Wenn Theologie mit Gemeinde wenig zu tun hat

12. Mai 2015 in Kommentar


Evangelische Diskussion: Bilden die Theologischen Fakultäten eine abgekapselte Welt für sich? Von Sebastian Moll


Mainz (kath.net/idea) Manchmal offenbaren Worte mehr, als sie eigentlich wollten. So erging es auch dem Ratsvorsitzenden der EKD in der vergangenen Woche. Auf die von Professor Notger Slenczka angestoßene Diskussion um die Bedeutung des Alten Testaments angesprochen, stellte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm klar, dass die Einheit von Altem und Neuem Testament für ihn außer Frage stehe. So weit, so gut. Dann aber fügte er einen bemerkenswerten Kommentar hinzu. Er würdige zwar die akademische Diskussion, doch sollte ihm in der breiten Öffentlichkeit nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden. Damit hat er das Problem, vermutlich unbeabsichtigt, auf eine ganz neue Ebene gehoben. Der EKD-Ratsvorsitzende hat hiermit öffentlich angedeutet, dass unsere Theologischen Fakultäten eine abgekapselte Welt für sich bilden, die mit dem, was die christliche Gemeinde bewegt, im Grunde nichts zu tun hat. Das aber ist nichts anderes als eine Bankrotterklärung der akademischen Theologie. Denn wozu ist sie da, wenn nicht für die Gemeinschaft der Gläubigen?

Ob Jesus das bedacht hat?

Nun wird kaum jemand, der sich in unserer akademisch-theologischen Landschaft auskennt, den Befund des Bischofs bestreiten wollen. Anstatt sich mit der existenziellen Bedeutung der Worte Jesu zu beschäftigen, werden an unseren Fakultäten lieber riesige Wälzer und unzählige Artikel über die Frage verfasst, ob es sich bei den jeweiligen Worten Jesu tatsächlich um Gleichnisse handelt. Gott bewahre, am Ende handelt sich nämlich bei dem Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg gar nicht um ein Gleichnis, sondern um eine Parabel! Oder ist es vielleicht doch eher eine Beispielerzählung? Oder ein Bildwort? Oder eine Allegorie? Und wenn es eine Allegorie ist, haben wir es dann mit einer Allegorisierung oder mehr mit einer Allegorese zu tun? Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter beispielweise gehört laut offizieller Katalogisierung nicht in die Kategorie der Gleichnisse, sondern in die der Beispielerzählungen, da in ihm die „Konterdetermination“ fehlt. Ob Jesus das bei seiner Predigt bedacht hat?

Andere Arbeitsweisen oder andere Ausbildungsstätten!

Zwar kann man sich über derartige Szenerien köstlich amüsieren, aber die Sache wird überaus ernst, wenn man sich bewusst macht, dass sämtliche Pfarrer unserer Landeskirchen ihre Ausbildung an eben diesen Fakultäten erhalten haben. Was das für die Beziehung vieler Geistlicher zu ihren Gemeindegliedern bedeutet, dürfte klar sein. Bei nüchterner Betrachtung lässt dieser Zustand im Grunde nur zwei Konsequenzen zu: Entweder ändern die Fakultäten ihre Arbeitsweise oder die Landeskirchen wechseln ihre Ausbildungsstätten.

Der Autor, Sebastian Moll (Bingen), ist promovierter evangelischer Theologe. Der 34-Jährige arbeitete mehrere Jahre als Dozent an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Mainz. Derzeit wartet er dort auf den Ausgang seines Habilitationsverfahrens.

Foto: © Sebastian Moll (mit freundlicher Erlaubnis)


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