Rechtsextremismus: Die Linksabbieger

12. Februar 2015 in Kommentar


Ist alles, was rechts der nach links gerückten Mitte liegt, rechtsextrem? Gastkommentar von Felix Honekamp


Berlin (kath.net/Papsttreuer Blog) Rechtsextremismus und Nazis allüberall – so wird es jedenfalls in den Medien propagiert. Und auch bei Kirchens meinen manche, missliebige Positionen so aus dem Diskurs vertreiben zu können. Vielleicht hat sich aber auch nur das Koordinatensystem verschoben?

Als Papsttreuer hat man es zur Zeit nicht leicht … und das aus exakt dem Grund, warum man meinen könnte, es wäre leicht. Im Moment – abgesehen von kleinen Schlenkern – sind nämlich alle ganz vernarrt in ihn. Der Papst – so die allgemeine Auffassung in Medien und progressiven Kreisen – bricht mit alten Konventionen, er lässt nun endlich den Wind ins kirchliche Haus, den man schon seit dem II. Vatikanischen Konzil hätte erwarten können, aber von Beharrungskräften wie zuletzt Papst Benedikt XVI. nicht eingelassen wurde.

Dass sich auf diese schmale und bis auf erfrischende Äußerlichkeiten in der Außenwirkung des Papstes durch nichts gestützte Aussage vor allem die Mainstreammedien stürzen, verwundert nicht, auch nicht, dass sogenannte „Reformkatholiken” aus dem Umfeld von „Wir sind Kirche” vorsorglich schon mal klarstellen, dass sich nun aber auch deutsche Bischöfe bitteschön in die gewünschte Richtung bewegen müssten und – falls die Änderungen hinter den eigenen Erwartungen zurückbleiben sollten – eben jenen Beharrungskräften die Schuld in die Schuhe schieben wollen. Wenn dereinst Papst Franziskus mal nicht mehr sein sollte – was der Herr in noch weit entfernte Zukunft verlegen möge – dürfen wir uns jetzt schon auf den stehenden Begriff des „Geistes von Franziskus” (analog zum Geist des Konzils) einrichten.

Aber auch aus katholischem und ehedem konservativen Lager ertönen Stimmen, die man bislang so noch nicht vernehmen konnte (damit meine ich nicht die konservativen Papstkritiker, die bleiben ihrer Linie zumindest weitgehend treu, wenn ich deren Kritik auch weitgehend nicht teile). Gegen konservative Positionen wird da in einer Weise auch öffentlich ausgeteilt, dass man den Eindruck gewinnen kann, einige wollten sich noch schnell aus dem eigenen „Heerlager” entfernen, für den Fall, dass der Sturz der konservativen Positionen auch in der Kirche bevorsteht. Interessanterweise geht es bei dieser Kritik aber gar nicht so sehr um kirchliche Positionen im engeren Sinne – also beispielsweise nicht so sehr um Fragen der Liturgie, auch nicht der kirchlichen Dogmen, die von progressiver Seite in Frage gestellt werden – sondern um Politik.

Nun lassen sich Politik und Glauben wahrlich nicht trennscharf voneinander abgrenzen. Das wissen gerade diejenigen sehr genau, die sich mit ihren Positionen immer wieder in der konservativen Ecke wiederfinden, die nicht selten als „rechts” oder gar „rechtsextrem” diffamiert werden. Protagonisten in diesem Feld sind sicher Journalisten wie Matthias Matussek oder Alexander Kissler (mit durchaus unterschiedlichen Schwerpunkten), aber auch andere politische Kräfte, wie die vor allem im Familienbereich engagierte Hedwig von Beverfoerde oder die Schirmherrin des Kongresses Freude am Glauben, Johanna Gräfin von Westfalen. Dazu gesellen sich auch Geistliche wie der Weihbischof von Salzburg, Andreas Laun, oder auch Priester, die sich durch mediales Engagement einen Namen gemacht haben.

Was denen von beschriebenen Kritikern aus dem konservativen Bereich vorgeworfen wird, ist eben ihre konkrete politische Einstellung, nicht ihre Glaubenspositionen. Da wird beispielsweise das Schreiben für die konservative Junge Freiheit als Beleg für eine rechte Gesinnung gewertet, vor der man sich doch als katholische Kirche distanzieren müsse. Ausgeblendet wird dabei, dass sich das politische Koordinatensystem in den vergangenen Jahren deutlich verändert hat, sodass Positionen, die früher mal als Mainstream gegolten hätten, heute mindestens als rechtskonservativ gewertet werden. So gerät die Junge Freiheit in den medialen Nimbus des Verbotenen und alle, die für sie schreiben gleich mit. Auch die konstruktive Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftlichen Kräften wie der AfD oder den Pegida-Demonstrationen wird so – ganz auf der Linie der medialen Mehrheit – als Beleg für rechte Gesinnung gesehen.

Zur vollständigen Farce wird diese Argumentation dann, wenn man meint, als Katholiken habe man sich von solchen angeblichen politischen Extremismen fernzuhalten, seien sie links oder – vor allem! – rechts. Die grundsätzliche Einstellung teile ich sogar, wenn mit Extremismus gemeint ist, dass man sich nicht mehr in der Lage sieht, in Austausch mit anderen Positionen zu treten oder gar zu Mitteln der physischen oder medialen Gewalt greift. Gerade letzteres passiert aber mit den obigen „Konservativen”, die entweder aggressiv bekämpft oder als „Quotenkonservative” marginalisiert werden sollen. Und jeder, der sich auf deren Seite schlägt, trifft auch gleich der Bann der Sippenhaft. Wer in den sozialen Medien Zitate von Matussek oder Laun teilt, muss sich direkt für andere Sätze gleicher Personen rechtfertigen. In bestimmten Kreisen wird aufgefordert, Facebook-Freunde, die eine der Pegida-Aktionen als „gefällt mir” markiert haben, zu „entfreunden”. – Das, liebe Kritiker der angeblich rechten Positionen, ist Extremismus, nicht der Dialog mit Kräften, die durchaus in Gefahr stehen, von rechtsaußen instrumentalisiert zu werden, denen man aber selbst lediglich einen Hang zum gesunden Menschenverstand vorwerfen kann, und die von der Politik vernachlässigt wurden. Selbst ein Sigmar Gabriel, Vorsitzender der SPD, hat dies zwischenzeitlich erkannt und sich – gegen den teilweisen Protest der Parteibasis – mit Vertretern der Pegida auseinandergesetzt.

Nicht so die kirchlichen (offizielle wie nicht offizielle) Kritiker dieser politischen Positionen, die in nachvollziehbarer Gesellschaftskritik von „rechts” direkt Rechtsradikalismus zusammen mit einer Glaubensverengung auf Themen wie Familie oder Vaterland sehen. Als Beobachter der Szene, als jemand, der nachvollziehen kann, warum Pegida-Demonstranten auf die Straße gehen, auch wenn man deren Positionen vielfach nicht teilt, als jemand, der sich an den Spitzen eines Matussek ebenso diebisch freuen kann wie an seinen – ich nenne das mal so – „Überdehnungen” einer katholischen Position, die aber zumindest das Thema „Glauben” wieder ins Gespräch bringen, als jemand, der sich nicht einreden lassen möchte, dass alles, was rechts der nach links gerückten Mitte liegt, rechtsextrem sein soll und zur Erweiterung des eigenen Horizonts die Junge Freiheit liest, sich glücklich schätzt, ein paar der damit verbandelten Autoren persönlich zu kennen, ohne alle Positionen der Zeitung oder der Autorenschaft unkritisch zu teilen, reibe ich mir die Augen und frage mich immer wieder, was die Kritiker konservativer Positionen in der katholischen Kirche umtreibt, vor allem, wenn sie sich selbst bislang noch zur gleichen Klientel gezählt hätten.

Der Konservative, damit auch der konservative Katholik, zeichnet sich – das kann man positiv oder auch negativ sehen – durch Beharrungsvermögen aus. Er läuft nicht jedem Trend hinterher und es muss schon Dramatisches passieren, bevor er eine bewährte Position zu räumen bereit ist. Das bringt ihm den Nachteil ein, oft „dagegen” zu sein: Gegen Veränderung, gegen Liberalisierung der eigenen Positionen (was nicht bedeutet, dass er nicht liberale Positionen vertreten kann, diese aber durchgängig), gegen gesellschaftliche Entwicklungen, die er als schädlich erkannt hat. Der konservative Katholik mag auch etwas irritiert sein ob der Art und Weise wie Papst Franziskus sein Amt ausfüllt, ist aber – wie ich – immer wieder beruhigt, wenn er beobachtet, dass sich bislang jedenfalls trotz medialer Unkenrufe keine Änderung der kirchlichen Lehre ergeben hat. Manche behaupten mit Hinweis auf die Familiensynode diesen Jahres, eine solche Änderung zeichne sich ab – und gackern damit doch nur über ungelegte Eier.

Diese konservative Einstellung kann man kritisieren, sie ist auch – zugegeben – nicht immer hilfreich, wenn sie zu dogmatisch wird. Es hilft aber festzustellen, dass man nicht zwingend nach rechts abgebogen sein muss, um den Mainstream links von sich zu sehen. Und die Botschaft nach links ist: Wenn man meint, dass manche nach rechts abbiegen, könnte das auch daran liegen, dass man selbst nach links driftet!



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