AfD-Politikerin von Storch: Weniger Staat heißt mehr Familie

25. Februar 2015 in Interview


Die EU-Abgeordnete Beatrix von Storch (AfD) bezieht im kath.net-Exklusivinterview Stellung zu aktuellen, teils hochumstrittenen Fragen unserer Gesellschaft. Von Michael Hageböck


Berlin (kath.net) Die EU-Abgeordnete Beatrix von Storch engagiert sich gegen Christenverfolgung, setzt sich für Familie und das Lebensrecht ein. Aber auch wirtschafts- und bildungspolitisch vertritt die Bürgerrechtlerin bemerkenswerte Standpunkte. Michael Hageböck interviewte die AfD-Politikerin exklusiv für kath.net.

kath.net: 2014 nahmen Sie am „Marsch für das Leben“ in Berlin teil. Haben Sie sich bereits davor für den Lebensschutz engagiert?

von Storch: Ich bin schon seit einigen Jahren bei dem Marsch für das Leben dabei und trete für den Lebensschutz ein. Als überzeugter Christ ist es mir ein Bedürfnis, mich gerade auch für die Schwächsten unserer Gesellschaft einzusetzen. Für diejenigen, die noch keine Stimme, aber genau so wie wir ein Recht auf Leben haben. 100.000 Abtreibungen im Jahr! Man könnte verrückt werden bei dem Gedanken, wie viele tolle, einzigartige Menschen nie das Licht der Welt erblicken durften.

kath.net: Welche Position vertreten Sie hinsichtlich bioethischer Fragen wie: Abtreibung, Pränataldiagnostik, Gen-Manipulation, Organspende und Sterbehilfe?

von Storch: Ich finde, dass die Menschheit zu weit geht. Keine Frage: es handelt sich z.T. zumindest um schwierige ethische Fragen. Aber ich denke: das Leben steht nicht zur Disposition des Menschen. Und: nicht alles, was möglich ist, ist richtig. Ich bin gegen Abtreibung, gegen Pränataldiagnostik und auch gegen Sterbehilfe. Wir sollten als Menschen nicht Gott spielen, weder am Anfang, noch am Ende des Lebens. Der Schöpfer hat uns dieses Leben beschert, und er wird uns eines Tages aus diesem abberufen. Zur Organspende: Das finde ich schwierig - solange der Spender nicht ganz sicher selbst bereits verstorben ist. Ein sehr schwieriges medizinisches Feld. Was in jedem Falle klar ist: der Mensch ist kein Ersatzteillager. Deswegen lehne ich strikt ab – was einige fordern – dass man einer Organentnahme widersprechen muss und wer das nicht tut, wird automatisch „Organspender“.

kath.net: Reinhard Mohr schrieb 2006 im Spiegel: „Ist die Familie nicht seit jeher ein erstrangiger Quell für schwerste psychische und sexuelle Deformationen gewesen? War sie nicht immer auch ein Ort von Seelenqualen und Gewaltexzessen aller Art, nicht zuletzt von Mord und Totschlag? Gibt es nicht überhaupt erst deshalb staatliche Familienfürsorge, Jugendämter und andere Behörden, die im schlimmsten Falle eingreifen müssen?“ Wie können wir von diesem Zerrbild wegkommen, um wieder Politik für die Familien statt gegen sie zu machen?

von Storch: Es gibt Millionen von Familien in unserem Land, und natürlich gibt es darunter einige, die nicht funktionieren. Aber der übergroßen Mehrheit der Menschen, besonders den Kindern, bieten die Familien ein Zuhause, Schutz, Nähe, Geborgenheit. Einen Anker, um für das Leben gewappnet zu sein. Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft. Gerade deswegen sollten wir die Wertschätzung der traditionellen Familie mit Vater, Mutter, Kindern wieder in den Vordergrund rücken. Es mag ja der Traum einiger Politiker sein, Erziehung und Bildung möglichst früh und allumfassend von staatlichen Stellen erledigen zu lassen, aber das ist der falsche Weg. Geben wir den Familien die Unterstützung, die sie verdienen. Sie wissen am besten, wie sie leben wollen.

kath.net: 1964 wurden in Deutschland 1.326.000 Menschen geboren - elf Jahre später nur noch 767.000. Ab 2060 werden nach einer Prognose der Universität Köln 50% der Deutschen über 50 Jahre alt sein. Was wollen Sie tun, um die demographische Katastrophe aufzuhalten?

von Storch: Wenn allein die Kinder, die abgetrieben wurden, hätten leben dürfen, dann gäbe es unser demografisches Problem in dieser Größenordnung gar nicht. Die Gesellschaft muss – nicht nur hier - endlich umdenken. Ich finde, das anzustoßen ist eine wichtige Aufgaben für meine Partei und für mich als christliche Politikerin. Kinder sind das Glück auf Erden, für Eltern und Großeltern, aber eben auch für die Gesellschaft. Wir müssen die Weitergabe des Lebens und das Aufziehen von Kindern wieder als wichtigste Priorität begreifen und wir müssen Familienpolitik für Familien machen, statt zuförderst staatliche Ganztagsbetreuung zu organisieren und erziehenden Müttern als „Heimchen am Herd“ zu verunglimpfen.

kath.net: Früher setzten sich linke Parteien dafür ein, dass der Lohn eines Arbeiters für seine Familie reicht. Heute pushen sie so vehement die Erwerbstätigkeit der Frau, dass eine Arbeiterfamilie zwei Gehälter braucht, um durchzukommen. Ist das nicht verrückt?

von Storch:: Die Tatsache, dass es heute mehrere Einkommen braucht, um eine Familie zu ernähren, hängt an der ungeheuer großen Steuer- und Abgabelast. Kurz gesagt: Wir haben zu viel Staat. Weniger Staat heißt weniger Abgaben, heißt: mehr Zeit für Familie. Etwas kurz ausgedrückt - aber nicht falsch.

kath.net: Für mich ist die aktuelle Politik voller Widersprüche. Lassen sich Gendermainstreaming und Emanzipation auf einen Nenner bringen? Hier geht es um die Auflösung der biologischen Identität, dort um eine selbstbewusste Weiblichkeit. Einerseits will man Quotenfrauen und Frauenparkplätze, andererseits Gendertoiletten.

von Storch: Dieser ganze Genderkram zeigt eigentlich nur eines: die Dekadenz einer gesättigten Gesellschaft. Was soll die Auflösung der biologischen Identität bringen? Nichts. Wir haben gerade davon gesprochen, dass wir zu wenige Kinder haben. Damit sich das ändert, brauchen wir Männer und Frauen, also Geschlechter, wie Gott sie schuf. Forschungen zeigen, dass selbst Säuglinge je nach Geschlecht unterschiedliche Interessen hegen. So ist die Natur, das können Ideologen nicht wegdefinieren. Das Geld für 250 Gender-Lehrstühle an deutschen Hochschulen könnten wir besser für unsere Familien verwenden.

Damit wir uns nicht falsch verstehen, ich begrüße die Emanzipation. Auch Frauen sollen sich selbst verwirklichen dürfen und gleiche Chancen haben. Dazu braucht es jedoch keine Quoten und andere staatliche Eingriffe. Und ja: Quotenfrauen und Gender-Klos gehen nicht zusammen. Aber beim Gendermainstreaming geht ziemlich vieles nicht zusammen...

kath.net: „Neues Deutschland“ schrieb über den European Song Contest: „Der Exot auf der Bühne wurde schon immer eher geduldet als der in der eigenen Nachbarschaft. Was sich in Wursts Sieg manifestiert, ist keine plötzliche Schwulenbegeisterung, sondern die Lust an der fernen Freakshow.“ Sind sich die Roten überhaupt ganz grün, wenn es um die Beurteilung von Gendermainstreaming geht?

von Storch: Das Neue Deutschland hat mit Blick auf den Sieg von Herrn Wurst beim ESC von „Freakshow“ geschrieben? Das hätte mir mal einfallen sollen. Das wäre für einen richtigen Skandal gut gewesen.

kath.net: Können Sie mir erklären, wieso sich linke Politiker so sehr für Einwanderung einsetzen? Menschen aus Niedriglohn-Ländern sind doch keine Konkurrenz für Mittel- und Oberschicht, sondern für Arbeiter. Sie drücken deren Lohn und wenn es zu Problemen bei der Integration kommt, spürt dies als erstes die Unterschicht.

von Storch: Die linke Begeisterung für schrankenlose Einwanderung hat ganz verschiedene Aspekte.

1. Sie träumen von etwas, was sie „Multikulti“ nennen. Und das hängt auch mit dem eher gespaltenen Verhältnis zu unserer eigen Kultur und unseren eigenen Wurzeln zusammen.

2. Von Wirtschaft verstehen linke Politiker ganz grundsätzlich eher weniger als viel. Und Marktwirtschaft ist nochmal besonders schwierig.

3. Die globale Armut werden wir nicht besiegen, indem wir die Armen bei uns aufnehmen. Das klingt hart, furchtbar unsolidarisch, es bleibt aber wahr. Zwei Mrd. Menschen haben weniger als vier Dollar am Tag. Entwicklungshilfe tut da Not.

4. Die AfD fordert schon seit ihrer Gründung ein klares Einwanderungsrecht nach kanadischem Vorbild. Wir wollen die Einwanderer ins Land holen, die zu uns passen und die wir wirklich brauchen. Dafür haben uns die Altparteien noch im letzten Bundestagswahlkampf als Rechtspopulisten gescholten. Jetzt greift die CDU unsere Programmatik auf, eins zu eins.

kath.net: Erfolgreich haben Sie sich im EU-Parlament für verfolgte Christen eingesetzt. Wie haben Sie sich bisher in diesem Thema engagiert und was wollen Sie künftig tun?

von Storch: Der Schutz verfolgter Christen liegt mir schon lange am Herzen. Ich habe mich im EU-Parlament dafür stark gemacht, den „Sacharow“-Menschenrechtspreis an den Patriarchen der chaldäisch-katholischen Kirche (der größten verfolgten Minderheit im Irak) Louis Raphael Sako und den ermordeten Professor Mahmoud Al ‘Asali zu verleihen. Er hatte versucht, die Christen im Zweistromland zu schützen und musste dafür mit seinem Leben bezahlen. Der Antrag gewann zwar die Zustimmung meiner Fraktion, wurde dann aber von der Konferenz aller Fraktionsvorsitzenden abgelehnt, für mich unerklärlich. Es wäre ein sehr gutes Zeichen für den Dialog der Religionen gewesen.

Zuletzt wurde im Plenum eine Resolution zur Befriedung Libyens diskutiert. In dem nordafrikanischen Land tobt ja ein schrecklicher Bürgerkrieg. Im Entwurf fehlte mir jedoch ein ganz wichtiger Punkt: Die größten Leidtragenden dieser menschlichen Katastrophe sind die religiösen Minderheiten. Besonders hart trifft es die Christen. Sie müssen immer wieder rohe Gewalt über sich ergehen lassen und sind wegen ihres Glaubens mit dem Tode bedroht. Über einen Änderungsantrag konnte ich durchsetzen, dass von diesem Leid endlich in der Öffentlichkeit Notiz genommen wird, und die EU sowie deren Mitgliedsstaaten in zukünftigen Verträgen den Schutz der Andersgläubigen einfordern sollen.

Übrigens versuchten insbesondere Grüne und Linksradikale, dagegen im Plenum Stimmung zu machen. Im restlichen Parlament fand sich jedoch eine große Zustimmung. Alles andere wäre aber auch wirklich ein Skandal gewesen.

kath.net: Putin hat syrischen Christen die russische Staatsbürgerschaft angeboten. Wäre es nicht sinnvoll, christliche Flüchtlinge in christliche Länder aufzunehmen und islamische Flüchtlinge in islamische Länder?

von Storch: Das wäre ganz sicher sehr sinnvoll. Aber das würde faktisch ein Bekenntnis zu einem gemeinsamen Wertekanon verlangen, den viele nicht ablegen wollen. Faktisch haben wir kaum Einfluss auf die Flüchtlingsströme. Wer zu uns kommt, ist eben da. Obwohl es eigentlich Regeln gibt („Dublin“), dass Flüchtlinge im ersten sicheren Land Aufnahme finden sollen, reisen viele einfach durch das eine in das andere Land.

kath.net: Existiert noch so etwas wie das Abendland und lässt sich tatsächlich eine Politik machen, welche von einer christlichen Identität Europas ausgeht?

von Storch: Natürlich existiert das Abendland. Unsere ganze Kultur beruht auf diesem Fundament. Es sind überwiegend christliche Werte, die die Basis unseres Zusammenlebens bilden. Dazu kommen die Aufklärung und das Recht. Aber dieses Fundament gerät ins Wanken. Wir müssen zusammen aufpassen, dass unsere erfolgreiche Lebensart, die Balance zwischen Modernität und traditionellen, christlich-bürgerlichen Werten nicht eines Tages verlorengeht.

kath.net: Alice Schwarzer warnt vor islamischen Parallelgesellschaften. Ralph Giordano meinte, nicht die Zuwanderung, sondern der Islam sei das Problem. Umgekehrt hat der von Homosexuellen unterstützte Rechtspopulist Gert Wilders das Thema Islamisierung für sich entdeckt. Wieso kommt Protest gegen die Islamisierung nur von den Rändern, aber nicht aus der Mitte der Gesellschaft?

von Storch: Das sehe ich nicht so. Der Protest kommt bei uns – zumindest inzwischen – auch aus der Mitte der Gesellschaft. Er wird nur an den Rand geschrieben. Es gibt in Dresden keine 30.000 Nazis. Und ich behaupte: würde die Fremdenfeindlichkeits- oder gar Nazikeule nicht jedem drohen, der auch nur von „Islamisierung“ spricht, so wären die Demonstrationen um ein Vielfaches größer. So trauen sich nur wenige Bürger, aus Angst um ihre Reputation, ihr Empfinden deutlich auszusprechen.

Ich hoffe, dass die derzeitige Diskussion über PEGIDA und die Attentate von Paris und Kopenhagen dazu führen, dass wir in unserem Land endlich offener und ehrlicher die Probleme beim Namen nennen. Das müssen wir besprechen, um Lösungen zu finden.

kath.net: Sind Sie auch Charlie Hebdo? Wie weit dürfen blasphemische Karikaturen gehen?

von Storch: Ja und nein. Ja, weil es in unserem Kulturkreis möglich ist und bleiben muss, auch Religionen und ihre Vertreter aufs Korn zu nehmen. Die Meinungsfreiheit ist essentiell für den Erfolg unserer Gesellschaft. Sie ist eine der Quellen unserer Weiterentwicklung und darf nie versiegen. Wer in seinen religiösen Gefühlen verletzt ist, hat trotzdem nicht das Recht zu morden. Und nein: denn es gibt auch bei der Meinungsfreiheit Grenzen, für die unser Grundgesetz hohe Hürden ansetzt. Ich würde es begrüßen, wenn auf die religiösen Gefühle aller Religionen freiwillig Rücksicht genommen würde.

kath.net: Bis 2012 waren Sie FDP Mitglied. Sie organisierten eine Sammelklage gegen die Europäische Zentralbank (EZB), wollen raus aus dem ESM. Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie Politik für die oberen Zehntausend machen, für Hochadel und Kapital.

von Storch: Das ist vielleicht der größte Irrtum der ganzen Euro-Rettungs-Saga. Das Gegenteil ist richtig. Gerade der kleine Sparer hat das Nachsehen bei der sogenannten Euro-Rettung. Die Zinsen sind künstlich niedrig und bald muss der Kontobesitzer Zinsen für sein Bankguthaben bezahlen statt welche zu bekommen. Lebensversicherungen lohnen nicht mehr. Und wer zahlt die Dauerrettung der Südstaaten, insbesondere von Griechenland? Das sind die normalen Steuerzahler. Nein, ich trete für die ganz normalen Bürger unseres Landes ein und hier insbesondere für die, die keine Vermögen haben. Die Vermögenden profitieren nämlich von der EZB-Geldflut und der irgendwann breit einsetzenden Inflation. Steigende Lebensmittelpreise werden die nicht tangieren und steigende Vermögenspreise machen sie schon jetzt immer reicher. Der kleine Mann dagegen, der hat das Nachsehen.

kath.net: Zusammen mit Ihrem Mann gründeten Sie u.a. die „Allianz für den Rechtsstaat“, den „BürgerKonvent“, die „Zivile Koalition“, FreiWelt.net, Abgeordneten-Check.de, das „Institut für strategische Studien“. Leben Sie nach dem Motto: Doppelt hält besser? Oder warum starteten Sie so viele Initiativen? Was ist der Kardinalpunkt, der hinter Ihrem ganzen Engagement steckt?

von Storch: Den Bürgerkonvent habe ich nicht gegründet. Die anderen Vereine und Initiativen ergänzen sich alle. Der Kardinalpunkt? Die Gesellschaft freier und damit besser zu machen. Und das ganze als außerparlamentarische Bürgerbewegung organisiert, weil aus den Parlamenten, aus den Parteien die erforderlichen Richtungsänderungen systembedingt nicht kommen. Parteien wollen Wahlen gewinnen und agieren deswegen meist kurzfristig. Und: nicht jeder Mensch kann oder will parteipolitisch aktiv werden. Das kann ich nur zu gut verstehen. Über meine verschiedenen Initiativen hat jeder die Möglichkeit, sich ganz einfach zu ganz bestimmten Themen zu engagieren. Ohne Verpflichtung und wöchentliche Stammtischrunde, aber mit umso größerem Effekt.

kath.net: Der Familienschutz von Hedwig Freifrau von Beverfoerde ist ein Teil der Zivilen Koalition. Dazu gehört auch die „Demo für alle“ gegen den Gender-Bildungsplan in Baden-Württemberg. Welchen Stellenwert messen Sie Themen wie Ehe und Familie bei, wenn doch alle Aktionen, die unmittelbar mit Ihrem Namen etikettiert sind, sich um volkswirtschaftliche Dinge drehen?

von Storch: Das kann man so nicht sagen. Mir liegen die Initiativen für Ehe und Familie und gegen das elende Gendermainstreaming besonders am Herzen. Deswegen freue ich mich auch so über den Erfolg, den Hedwig Freifrau von Beverfoerde mit der Initiative Familienschutz und der Organisation der „Demo für alle“ hat. Das ist mir besonders wichtig und ich stehe voll dahinter, auch wenn ich persönlich „nur“ die Initiativen rund um den Euro verantworte.

kath.net: Als was würden Sie sich selbst bezeichnen: konservativ, rechts, libertär, liberal, national, aristokratisch, christlich?

von Storch: Das Schubladendenken liegt mir nicht sonderlich. Zuförderst bin ich sicher Christ. Das macht das Fundament aus, von dem aus ich agiere. Sicherlich vertrete ich eher ein traditionelles, sprich konservatives Familienbild, ganz so, wie das die CDU noch vor wenigen Jahren auch tat. Gleichzeitig ist mir eine freiheitlich-liberale Denkweise zu eigen, ich stehe für die persönliche und die wirtschaftliche Freiheit. Der Mensch ist mündig und eigenverantwortlich, kurz: frei. Er ist z.B. frei, Gott zu lieben- oder sich von ihm abzuwenden. Der Zwang etwas zu tun oder zu unterlassen, das ist etwas, was Christen und Liberal gleichsam ablehnen. Und schließlich: Ich liebe meine Heimat, ohne sie über andere Länder zu überhöhen. Damit bin ich dann wohl auch noch Patriot.

kath.net: Als Mitglied des EU-Parlaments sollten Sie gemäß dem Fraktionen-Proporz Stellvertretende Vorsitzende im „Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter“ (FEMM) werden. Erklären Sie uns, warum es nicht dazu kam.

von Storch: Es war eine erwartbare Sache. Der mathematische Proporz ist eigentlich eine vernünftige Regelung, um die Mehrheitsverhältnisse auch in den Ausschüssen widerzuspiegeln. Das funktioniert eigentlich ganz gut, aber im Frauen- und Genderausschuß hat das Grenzen. Die Ablehnung von Gendermainstreaming wird dort als Meinung nicht akzeptiert. Wer Gendermainstreaming in Frage stellt, stellt – so muss man den Eindruck haben – das Weltbild, das Lebensrecht und was weiß ich sonst noch, der vornehmlich Damen in Frage. Eigenartigerweise sind das in der Regel solche, die besonders viel von Toleranz reden und von Vielfalt und Minderheiten. Aber ihre Toleranz hört schlagartig auf, wenn es um Andersdenkende geht.

kath.net: Im Kölner Dom gingen während der Pediga-Demo die Lichter aus. Die FAZ titelte: „Kirche zeigt Kante“. Wo hat die katholische Kirche Ihres Erachtens in den letzten Jahren wirklich Profil gezeigt? Wo würden Sie sich eine Stellungnahme der Bischöfe wünschen?

von Storch: Ich muss gestehen, ich empfinde das Verhalten der großen Kirchen als höchst merkwürdig. Wie kann man sich mit Dingen gemein machen, die den eigenen Auffassungen zutiefst widersprechen? Im Moment demonstrieren viele Menschen in unserem Land gegen den zunehmenden Einfluß des Islam auf unser tägliches Leben, dagegen, dass wir unsere Kultur der des Islam unterordnen und gegen die Auswüchse einer gefährliche fundamentalistische Strömung des Islam, deren Anhänger ein Kalifat errichten wollen, auch in Europa. Sie wollen Anders- und Ungläubige vernichten. Und die Kirche hat nichts weiter zu tun als die Menschen, die sich darüber Sorgen machen, in Gegendemonstrationen mit zu verunglimpfen. Ein Trauerspiel. Die Aufgabe der Kirche ist es, Lichter zu entzünden. Und nicht auszuknipsen.

kath.net: Im Bundestagswahlkampf 2013 sprach sich der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Zollitsch gegen die AfD aus. Trifft seine Befürchtung zu, dass ihre Partei zu rechts und damit für Christen unwählbar sei?

von Storch: Wir fordern bei vielen Themen, was die CDU früher gefordert hat, soweit wir dazu Programme schon verfasst haben. Klassische Familienmodelle, Elternrechte, Stop dem Gendermainstreaming usw. Andere Themen, wie Lebensschutzthemen haben wir bislang noch nicht in den Programmen, aber ich schätze die Grundhaltung in der AfD diesen Themen gegenüber positiv ein. Insbesondere in den Wertethemen ist es sicher eher die CDU, die für Christen unwählbar geworden ist. Die Einmischung von Bischof Zollitsch in den Wahlkampf war eine Unverschämtheit.

kath.net: Ein Cousin von Ihnen verlegte wegen Homeschooling seinen Wohnsitz nach Belgien und auch Sie haben sich für Bildungsfreiheit ausgesprochen. Sind Sie da in der AfD die einzige mutige Frau unter lauter Biedermännern?

von Storch: Ich bin sehr liberal und damit bin ich nicht alleine in der AfD. Wir haben einen Sozialstaat, mit dem in meinen Augen eine Bildungspflicht eng verknüpft ist. Wer bei Unvermögen sich selbst zu ernähren einen Anspruch gegen die Solidargemeinschaft auf Hilfe hat, der hat die Pflicht, aber alles zu tun, diese Hilfe nicht beanspruchen zu müssen. Er muss sich also bilden. Ich bin aber nicht der Meinung, dass das zwingend in einer Schule sein muss. Bei der Masse an Schulabbrechern, der hohen Quote von Analphabeten, die staatliche Schulen produzieren, scheint Homeschooling ein interessantes Modell zu sein, über das wir einmal diskutieren sollten.

kath.net: Wenn es um Förderung kinderreicher Familien geht, um die Anerkennung der mütterlichen Erziehungsleistung, um den Schutz des Lebens, um eine abendländische Identität, dann vertritt die AfD-Spitze nach außen hin keine wirklich klaren Positionen, die einen bekennenden Christen zufrieden stellen. Es gibt sogar eine Homosexuellen-Lobby in Ihrer Partei. Wird verkannt, dass die AfD bei moralischen Themen eigentlich liberaler Mainstream ist?

von Storch: Wir sind eine breit aufgestellte Partei, die verschiedene Strömungen repräsentiert. Wir sind, wenn man so will, eine kleine Volkspartei. Bei uns halten auch Atheisten unsere christlichen Werte und die abendländische Identität hoch. Nehmen Sie die Frage der Abtreibungen: Bei einer parteiinternen Umfrage bekannte sich fast die Hälfte unserer Mitglieder zum Lebensschutz. Das ist im Parteienvergleich ein außergewöhnlich hoher Wert!

kath.net: Was sind für Sie als Christin die wichtigsten politischen Themen, für welche Sie sich einsetzen?

von Storch: Ehe und Familie sind natürlich die Themen, die ich in meinen Ausschüssen am besten bearbeiten kann und denen ich mich widme. Vor allem als Christin, aber eben auch einfach als Mensch, der anderen Menschen ihre Würde als unantastbar verteidigt, setze ich mich wie gesagt gegen die Christenverfolgung und die Verfolgung von Minderheiten ein.

kath.net: Was sind die Werte, die man Ihres Erachtens jungen Menschen mitgeben sollte?

von Storch: Gottvertrauen war und ist für mich entscheidend auf meinem Weg. Vertrauen kann man aber natürlich nur jemandem, den man zumindest ein Stück weit kennt. Und das setzt voraus, dass Gott kein Unbekannter im eigenen Leben bleibt.

kath.net: Herzlichen Dank für das ausführliche Interview!

Foto von Storch (c) www.beatrixvonstorch.de


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