich als Bluff. "Nebukadnezar" heißt dasSchlachtschiff der Rebellen. Warum? Weil's gut klingt.

Wie die "Matrix"-Maschinen die Menschen leersaugen, so plündern dieFilmemacher die Kulturgeschichte. Und scheitern an derselben Stelle wieunzählige Hollywood-Autoren vor ihnen. Sie machen die alte Welt schlecht,aber sie können sich keine bessere ausdenken. Zion, die gelobte Stadt,ähnelt eher dem heidnischen Kanaan: Hier suchen die letzten Menschen inTanz- und Sexorgien ihr Heil. Und Neo verhilft sein neues Wissen zu wenigmehr als zu Superkräften und einem coolen Mantel. Im ersten Teil wurde ererfolgreich de-programmiert. Im zweiten Teil merken wir, dass die Festplatteleer ist. Im christlichen Glauben liegt das Heil in der Erlösung. In den"Matrix"-Filmen liegt es, ähnlich wie im Buddhismus, in der richtigenErkenntnis. Es gibt keine Transzendenz. Der Sinn des Lebens besteht einfachdarin, wach zu bleiben. Bei "Matrix Reloaded" fällt das manchmal schwer.

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