Liturgische Missbräuche, Fehler, Fehlgriffe- was kann der Laie tun?

3. Februar 2015 in Kommentar


Ein – vorsichtig gesagt – verbürgerlichtes Verständnis von Ästhetik der Liturgie ist weit verbreitet. Gastkommentar von Peter Winnemöller


Geseke (kath.net/katholon) Was kann man als Laie tun, wenn der Zelebrant seine eigenen Texte verwendet? Abgewandelte Tages- und Hochgebete, Präfationen aus eigener Werkstatt und ähnliche Vorkommnisse erregen immer wieder mal die Gemüter. Dies passiert insbesondere in den sozialen Medien, in Berichten auf kath.net und anderen Portalen sowie in dem einen oder anderen Blogartikel.

Einschlägige Vorschriften aus Rom regeln, was in der Liturgie geht und was nicht geht. Mit liturgischen Missbräuchen beschäftigt sich insbesondere die Instruktion Redemptionis sacramentum. Geradezu vorbildlich hat der Kirchenrechtler Gero P. Weishaupt das Thema auf seiner Internetseite behandelt. Dort findet sich im Grunde alles, was man wissen muss, um in richtiger Weise mit liturgischen Verfehlungen umzugehen. Wer also mit einem solchen Problem in seiner Gemeinde konfrontiert ist, kann sich auf dieser Seite umfassend informieren.

Außer der rechtlichen Seite hat das Problem allerdings auch noch eine pastorale oder auch ganz praktische Seite, wenn man das mal so nennen will. Man darf wohl getrost davon ausgehen, dass sich neun von zehn Messbesuchern nichts, wirklich gar nichts dabei denken, wenn der Priester den Kanon der Hl. Messe umformuliert. Es ist ganz sicher so, dass nur ein winziger Teil der Messbesucher überhaupt bemerkt, wenn der Priester selbstgestrickte oder abgewandelte Tages-, Gaben oder Schlussgebete verwendet. Der gerne auch mal verwendete Abschluss „… durch unseren Bruder …”, wird von den meisten sogar als „schön” empfunden. Ist doch toll, dass Jesus unser Bruder geworden ist. Liturgisch gesehen ist das schlicht und ergreifend Blödsinn.

Gleichfalls zumeist positiv aufgefasst werden verbürgerlichende Elemente in der Liturgie: „Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag!” „Danke gleichfalls”. Haben Sie einen solchen Priester? Dann fragen sie mal vor der Kirchentür die anderen Besucher der Hl. Messe, wie sie das finden. Es wird ein fast ungeteilt positives Echo finden. Es gibt aus meiner Sicht nicht viel, was unliturgischer ist, als diese bürgerliche Verabschiedung. Der Abschluss der Hl. Messe ist ein Segen, den der Priester übrigens nicht „für uns” erbittet, sondern den er zu spenden den Auftrag und die Vollmacht hat. Danach erfolgt die Sendung der Gemeinde „Ite Missa est!” (- mit „Gehet hin in Frieden!” nicht nur unzureichend sondern sogar grottig übersetzt -). Die Gemeinde, die in der Eucharistiefeier durch das Wort der Hl. Schrift, die Auslegung des Priesters und den Empfang des Sakramentes gestärkt wurde, wird zu ihrem missionarischen Dienst wieder in die Welt gesandt. Die Ernsthaftigkeit dieser Sendung verbietet geradezu jegliche Verbürgerlichung und Verflachung. Man hüte sich dies (außer in vertrautem Kreise) vor der Kirchentür nach der Messe offen auszusprechen.

Zwei Aspekte also begünstigen liturgische Missbräuche der kleineren oder größeren Art. Da ist zum einen die Unkenntnis der Gemeindemitglieder, die schlicht und ergreifend gar nicht bemerken, dass etwas anders ist, als es sein sollte. Man sollte im Gedächtnis behalten, dass das die Mehrheit ist. Zum anderen ist auch ein – vorsichtig gesagt – verbürgerlichtes Verständnis von Ästhetik der Liturgie weit verbreitet. Die Liturgie ist dann nicht zuerst ein gemeinsames, auf Gott ausgerichtetes Handeln der ganzen Kirche, wie sie es sein sollte, sondern sie ist Versammlung der Gemeinde, die sich auf sich selber richtet und ihre eigene Ästhetik findet. (Typische Aussage: „Warum? Ist doch schön so, wie der Pastor das macht!”)

Diese beiden Aspekte treffen auf die erdrückende Mehrheit der sonntäglichen Messbesucher und noch viel mehr auf die sog. U-Boot- Katholiken, die zu Weihnachten und ggf. zu Ostern auftauchen, um dann wieder unsichtbar zu werden, zu. Darum wird, wer sich nach einer Messe am Sonntag mit anderen Gemeindemitgliedern über ggf. stattgefundene liturgische Missbräuche unterhält, im besten Falle Unverständnis ernten. Im schlimmsten Falle ist man Querulant, Fundamentalist, Tradi oder schlimmeres. Auch das sollte man im Kopf behalten.

Was tun?

In der Regel ist man, das zeigt die Erfahrung, der Willkür eines Priesters, der selber die Liturgie verhunzt oder haupt- und ehrenamtlichen Laien freie Bahn schafft, um Liturgie „gestalten” zu können, hilflos ausgeliefert. Hier ist die Streichung biblischer Lesungen und deren Ersatz durch vermeintlich moderne Texte sehr beliebt. Aber auch die dezidierte Bitte, den Kanon doch anders zu beten, Tagesgebete aus kfd-Werkstatt zu verwenden und anderem, kommen diese Priester dann nur zu gerne mal nach. Man will ja schließlich die Laien einbinden. Kein Gedanke daran, dass damit die Einheit der Liturgie aufgekündigt wird. Kein Gedanke daran, das Gesetz des Glaubens dem Gesetz des Betens folgt, also sich durch willkürlich verändertes liturgisches Beten auch der Glaube als solcher verändert. Ein solcher Glaube ist dann irgendwann der individuelle Glaube der Gemeinde XY und nicht mehr der Glaube der Kirche, weil nämlich die Liturgie der Gemeinde XY gefeiert wird und nicht die Liturgie der Kirche.

Handlungsoptionen für Laien, die eben dies nicht wollen, gibt es. Da ist zunächst immer das Gespräch mit dem Zelebranten. Führt dies nicht zum Abstellen der liturgischen Fehlgriffe, so bleibt ein Schreiben an den Bischof. Greift auch dieser nicht ein, oder bleibt sein Eingreifen folgenlos, ist es möglich an die Kongregation für Gottesdienst und Sakramentenordnung in Rom zu schreiben. Von dort erfolgt in begründeten Fällen immer eine Intervention.

Soweit der Rechtsweg. Ein weiser Mann sagte mir einmal, wenn ich das Gesetzbuch aus der Tasche ziehen muss, um einen Konflikt aus der Welt zu bekommen, ist der Konflikt im Grunde schon unlösbar geworden. Zwar wird – mit etwas Glück – das Recht wieder hergestellt, doch der Konflikt bleibt.

Auch wenn das nun etwas frustriert klingt: In den meisten Fällen von liturgischen Missgriffen oder massiven Missbräuchen ist der gewöhnliche Laie entweder in der Situation den Mist zu erdulden oder zum Geächteten in seiner Gemeinde zu werden. In den allerseltensten Fällen steht eine Mehrheit der Gemeinde hinter einer Beschwerde wegen liturgischen Missbräuchen. Man sollte sich wirklich gut überlegen und sich vernetzen, informieren, mit anderen sprechen und erst dann entscheiden, ob es sich lohnt, in die Offensive zu gehen. Manchmal kann es ein Gebot der Klugheit sein, mit seiner Meinung zu liturgischen Missbräuchen zwar nicht dem Berg zu halten, aber statt des Rechtsweges die Abstimmung mit den Füßen zu wählen.

Letztendlich, das sagt das II. Vatikanische Konzil im völligen Einklang mit der Tradition der Kirche, ist es der Bischof, der für die ordentliche Feier der Liturgie in seinem Bistum zu sorgen hat. Er trägt aber auch die Verantwortung, wenn er diese Pflicht nicht erfüllt. Im Auftrag des Bischofs und in Einheit mit ihm feiert der Priester vor Ort die Hl. Messe. Tut er dies nicht in der vorgeschriebenen Weise, hält er sich nicht an die liturgischen Vorschriften der Kirche, gibt er gar Superlaien nach, die alles besser wissen, so liegt in jedem Falle auch eine Mitverantwortung beim Priester vor Ort. Das beides kann und darf einem etwas Gelassenheit geben, denn am Ende sind die Laien immer fein raus. Wer in der Absicht und im guten Glauben die Liturgie der Kirche zu feiern am Sonntag in die Kirche geht, erhält die Gnaden, die er erhalten würde, wäre alles zu hundert Prozent in Ordnung.

Trotzdem, das sei hier eingestanden, verbürgerlichte, ungesund vereinnahmende, selbstgestrickte Liturgie ist nervig.


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