Sterbehilfe-Gesetzentwurf von Dörflinger und Sensburg ist zu begrüßen

20. Mai 2015 in Kommentar


"Dörflinger und Sensburg verweisen zu Recht darauf, dass eine Ausnahmeregelung für den durch Angehörige und Ärzte assistierten Suizid einen völlig neuartigen Erwartungs- und Entscheidungshorizont am Lebensende eröffnen würde." Von Prof. Axel W. Bauer


Mannheim (kath.net/pl) Die beiden Bundestagsabgeordneten Thomas Dörflinger und Patrick Sensburg haben einen Gesetzentwurf zum geplanten § 217 StGB vorgelegt, der sehr zu begrüßen ist. Durch diesen Entwurf sollen Anstiftung und Beihilfe zum Suizid ausnahmslos unter Strafe gestellt werden. Insbesondere soll es keine Ausnahmen und Privilegien für Angehörige und Ärzte geben.

Dörflinger und Sensburg verweisen zu Recht darauf, dass eine Ausnahmeregelung für den durch Angehörige und Ärzte assistierten Suizid einen völlig neuartigen Erwartungs- und Entscheidungshorizont am Lebensende eröffnen würde. Wenn lebenserhaltende Therapie und Tod als gleichwertige Alternativen gesehen würden, so würde der Patient, der sich für die Lebenserhaltung entschiede, den Angehörigen und der Gesellschaft gegenüber dafür begründungspflichtig. Mit seiner Entscheidung verursachte er in der Folge nämlich weitere Kosten für Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und belastete dadurch seine Familie. Das Leben wäre nur noch eine von zwei möglichen Alternativen, zwischen denen er entscheiden soll. Dieser Erwartungs- und Entscheidungshorizont eröffnet sich für den Betroffenen in einer gesundheitlichen Lage, in der er schwach und an der Grenze seiner Entscheidungsfähigkeit angelangt ist.

Man darf mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen, dass nunmehr endlich ein Gesetzentwurf zum § 217 StGB vorliegt, der eine tatsächliche Alternative zu jenen leichtfertigen, aber populären Vorschlägen darstellt, die zwar kommerzielle, geschäftsmäßige und organisierte Beihilfe zum Suizid ablehnen, die aber die in der Lebenswirklichkeit viel brisantere und gefährlichere Mitwirkung von Angehörigen und Ärzten strafrechtlich nicht sanktionieren möchten oder diese gar privilegieren wollen. Aus der politischen Debatte um ein Verbot der organisierten Mitwirkung am Suizid war im Lauf des letzten Jahres eine Diskussion um die gesetzlich geregelte Organisation der Beihilfe zur Selbsttötung geworden. Es ist gut, dass durch den von Dörflinger und Sensburg jetzt vorgelegten Gegenentwurf deutlich gemacht wird, worum es bei der Mitwirkung am Suizid eigentlich geht.

Angehörige sind gerade diejenigen Personen, denen man eine Beteiligung am Suizid eines ihnen nahestehenden Menschen am allerwenigsten erlauben darf. Nahe Angehörige sind immer auch emotional involviert, wenn es um die schwere Erkrankung eines Patienten oder einer Patientin geht. Fremdes Leid wird als eigenes Leid erlebt und erst dadurch manchmal unerträglich. Angehörige „leiden mit“, und so kann es zum für den Kranken „tödlichen Mitleid“ kommen. Durch die persönliche Nähe entstehen auch emotionale Verstrickungen, bei denen dann am Ende nicht mehr differenziert werden kann, ob der Sterbewunsch primär vom Kranken ausging, oder ob dieser sich den gefühlten Strebungen seiner Angehörigen subtil angepasst hat.

Die Mitwirkung von Ärzten am Suizid eines Patienten wiederum wäre ein bewusster standesrechtlicher Bruch mit jener seit 2400 Jahren gepflegten Tradition des Hippokratischen Eides, der jede Beteiligung an der Tötung oder Selbsttötung eines Patienten kategorisch ausschloss. Die Bundesärztekammer hat zwar im Jahre 2011 eine neue Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte erstellt. In § 16 der Musterberufsordnung wurde sogar ein ausdrückliches standesrechtliches Verbot der Suizidbeihilfe aufgenommen. Doch entfaltet diese Musterberufsordnung als solche keine Rechtskraft. Rechtsverbindlich sind nämlich nur die auf dieser Grundlage von den 17 Landesärztekammern verabschiedeten Berufsordnungen für die Ärzte des jeweiligen Bundeslandes. Und genau hier beginnt das Problem. Denn keineswegs geht die Stimmung in den Bezirks- und Landesärztekammern einhellig dahin, dass alle Ärzte der Meinung wären, Suizidbeihilfe gehöre nicht zu ihren Aufgaben. Vielmehr gibt es durchaus Bestrebungen, den Willen der Bundesärztekammer durch stille Opposition zu unterlaufen. Indem hier einerseits Strafrechtler auf das ärztliche Standesrecht und andererseits ärztliche Standesvertreter auf das staatliche Strafrecht verweisen, hat sich bei der ärztlichen Mitwirkung am Suizid eine Strafbarkeitslücke aufgetan, die sowohl in rechtlicher als auch in ethischer Hinsicht bedrückend ist. Der Gesetzentwurf von Dörflinger und Sensburg sorgt hier für dankenswerte Klarheit im Strafrecht.

Prof. Dr. med. Axel W. Bauer (Foto) ist der Leiter des Fachgebiets Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg

kath.net dankt Prof. Bauer für diese Stellungnahme.

Kein Tod auf Rezept - Warum Ärzte nicht töten sollen - Wichtiges Interview mit Prof. Axel W. Bauer


EWTN Reporter - Prof. Dr. med. Axel W. Bauer - Notausgang assistierter Suizid?




Foto Prof. Bauer © Axel Bauer


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