Langsam wird mir bange

22. Mai 2015 in Kommentar


Psychologin riet in westfälischem Regionalblatt, Kinder nicht zur Homo-„Hochzeit“ mitzunehmen. Nach Shitstorm gibt Redaktion dem öffentlichen Druck der Anpassung nach. Wo bleiben Meinungs- und Pressefreiheit? Gastkommentar von Peter Winnemöller


Geseke (kath.net/katholon Blog) Mit der Kampfparole „Ich bin wohl homophob. Und das ist auch gut so“ polarisierte Matthias Matussek vor einigen Monaten in einem Essay in der Welt. Abgesehen von der Tatsache, dass knackige Formulierungen immer gut polarisieren, sind sie in der Regel zu grobkörnig für ein klares Bild. Dennoch kann die Polarisierung nötig sein, um einen Sachverhalt ins rechte Licht zu rücken. Die Homophobie, so die Grobthese von Matthias Matussek, hat den Antisemitismus als schlimmste ideologische Sünde abgelöst.

Eine These, die – so sollte man auf den ersten Blick denken – schlicht unhaltbar ist. Homosexuelle Männer und Frauen können in unserem Land Karriere machen, Partnerschaften eingehen, werden weder strafrechtlich verfolgt noch in irgendeiner Weise öffentlich zurückgesetzt. Der Popanz der Diskriminierung von Homosexuellen und sein fieser Bruder, der Popanz der Homophobie, sind also im Grunde nichts als Schattenbilder einer Lobby, die ihr politisches Spiel mit der persönlichen sexuellen Orientierung betreibt.

Wer sich also den öffentlichen Vorwurf der Homophobie zuzieht, ist in der veröffentlichten Meinung ein Vogelfreier, ein Geächteter unserer Tage und er darf beliebig von jedem Freien abgeschossen werden. Ein solcher Abschuss wird von Klaus Kelle hier nüchtern dokumentiert.

Eine Psychologin in der Rolle einer Briefkastentante einer ostwestfälischen Regionalzeitung rät einem Vater, seine kleinen Töchter nicht zu einer „Hochzeit” seines homosexuellen Bruders mitzunehmen. Der Vater legt seine Sorgen dar, dass die Kinder dadurch seelischen Schaden leiden könnten und die Ratgeberin stimmt ihm darin zu.

Folge dieser Veröffentlichung ist zunächst für Zeitung und letztendlich auch für die betroffene Psychologin ein enormer Shitstorm. Am Ende distanziert sich die Zeitung unter dem öffentlich gegen sie erhobenen Vorwurf der Homophobie von der Mitarbeiterin und erklärt, diese werde künftig für die Zeitung nicht mehr schreiben.

Wäre ich Abonnent dieser Zeitung, wäre das Abo jetzt beendet. Eine solche Zeitung brauche ich nicht. Das Einknicken der Verantwortlichen in der Redaktion vor dem öffentlichen Druck der Anpassung und political correctnes widert mich an. Diese Feigheit gegenüber öffentlichem Widerstand in einer Sache, die durchaus diskussionswürdig ist, ist dermaßen ekelig, dass ich mich weigern würde, der Redaktionsleitung überhaupt noch die Hand zu geben.

Zur erinnernden Vergewisserung: Der Artikel 5 Abs. 1 unseres Grundgesetzes lautet

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Im Shitstorm und dem Einknicken vor demselben wurde dieses Grundrecht schwer verletzt.

Geschieht die Verletzung von Grundrechten systematisch und/oder gar mit Billigung staatlicher Organe, so räumt das Grundgesetz in seinem Artikel 20 Abs. 4 ein besonders wichiges Recht ein:

Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Dieses Recht wird zur moralischen Pflicht für alle, die den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat nicht auf dem Altar einer Selbstanpassung und politischen Korrektheit geopfert sehen wollen.

Wenn nun schon der Rat einer Briefkastentante ausreicht, eine Zeitung unter öffentlichen Druck zu setzen, dann ist das mehr als nur bemerkenswert, dann ist das ein Alarmsignal, dass die Freiheit in unserem Land ernsthaft gefährdet wird. So langsam wird mir wirklich bange darum, denn es sind die, die die Freiheit der Gemeinschaft bedrohen, indem sie vorgeben, für die Freiheit ihrer Klientel zu streiten.


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