Gründen Sie doch eine Kita!

16. Juli 2015 in Familie


In Deutschland fehlen knapp 185.000 Plätze bei den Kitas. Für Christen ist diese Entwicklung eine Chance: Nie hatten sie so gute Möglichkeiten, eine christliche Kita zu gründen, wie heute. Wie geht man dabei vor? - Von Klaus Rösler / Idea


München (kath.net/idea.de)
Fast jedes dritte Kind unter drei Jahren in Deutschland – rund 660.000 – besucht eine Kindertagesstätte (Kita). Insgesamt werden etwa 2,6 Millionen Kinder bis zu sechs Jahren in einer der über 53.000 Kitas betreut. Dass sich jemand um ihren Nachwuchs unter drei Jahren kümmert, darauf haben Eltern seit dem 1. August 2013 einen Rechtsanspruch. Doch es fehlen noch knapp 185.000 Plätze, räumt Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) ein. Für Christen ist diese Entwicklung eine Chance: Nie hatten sie so gute Möglichkeiten, eine christliche Kita zu gründen, wie heute. Wie man dabei vorgeht, hat idea-Redakteur Klaus Rösler untersucht.

„Gott zu kennen, das ist doch unser größter Schatz. Deshalb wollen wir ihn bekanntmachen“, sagt Waltraud Dachwitz. Sie hat 2008 zusammen mit Freunden die Kita „Die Arche“ in Langenhagen-Nord bei Hannover mit 70 Plätzen gegründet. Schon im Jahr 2000 hatten dort Eltern einen christlichen Spielkreis organisiert. An drei Tagen in der Woche kümmerten sie sich jeweils drei Stunden lang in den Räumen der Evangelisch-lutherischen Elia-Kirchengemeinde um Kleinkinder. 2005 kam ein zweiter Kreis hinzu. Die Resonanz war so positiv, dass die Idee aufkam: Lasst uns doch eine Kindertagesstätte ins Leben rufen! Ein Initiativkreis kaufte ein ehemaliges Sparkassengebäude und baute es weithin in Eigenleistung um. 2011 kam eine Kinderkrippe für Kleinkinder ab einem Jahr hinzu.
Am Anfang gab es Ärger – dann ging es schnell Anfangs lief es freilich nicht ohne Ärger ab: Die Stadt Langenhagen wollte die „Arche“ trotz einer Betriebserlaubnis durch das Niedersächsische Kultusministerium nicht in ihren Förderplan aufnehmen. Es gab also kein Geld. Zur Begründung hieß es: Es gebe bereits ausreichend viele Kindergartenplätze in der Stadt. Das sah der Trägerverein anders und klagte dagegen vor dem Verwaltungsgericht Hannover. Er bekam recht (AZ.: 3 A 5612/08). Das Gericht würdigte dabei besonders das christlich-religiöse Erziehungskonzept, weil es sich von anderen Angeboten im Ort unterscheide. Die Stadt sei verpflichtet, „unterschiedliche Wertorientierungen und eine Vielfalt zu Inhalten, Methoden und Arbeitsformen zu gewährleisten“, befand das Gericht.

Je christlicher das Konzept, desto besser

Das Urteil ist nach Angaben von Fachleuten eine Steilvorlage für neue Kita-Gründungen geworden. Je deutlicher das christliche Profil herausgestellt wird, umso größer ist die Chance, dass eine neue Kita öffentlich gefördert werden muss. Dazu heißt es im Konzept des Trägervereins in Langenhagen: „Die christliche Erziehung ist eine Lebenseinstellung, die alle Bereiche durchdringt. Der Glaube an den Schöpfer der Welt, der jeden Menschen bedingungslos liebt und annimmt, und an Jesus Christus, der die Kinder segnet, schafft eine veränderte Lebensperspektive, die den Kindern Halt und Orientierung geben kann.“ „Das setzen wir täglich im Miteinander um“, erläutert die Leiterin. So gibt etwa das Kirchenjahr den Rahmen für die Angebote im Alltag vor. Die Mitarbeiterinnen beginnen jeden Tag mit Andacht und gemeinsamem Gebet. „Die Kinder bekommen den christlichen Glauben vorgelebt“, so Dachwitz.

Es gibt Tischgebete, Lieder über Gott und biblische Geschichten, die auch schon mal mit Lego-Figuren oder in einem Theaterstück nachgespielt werden. So lernen die Kinder Gott kennen. Dachwitz: „Nur wenige Kinder kommen aus bewusst christlichen Familien.“ Auch muslimische und atheistische Eltern nutzten die Kita. Die Nachfrage sei viel größer als das Angebot: „Wenn dann bei den Familien das Interesse am christlichen Glauben geweckt wird, vermitteln wir den Kontakt zu einer Kirchengemeinde.“

Den Kindern den Einstieg in die Schule erleichtern

Ganz anders lief eine Gründung im lippischen Detmold: Vor drei Jahren hat dort dieAugust-Hermann-Francke-Kita ihren Betrieb aufgenommen. Zwölf Mitarbeiterinnen betreuen 48 Kinder. Träger ist der Christliche Schulverein Lippe, der in Detmold und Lemgo bereits zwei Grundschulen, eine Hauptschule, eine Gesamtschule sowie ein Gymnasium mit über 2.300 Schülern betreut. Zwei Trends hätten die Kita notwendig gemacht, erläutert der Geschäftsführer des Trägervereins, Peter Dück (Detmold). Zum einen hätten die Eltern von Schülern sich eine christliche Kita gewünscht, um ihren Schützlingen den Übergang zur Schule zu erleichtern, zum anderen beginne für viele Eltern Bildung heute schon im Vorschulalter.

Als der Trägerverein gegründet wurde, sei im Kindergarten vor allem gespielt worden; heute gehe es darüber hinaus um Sprachentwicklung, Sozialkompetenz und Wissen. Der Trägerverein sah sich in den USA und in Kanada nach Konzepten um und entwickelte dann ein eigenes unter dem Motto „Leben lernen – Gott vertrauen“.

Die Gründung einer Kita ist ein Kinderspiel

Dück empfiehlt, dass heute jede Grundschule eine eigene Kita haben sollte. Wer Erfahrungen mit der Gründung einer freien christlichen Schule gemacht hat, für den ist – so Dück – die Gründung einer Kita ein Kinderspiel. Wichtig sei vor allem, dass das Jugendamt seine Zustimmung gebe. Am einfachsten sei eine Kita-Gründung dann, wenn vor Ort Plätze fehlten – was häufig der Fall sei. So konnte der Detmolder Schulverein die Gründung einer Kindertagesstätte im nahen Schloss Holte-Stukenbrock unterstützen.

Dort suchte die Gemeindeverwaltung händeringend nach einem Träger. Nach Worten Dücks ist es grundsätzlich sinnvoll, sich mit anderen zu vernetzen, die Erfahrungen haben. So müsse man wissen, dass das Land Nordrhein-Westfalen pauschal 91 Prozent aller Kosten für den Betrieb einer Kita übernimmt. In Detmold trage die Stadt darüber hinaus sogar die restlichen neun Prozent. Dafür bezahlen die Eltern die Kita-Gebühren dann auch direkt an die Stadtverwaltung.

Einzelkämpfer haben aber keine Chance

Zur Vernetzung rät auch Martin Beckord, der Geschäftsführende Vorstand des Vereins „Hilfe zum Leben“ (Siegen). Der Verein gehört mit zu den ältesten evangelikalen Trägern eines Kindergartens in Deutschland. Er wurde 1963 von der Evangelisch-Freikirchlichen Brüdergemeinde Siegen-Weststraße gegründet. Er betreibt heute die drei Kindergärten „Arche Noah“, „Regenbogen“ und „Himmelszelt“ in der südwestfälischen Großstadt sowie drei weitere Betreuungsangebote mit insgesamt 230 Kindern und 70 Mitarbeitern.

Beckord gibt freilich zu bedenken, dass Idealismus allein nicht ausreicht: „Ohne Fachkenntnisse geht es nicht.“ Sein Verein hat mit seinen Erfahrungen auch die Gründung von christlichen Kitas in Hückeswagen, Gummersbach und Lüttringhausen unterstützt. Der Einsatz lohnt sich – so Beckord – gerade für eine christliche Gemeinde: „Viele Kinder aus dem Kindergarten besuchen später die Gruppenangebote einer Gemeinde.“ Auch die Eltern begegneten den Christen mit Wertschätzung: „Sogar Muslime melden ihre Kinder bei uns an, weil sie unsere werteorientierte Erziehung gut finden.“ Viermal im Jahr bietet der Trägerverein zusammen mit der Gemeinde Familiengottesdienste an, die gut besucht werden.

Was für eine große Chance für Christen!

Dass es sich lohnt, sich für die Gründung einer christlichen Kita zu engagieren, davon ist auch Prof. Wolfgang Stock überzeugt, Geschäftsführer vom „Christburg Campus“ (früher: Freie Evangelische Schulen Berlin) und ehrenamtlicher Geschäftsführer der Christlichen Kindertagesstätte Woltersdorf (Brandenburg). Er gilt als Fachmann für Kita-Gründungen und verantwortet die Internet-Seite „kita-gruenden.de“ – in Zusammenarbeit mit dem Verband Evangelischer Bekenntnisschulen (VEBS).

„Wann lassen sich Menschen besser ansprechen als dann, wenn sie kleine Kinder haben?“ Stock räumt ein, dass es einfacher sei, eine christliche Kita in einer Großstadt zu gründen als auf dem Land. Denn der Bedarf sei in den Großstädten einfach größer. Die Förderung von Bundesland zu Bundesland ist – so Stock – unterschiedlich. Hier gilt es, sich zu informieren. Dass der Bedarf riesig ist, zeige sich etwa in Berlin. Dort fehlen offiziellen Angaben zufolge 20.000 Plätze. Jährlich würden aber nur 500 geschaffen. Stock: „Was für eine Chance für Christen!“ Wie geht man am besten vor? Stock hat einen 10-Punkte-Plan entwickelt.

10-Punkte-Plan: So gründe ich eine Kita

1. Zunächst ist es wichtig, den Bedarf zu ermitteln. Wenn es noch nicht genügend Plätze vor Ort gibt, ist jede Kommune für die Gründung einer Kintertagesstätte dankbar. (Gibt es bereits ausreichend Plätze, heißt das aber nicht, dass das Projekt gescheitert wäre. Siehe das Gerichtsurteil am Beispiel Langenhagen zu Beginn dieses Beitrages.)

2. Im nächsten Schritt muss ein Gründungsteam gewonnen werden. Dabei ist es sinnvoll, vorab schon mit einer Krabbelgruppe oder einem Mutter-Kind-Kreis zu starten. Damit gewinnt man Mitstreiter, und das Projekt wird nicht am grünen Tisch entwickelt.

3. Den Mitgliedern des Initiativkreises wird empfohlen, ein Kita-Gründungsseminar zu besuchen, wie es etwa der Verband Evangelischer Bekenntnisschulen anbietet.

4. Das pädagogische Konzept sollte sich deutlich von dem bereits bestehender Kitas unterscheiden. Das „Besondere“ – etwa das geistliche Angebot – muss dabei herausgestellt werden. Nach § 5 des Sozialgesetzbuches VIII muss eine Kommune eine solche Initiative finanziell fördern, wenn sie anders ist als vorhandene Einrichtungen. Stock: „Bleiben Sie gegenüber den Behörden hartnäckig. Sie haben ein gesetzlich verbrieftes Recht, die Art bzw. Prägung der Betreuung Ihrer Kinder frei zu bestimmen.“

5. Anschließend muss aus dem Gründungsteam ein rechtlicher Träger werden. Dabei ist es sinnvoll, einen Verein zu gründen. Das ist besser, als dass eine Kirchengemeinde selbst die Initiative ergreift. Stock: „Eine Elterninitiative wird vom Staat im Gegensatz zur Kirchengemeinde mit dem Höchstsatz bezuschusst.“

6. Im nächsten Schritt vernetzt sich der neue Trägerverein mit der Kommunalpolitik und der kommunalen Verwaltung. Der Tipp von Stock: „Geben Sie sich von vornherein als Partner. Nicht dreist fordernd, aber auch nicht unterwürfig bittend, also gleichberechtigt. Sie wollen ein gemeinsames Ziel verfolgen: mehr gute Kita-Plätze!“

7. Ein Finanzkonzept muss erstellt werden.

8. Ein Gebäude muss gesucht werden. Entweder wird ein bereits bestehendes zur Kita umgebaut oder ein Neubau errichtet.

9. Mitarbeiter werden gesucht und eingestellt.

10. Der Trägerverein schließt die Verträge mit den Eltern, die ihre Kinder in der neuen Kita betreuen lassen wollen. Stock abschließend: „Haben Sie Mut – gründen Sie eine Kindertagesstätte – es könnte nach Ihrem Ja zu Ihrem Kind die wichtigste Entscheidung Ihres Lebens sein!“


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