‚Ehe für alle’ oder Zerstörung der Ehe?

18. Juni 2015 in Kommentar


Vor etwa 20 Jahren galt die Ehe als Auslaufmodell. Bis die Schwulenlobby auf die Idee kam, über die Homo-‚Ehe’ die gesellschaftliche Akzeptanz der Homosexualität durchzusetzen. Ein kath.net-Kommentar von Johannes Graf


Linz (kath.net/jg)
Noch vor fünfzehn bis zwanzig Jahren galt die Ehe unter links und progressiv denkenden Menschen als Auslaufmodell. Heiraten, das war etwas für Langweiler und Spießer und wer die Vorteile einer stabilen Ehe und Familie lobte galt in fortschrittlichen Diskussionsrunden als einem längst überholten Klischee verfallen.

Das änderte sich, als die Schwulen-Lobby die Ehe als Weg entdeckte, um die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexualität durchzusetzen. Wenn es gelingen würde, Homosexuelle „heiraten“ zu lassen könnte niemand mehr Homosexualität als abnormal bezeichnen, ohne sich einen erheblichen Erklärungsbedarf einzuhandeln. Wäre erst eine Institution für Schwule und Lesben geöffnet, die gerne als „Keimzelle der Gesellschaft“ bezeichnet wird und weltweit einen besonderen Schutz genießt, wäre die „Heteronormativität“ endlich überwunden.

Die Forderung nach der Homo-„Ehe“ hat zwei Voraussetzungen, die zu diesem Zeitpunkt bereits erfüllt waren. Die erste ist die Trennung von Sexualität und Fortpflanzung. Diese war durch die Verbreitung von Verhütungsmitteln seit den 60-er Jahren und die Legalisierung beziehungsweise Straffreistellung der Abtreibung in der folgenden Dekade des 20. Jahrhunderts weitgehend erreicht. Erst wenn es weitgehend gesellschaftlich akzeptiert ist, den heterosexuellen Geschlechtsakt so zu manipulieren, dass die Weitergabe des Lebens ausgeschlossen ist, kann der homosexuelle Geschlechtsakt diesem gleichgesetzt werden.

Die zweite Voraussetzung ist die Streichung der Homosexualität aus der Liste der psychischen Störungen. Dies ist ebenfalls in den 1970-er Jahren geschehen, nachdem im Jahrzehnt davor homosexuelle Akte in den meisten westlichen Ländern aus dem Strafgesetz gestrichen worden sind.

Als sich die Krankheit AIDS in den 80-er Jahren des letzten Jahrhunderts ausgebreitet hat, konnten sich Homosexuelle als „gefährdete Minderheit“ ins öffentliche Bewusstsein bringen. Ein weiterer Effekt der Krankheit waren Kampagnen zur Verbreitung von Kondomen, um die Ausbreitung von AIDS und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten einzubremsen, die nach Jahrzehnten des Rückganges durch die verstärkte Promiskuität wieder im Ansteigen begriffen waren. Ich will mit diesen Gedanken die Leiden der an AIDS erkrankten Menschen weder ignorieren noch verniedlichen, sondern nur auf gesellschaftliche Entwicklungen hinweisen, die im Zuge der Ausbreitung der Krankheit zu beobachten sind.

In den letzten Jahren wurde in vielen westlichen Ländern eine Art „Ehe-light“ für Homosexuelle eingeführt, meist „eingetragene Partnerschaft“ genannt. Dies geschah häufig mit Zustimmung der bürgerlichen Parteien, für die ein solcher Schritt noch wenige Jahre vorher undenkbar gewesen wäre. In einigen Ländern wurde die zivilrechtliche Ehe für Homosexuelle geöffnet.

Alles andere als eine weitere Angleichung der eingetragenen Partnerschaft an die Ehe wäre eine Überraschung. Einerseits gibt es starken Druck von Seiten der Schwulenverbände zu einer vollständigen Angleichung. Andererseits ist es heute tatsächlich für viele Politiker schwer zu verstehen, warum Homosexuelle nicht heiraten sollten.

Die Debatte um die Öffnung der Ehe für Homosexuelle hat allerdings Konsequenzen, die bis jetzt noch kaum angesprochen wurden. Wenn man Homosexuelle „heiraten“ lässt, warum sollte man nicht die Vielehe zulassen? Wenn der Konsens zwischen Erwachsenen, auf Dauer eine meist nebulos definierte „Verantwortung“ für einander und eventuell vorhandene Kinder zu übernehmen die einzige Voraussetzung für die Ehe ist, warum sollte man die Forderung der linken Parteien in Deutschland nach der „Ehe für alle“ nicht wörtlich nehmen? Warum sollten Geschwister nicht heiraten dürfen? Warum sollte ein Mann nicht mehrere Frauen oder eine Frau nicht mehrere Männer haben, wenn alle einverstanden sind? Oder warum sollen nicht einige Männer und Frauen in einem polyamourösen Verhältnis „heiraten“ dürfen? Warum sollten Angehörige dieser Minderheiten „diskriminiert“ werden, indem sie von der Ehe ausgeschlossen bleiben, wenn sie für Homosexuelle möglich ist?

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kamp-Karrenbauer hat Anfang Juni viel Spott und Häme über sich ergehen lassen müssen, als sie diese Konsequenzen angesprochen hat. Sachliche Argumente waren in dem üblichen Empörungs- und Betroffenheitsritual, das heute vor allem über die sozialen Medien abläuft, nicht zu hören.

Die Ehe ist eine vom Staat privilegierte Institution mit besonderen Regelungen im Erbrecht, Steuerrecht, Mietrecht, in der Sozialversicherung und weiteren Rechtsbereichen. „Ehe für alle“ bedeutet dann auch „Privilegien für alle“ (übrigens ein linker Slogan aus früheren Jahrzehnten) – und damit für niemand mehr. Jeder, der bestimmte Vorteile für jemand anderen erwerben will, kann die Person zu diesem Zweck „heiraten“. Wer würde es wagen, eine Scheinehe von Angehörigen einer Minderheit aufzudecken?

Die „Ehe für alle“ führt damit den eigentlichen Zweck der Ehe ad absurdum. Die Ehe hat von Seiten des Staates bestimmte Privilegien bekommen, um Familien eine rechtliche und finanzielle Absicherung und damit Stabilität zu ermöglichen. Eine Ausweitung der Ehe auf alle könnte massive Auswirkungen auf bestehende Rechtsverhältnisse haben. Wie will man damit umgehen? Am Ende könnte die „Ehe für alle“ ein wirksamer Weg zur Zerstörung der Ehe sein.


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