Deutungshoheit über Kirche und Geschichte

26. Mai 2015 in Kommentar


Wenn Geistliche unwidersprochen kirchenkritische Deutungen in den Raum stellen, stünde es diesen „geistlichen Herren“ „gut an, sich zu informieren und nachzudenken“. kath.net-Klartext von Bischof Andreas Laun


Salzburg (kath.net) Ort der Handlung: Eine freundliche Runde katholischer Geistlicher. Im Laufe des Gesprächs erwiesen sich bestimmte Teilnehmer als diejenigen, die unwidersprochen kirchenkritische Deutungen in den Raum stellten – Deutungen, die wirklich nicht stehen bleiben dürften:

1. Erst seit dem Konzil wissen wir, dass Gott das Heil aller Menschen will.

Ich war sprachlos, denn das glaubte und wusste ich schon als Kind, also längst vor dem Konzil, und zwar auf Grund dessen, was ich von meinen Eltern hörte und was der Religionslehrer uns ab der Volksschule schon gesagt hatte. Zudem steht es doch immer schon in der hl. Schrift, zum Beispiel dort, wo das Pfingstereignis erzählt wird! Und beten wir nicht seit Fatima nach jedem Gesetz des Rosenkranzes: „…und führe alle Seelen in den Himmel, vor allem jene, die Deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen!“? Also „alle“, nicht nur die Getauften! Später studierte ich noch Theologie und fand dieses katholische, biblisch leicht nachzuweisende Basiswissen reichlich bestätigt. Dass es auch das Konzil ansprach, ist selbstverständlich.

2. Dann sagte einer der geistlichen Herren: „Die Nazi-Disziplin eines absoluten Gehorsams ging nahtlos über in die Gehorsamspraxis unserer kirchlichen Internate und wohl auch Ordens-Häuser.“ Da ich selbst ein Gehorsamsgelübde beim Ablegen meiner Ordens-Profess abgelegt habe und mich sehr intensiv mit dem katholischen Gehorsams-Begriff auseinandergesetzt habe, musste ich auch in diesem Fall widersprechen: Welten liegen zwischen dem „blinden Bluthund-Gehorsam“ der National-Sozialisten und anderer Diktaturen und dem „blinden Gehorsam“ oder gar dem „Kadavergehorsam“ (hl. Franziskus!), von dem in der Kirche gesprochen wurde und heute wegen den Missverständnissen nicht mehr wird!

Aber der Kirche auch in diesem Punkt eine Art Nazi-Vergangenheit zu unterstellen, ist eine Unterstellung, die sprachlos macht! Diesen geistlichen Herren stünde es gut an, sich zu informieren und nachzudenken, wie und warum sich der Ungehorsam in der Kirche heute wie ein Flächenbrand ausgebreitet hat! Denn dass Gehorsam, richtig und biblisch verstanden, eine Tugend ist, können nur Anarchisten leugnen! Und: Haben sie vergessen, dass Christus selbst „gehorsam wurde bis zum Tod am Kreuz“?

3. Auch bezüglich historischer, „moralischer Wertungen“ gibt es Leute, die sich eine ideologisch gesteuerte „Deutungshoheit“ aneignen, die die Geschichte einfach umdrehen und damit erstaunlichen Erfolg haben, auch in kirchlichen Kreisen: Denn in der genannten Runde meinte einer der Herren nebenbei: Es sei ein Verdienst eines der Sozialisten-Kanzler gewesen, endlich zugegeben zu haben, dass Österreich nicht Opfer der Nationalsozialisten war, sondern Mittäter! Endlich habe Österreich dies „zugegeben“ und entziehe sich nicht länger dieser „Verantwortung“.

4. Dagegen ist zu sagen: Wie kommt ein gerechtes Urteil über ein ganzes Volk zustande? Wenn z.B. jedes Land „Mittäter“ der Nazi-Herrschaft war, weil es in ihm Nazis gab, gäbe es fast überhaupt kein europäisches Land, das nicht seine Mitschuld bekennen müsste! Welche Anzahl von „Nazis“ würde dann das negative Urteil angemessen begründen? Die Frage ist: Wer repräsentiert das zu beurteilende Land: Die Zahl der Illegalen Nazis oder die Regierung? Waren, auf Österreich bezogen, die „illegalen Nazis“, die zum Teil im Gefängnis saßen, die „wahren Österreicher“, oder nicht doch jene Mehrheit, die hinter einer christlich-sozialen Regierung standen, die alles tat, um Österreich vor dem Nationalsozialismus zu bewahren? Historisch eindeutig ist: Hitler schickte seine Panzer und besetzte Österreich, weil er wusste, dass er die geplante Volksabstimmung über einen „Anschluss“ verlieren würde. Ja, es stimmt, als er selbst dann hinter seinen Panzern nach Wien kam, jubelten viele, aber die Tränen jener Tausenden, die sofort verhaftet worden waren, sah man nicht mehr und dass die Nazis es verstanden, einen Auftritt zu ihren Gunsten in Szene zu setzen das weiß man! Wahr ist, dass es viele Nazis in Österreich gab und jeder war einer zu viel. Wahr ist aber auch: Ein moralisches Urteil über ein ganzes Land und Volk ist an seiner legitimen Regierung zu messen und nicht an jenen nationalsozialistischen Gesetzesbrechern, die sogar den österreichischen Bundeskanzler ermordet hatten.

Und unseren lieben sozialistischen Mitbürgern möchte ich ins Ohr flüstern: „Wäret ihr auch so eifrig und demütig, die Mitschuld Österreichs zu behaupten auf Kosten anderer, wenn es damals eine sozialistische Regierung gegeben hätte, als Hitler einmarschierte? Oder würdet ihr nicht vielmehr – und sogar zu Recht – an die moralische Größe und Tapferkeit dieser sozialistischen Regierung erinnern, sich gegen Hitler gewehrt zu haben, solange es eben ging? Und darf ich auch noch hinzufügen, was mir ein prominenter Vertreter eurer politischen Einstellung einmal gesagt hat: Nach dem Einmarsch Hitler sind viele, auch unsere Leute In Scharen umgekippt, aus scheinbar braven Christen und aus braven Sozialisten wurden brave Nationalsozialisten. Nur“, sagte mein Gesprächspartner, „die erste Generation, also die Alten, sind weitgehend Gegner der Nazis geblieben!“

Auf Grund der Fakten komme ich zu dem Ergebnis: Bei jeder Gelegenheit zu leugnen, dass Österreich nicht Opfer der Aggression gewesen, sondern Mittäter, ist eine unsachliche Umdeutung der Geschichte auf Grund von Motiven der politischen Korrektheit. Dies muss man sagen und sagen dürfen, auch wenn wahr bleibt: Viele Österreicher „taten mit“ und viele von ihnen taten dies sogar in führender Stellung. Aber die Fakten, die für Österreich sprechen, anzuerkennen ist etwas anderes als die Mittäterschaft vieler zu leugnen!

Viel wichtiger wäre es übrigens, nicht nur über die Vergangenheit nachzudenken, sondern auch über Gegenwart und Zukunft und darum Antworten auf zwei Fragen zu finden: Wo und wie hat die Ideologie der Nazis überlebt? Aber auch: Wo und wie hat die nicht minder bösartige Ideologie des atheistischen Sozialismus überlebt?

Auf beide Fragen kann man antworten: Zum Beispiel in der Rechtfertigung der Abtreibung, denn damit haben die Marxisten begonnen und die Nazis haben damit weitergemacht. Und jetzt wir!!

Der Vergangenheit gebührt Trauer und Scham, aber die Gegenwart und Zukunft sind unsere eigene Verantwortung! Über sie wird dann die nächste Generation befinden, hoffentlich differenzierter und sachlicher als die öffentliche Meinung von heute über ihre Vorfahren urteilt mit dem Unterton: „Wie böse die damals waren, wir hätten es ganz anders gemacht“. Vor Gottes Gericht sind Verweise auf „die Anderen“ ohnehin unnütz, da werden wir nur nach unserem Leben gefragt werden anderen! Und dabei hat die „Deutungshoheit“ nur noch ein Einziger: Gott!

kath.net-Buchtipp
Klartext III
Dialog mit dem Zeitgeist
Von Andreas Laun
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