Atheisten kritisieren deutsches Kirchensteuersystem

6. März 2015 in Deutschland


Französischer Ingenieur lebt in Berlin und wurde offenbar aufgefordert, rückwirkend 550 Euro Kirchensteuer zu zahlen. Er argumentiert: Formelle Kirchenaustrittserklärung in Frankreich nicht üblich, deshalb könne er sie nicht vorlegen.


Berlin (kath.net/KNA) Atheisten- und Freidenkerverbände haben das System des deutschen Kirchensteuereinzugs und eine Mitarbeit der katholischen Kirche in Frankreich an diesem System scharf kritisiert. Carsten Frerk vom «Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten» warf den Berliner Behörden und den beiden großen Kirchen am Donnerstag vor Journalisten in der Bundeshauptstadt eine rechtswidrige «Rasterfahndung» nach Kirchenmitgliedern vor. Eine Rasterfahndung ist ein Verfahren zur vernetzten Durchsuchung von Datenbeständen, das in den 1970er Jahren bei der Terrorismusbekämpfung entwickelt wurde.

Claude Singer von der französischen «Federation Nationale de la Libre Pensee» rief die Bistümer seines Heimatlandes auf, sie sollten die persönlichen Daten von Getauften aus ihren Registern streichen, wenn die Betroffenen dies wünschten. Mit dieser Forderung war die Organisation jedoch vor französischen Gerichten gescheitert, wie Singer zugleich einräumte. Für die Betroffenen und kircheninterne Stellen seien die Taufvermerke weiter einzusehen.

Singer bezog sich auf den Fall eines französischen Ingenieurs, der in Berlin lebt und arbeitet. Nach eigenen Angaben erhielt er für die Zeit seiner Erwerbstätigkeit in Deutschland von der gemeinsamen Kirchensteuerstelle der Kirchen in Berlin die Aufforderung, rückwirkend 550 Euro Kirchensteuer zu zahlen. Der Ingenieur erklärte, er sei zwar nach der Geburt getauft worden, seit seiner Kindheit jedoch nicht kirchlich aktiv. Eine formelle Austrittserklärung aus der Kirche sei in Frankreich wegen der Trennung von Staat und Kirche nicht üblich und könne er deshalb nicht nachträglich vorlegen. Seine Nachforschungen hätten ergeben, dass das Bistum, in dem er getauft wurde, den Eintrag seiner Taufe in die kirchlichen Unterlagen der Berliner Kirchensteuerstelle auf Anfrage bestätigt habe.

Das Erzbistum Berlin wies auf Anfrage die Kritik zurück, dass in dem Fall gegen melderechtliche und datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen worden sei. Auch in Deutschland lebende Ausländer müssten Kirchensteuer zahlen, wenn sie katholisch und steuerpflichtig seien. Bei ungeklärten Sachverhalten, etwa bei widersprüchlichen Angaben zur Kirchenmitgliedschaft, beteiligten die Finanzämter die Kirchensteuerstellen. Diese hätten im Fall des Ingenieurs keine Hinweise auf einen - «auch nur formlosen» - Kirchenaustritt gehabt.

Die Kirchensteuer ist eine gesetzlich festgelegte Abgabe der Kirchenmitglieder, die je nach Bundesland acht oder neun Prozent der Lohn- und Einkommensteuer beträgt. Sie wird vom Finanzamt eingezogen und an die Kirchen weitergegeben; dafür erhält der Staat etwa drei Prozent des Steuereinkommens.

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