Christliche Flüchtlinge aus Eritrea vom IS bedroht

9. Juni 2015 in Weltkirche


Fluchtrouten nach Europa führen durch gefährliche Territorien. Auf ihrer Flucht Richtung Europa werden eriträische Christen oft von Islamisten oder Kriminellen ausgeraubt oder ermordet. Von Franz Morawitz


Wien/London (kath.net/KNA) Die Fluchtwelle aus Eritrea ist in den vergangenen Wochen dramatisch angewachsen. Am Sonntag griff ein Rettungsschiff der maltesischen Marine 372 Menschen auf: 184 Männer, 126 Frauen, 62 Kinder, die in Seenot geraten waren, und brachte sie laut Medienberichten in den sizilianischen Hafen Augusta. Viele eritreische Flüchtlinge sind Christen: Auf der Flucht werden sie häufig von islamistischen Fanatikern oder Kriminellen ausgeraubt oder ermordet.

Die Rettungsaktion reiht sich ein in einen massiven Flüchtlingsansturm, der sich an diesem Sonntag in Sizilien ereignete: Insgesamt kamen dort 3.480 Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten an, wie die italienische Küstenwache mitteilte. Eritrea mit seiner starken christlichen Bevölkerungsgruppe - teils Orthodoxe und teils Katholiken bzw. Protestanten, wird zur Gruppe der sogenannten Gescheiterten Staaten gerechnet.

Die Fluchtrouten der Eritreer Richtung Europa führen auch durch Territorien der Islamisten: im Sudan, auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel oder in Libyen. Vergangene Woche wurden 95 junge eritreische Migranten von IS-Terroristen auf dem Weg zur Mittelmeerküste überfallen. Nur wer das islamische Glaubensbekenntnis, die Schahada, rezitieren konnte, wurde wieder freigelassen.

Die eritreische Gemeinschaft in der EU ist deshalb in großer Sorge über das Schicksal der letztlich 86 Verschleppten. Es wird befürchtet, dass sie ebenso ermordet werden könnten wie 28 äthiopisch-orthodoxe Christen im April und 21 koptisch-orthodoxe Christen im Februar. Auch diese Bluttaten waren auf das Konto des «Islamischen Staates» gegangen.

Die Nachricht über die Entführung der 86 Eritreer wurde von Meron Estefanos verbreitet, einer schwedisch-eritreischen Journalistin und Menschenrechtsaktivistin, die auch die Flüchtlingsorganisation «Eritrean Initiative on Refugee Rights» leitet. Estefanos ist durch ihre Reportagen von der Sinai-Halbinsel, wo Beduinen eritreische Flüchtlinge in geheimen Lagern festhalten, um Geld zu erpressen, sowie über die Lage der eritreischen Flüchtlinge in Israel weltweit bekanntgeworden.

Laut ihrem Bericht waren insgesamt 95 junge Eritreer in Fahrzeugen von Schleppern zur libyschen Küste unterwegs gewesen. Die IS-Terroristen stoppten sie und stellten den Eritreern Fragen darüber, wie sie beten und ob sie aus dem Koran zitieren könnten. Neun Eritreer, die in islamisch geprägten Nachbarschaften aufgewachsen waren, konnten die Schahada, das islamische Glaubensbekenntnis, rezitieren und wurden freigelassen, die anderen wurden verschleppt.

Meron Estefanos berichtete weiter, die vielen christlichen eritreischen Migranten seien auf ihrem Fluchtweg durch islamisch dominierte Länder wie Sudan und Libyen ständig Benachteiligungen und Diskriminierungen ausgesetzt: «Besonders gefährlich ist es im Ramadan. Die eritreischen Christen werden gezwungen, wie Muslime tagsüber zu fasten; niemand gibt ihnen zu essen oder zu trinken. Und am Abend, wenn für die Muslime die Zeit der großen Festessen beginnt, werden sie erst recht benachteiligt und bekommen weniger, weil sie keine Muslime sind.»

Viele afrikanische Flüchtlinge und Migranten kommen aus der kleinen Republik Eritrea am Roten Meer. Die frühere osmanische und italienische Kolonie (bis 1941) war über Jahrzehnte ein Teil Äthiopiens. Erst ein lang andauernder Sezessionskrieg (1961-1991) brachte dem Land die staatliche Unabhängigkeit.

Von den rund 6,5 Millionen Einwohnern sind mehr als 50 Prozent Christen. Die meisten gehören der eritreisch-orthodoxen Kirche an; es gibt aber auch nicht wenige Katholiken und Lutheraner. Die übrigen sind Muslime. Neben wirtschaftlichen Motiven wird die unbeschränkte Dauer der Militärdienstzeit als ein Hauptgrund für die Fluchtbewegung aus Eritrea genannt.

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