Slenczka AT-Kritik hat im christlich-jüdischen Dialog 'viel zerstört'

6. Juni 2015 in Chronik


Evangelischer Landesbischof Meister hat Äußerungen des Theologieprofessors Notger Slenczka zur Bedeutung des Alten Testaments heftig kritisiert. Slenczka behauptet, das AT dürfe nicht zum biblischen Kanon gehören


Stuttgart (kath.net/idea) Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat Äußerungen des Berliner Theologieprofessors Notger Slenczka zur Bedeutung des Alten Testaments heftig kritisiert. Slenczka behauptet, es habe den gleichen Status wie die Apokryphen (außerbiblische Schriften) der Lutherbibel und dürfe somit nicht zum biblischen Kanon gehören. Er hat damit laut Meister im jüdisch-christlichen Dialog „unglaublich viel zerstört“. „Er hat nicht nur ein Glas vom Tisch gestoßen, sondern gleich das ganze Tischtuch weggerissen“, sagte Meister in einer Veranstaltung zur Zukunft des jüdisch-christlichen Dialogs. Der christliche Glaube müsse sich an den Texten der ganzen Bibel festmachen. Meister beklagte zugleich, dass man bei diesem Dialog auch nach 50 Jahren immer noch am Anfang stehe: „Wir hören in unserem Gemeinden immer wieder das gleiche.“ Ein Beispiel dafür gab der Rabbiner Julian Chaim Soussan (Frankfurt am Main). So werde von Christen oft vorgebracht, dass der Gott des Alten Testaments gewalttätig sei, aber der des Neuen Testaments friedlich. Dafür werde auf Bibelverse wie „Auge um Auge, Zahn und Zahn“ hingewiesen. Doch dieser Vers beschreibe keine Haltung Gottes, es gehe vielmehr um ein Regelwerk für Menschen in Rechtsstreitigkeiten.

Beschneidung ist keine Äußerlichkeit

Meister und Sousson würdigten das Miteinander von Juden und Christen in der Debatte um die religiöse Beschneidung im Jahr 2012. Das Kölner Landgericht hatte die Beschneidung eines muslimischen Jungen als rechtswidrige Körperverletzung eingestuft. Dies löste eine heftige öffentliche Debatte aus. Schließlich erließ der Deutsche Bundestag ein Gesetz, das Juden und Muslimen die Beschneidung erlaubt, wenn die Regeln der ärztlichen Kunst eingehalten werden.

Die Kirchen hätten sich sofort auf die Seite der Juden gestellt, so Meister und Soussan. „Die Beschneidung ist keine Äußerlichkeit, sondern ein Identitätsmerkmal“, sagte der Landesbischof Meister. Er beklagte, dass in einer säkularisierten Gesellschaft Glaubensüberzeugungen immer stärker ausgegrenzt würden. Meister rechnet damit, dass dieser Trend künftig noch zunehmen werde. Umso wichtiger sei es, dass Christen und Juden zusammenstehen und gemeinsam atheistischen Überzeugungen widersprächen.

Judentum – eine Religion mit Mission, die aber nicht missioniert

Soussan wandte sich gegen überzogene Erwartungen an den jüdisch-christlichen Dialog: „Unsere Personaldecke ist sehr dünn.“ Er selbst und andere Juden in Deutschland könnten längst nicht alle Anfragen zu Vorträgen und Gesprächsrunden annehmen. Er beschrieb das Judentum als Religion mit Mission, die aber nicht missioniere: „Alle Völker der Welt müssen die Einzigartigkeit Gottes akzeptieren.“ Dazu gehöre es auch, ein ethisch vorbildliches Leben zu führen – ohne Mord, Inzest und Blasphemie.


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