Wir Pullunderträger

7. Jänner 2015 in Kommentar


Replik eines überzeugten Pullunderträgers an Christiane Florin zum Editorial in „Christ & Welt“ 1/2015. KATH.NET-Kommentar von Peter Winnemöller


Bonn (kath.net) Mal ganz ehrlich, wer kann das schon, dem Allerhöchsten und seinen Dienern ungestraft die Zunge herausstrecken? Nicht nur ungestraft, man wird auch gleich noch dafür belohnt. Das hat doch was. Aber wer auf Träger dieses so praktischen Kleidungsstückes so verächtlich blickt, kann dafür natürlich kein Verständnis aufbringen.

Vielleicht war es aber doch nur der Frust, im Gegensatz zum Leser nicht genau auf die Anzeigen geschaut zu haben, die dieses Pullunderträgerbashing hervorgebracht hat. Muss man das dann eigentlich noch öffentlich austragen, wenn man gleich zweimal so daneben greift?

Das nämlich ist der Kern des Problems: Eine durchgewinkte und eine abgelehnte Anzeige. „Christ & Welt“, eine Beilage der Wochenzeitung „Die ZEIT“, die aus dem „Rheinischen Merkur“ hervorgegangen ist, hatte eine Anzeige angenommen, die unter der Überschrift „Handkommunion ist sakrilegisch“ den Pullunderträgern schmeicheln sollte. Doch das ist weit gefehlt. Abgelehnt wurde hingegen eine Anzeige von Kirche in Not, weil darin ein Wort störte. Meinungsdiktatur! Dabei leben wir doch in einer Demokratie. Wie kann denn Kirche in Not so etwas behaupten?

Beide Entscheidungen sind definitiv falsch.

Eine Anzeige, die die Handkommunion als sakrilegisch bezeichnet kann jedes weltliche Magazin, jede weltliche Gazette annehmen. Eine Zeitung, die über drei Ecken an unseren Bischöfen hängt, sollte sich dies tunlichst verkneifen. Es sollte dazu nicht erst empörte Leserreaktionen benötigen, damit man in der Anzeigenredaktion versteht, dass damit ein Keil zwischen die Gläubigen und ihre Bischöfe getrieben wird. Unterstellt diese Überschrift doch, die Bischöfe würden eine sakrilegische Praxis nicht nur dulden sondern sogar aktiv genehmigen. Wer dies behauptet, ist auf einem gefährlichen Weg in Richtung Schisma.

Gläubige, die diese Form des Kommunionempfangs bevorzugen zu verspotten geht allerdings gar nicht. Ähnlicher Spott gegen Minderheiten in politischen, sexuellen oder religiösen Zusammenhängen wird da gerne mal als „Hate speech“ bezeichnet, denn die spöttische Bezeichnung von Mundkommunikanten als „die Zunge herausstreckende Pullunderträger“ hat zumindest eine pikante Note. Immer dann, wenn schenkelklopfende Lacher auf der einen und die Empörungswelle auf der anderen Seite einkalkuliert sind, sollte man zumindest als Redaktionsleiterin einer katholischen Zeitung überlegen, ob die Verletzungen den Gag wert sind. Zu sehr toben die ideologischen Grabenkämpfe zwischen den radikalen Verfechtern beider Arten des Kommunionempfanges, als dass man diese nicht auch noch anstacheln müsste. Die ordentliche Form, die Mundkommunion, auf der einen Seite und die außerordentliche Form, die Handkommunion, auf der anderen Seite, dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wer das tut, leistet Spaltungen und Parteiungen Vorschub. Das kann nicht die Aufgabe einer katholischen Zeitung sein, deren Inhalt von dreipunktdrei, einem Tochterunternehmen der KNA, die dem Verband der Diözesen Deutschlands gehört, geliefert wird.

Eine Anzeige mit der Begründung der Verfassungsfeindlichkeit abzulehnen, ist starker Tobak. Dies umso mehr, wenn die Anzeige nicht aus irgendeiner düster-finster-rechts- oder linksradikalen Ecke kommt, sondern von einem päpstlichen Hilfswerk, hier Kirche in Not, geschaltet wurde.

Man stieß sich an dem Begriff „Meinungsdiktatur“. Machen wir uns nichts vor, hätten wir eine Meinungsdiktatur, atmeten wir in unserer Branche zum großen Teil schon gesiebte Luft. Also kann es nur eine Diskussionsvorlage sein, die für sich genommen knackig, kantig und inhaltsleer ist. So inhaltsleer, wie es eben ein geworfener Fehdehandschuh sein muss.

Wer sich in unserem Land in unserer Zeit zu Fragen der sexuellen Vielfalt, der Zuwanderung, Gendermainstreaming, kirchlichen Themen wie Ehe und Familie und vielen anderen Punkten gegen den Trend der Meinungsmacher stellt, erlebt schnell, was mit Meinungsdiktatur gemeint ist. Die Palette reicht von Ausgrenzung durch Verschweigen über Spott bis hin zu Diffamierungen und unsachgemäßen Unterstellungen. Zack! Ab in die rechte Ecke.

Pegidavokabular heißt das dann bei der Redaktionsleiterin von „Christ & Welt“. Wer nicht sofort auf die Beifalls- oder Empörungswelle springt, kann mit einer Sekunde nachdenken feststellen, dass Kirche in Not sein Kongressprogramm zu einer Zeit geschrieben haben muss, als von Pegida keiner etwas wusste. So macht man das in der Meinungsdiktatur. Pegida ist pfui, wer Pegidavokabular verwendet ist auf pfui. Zack! Wehe dem der Widerspricht, denn der ist sofort ebenfalls in einer pegidaähnlichen Ecke und damit verbrannt.

Die Ansicht, die Existenz oder auch nur die Gefahr einer Meinungsdiktatur zu behaupten sei verfassungswidrig, ist ein Irrtum. Vielmehr ist diese Ansicht von der Meinungsfreiheit unserer Verfassung gedeckt, auch dann, wenn sie nicht zutrifft. Diesen Diskurs muss auch eine Meinungsmacherin wohl oder übel aushalten.

Meinungen werden heute in den Nachrichtenagenturen gemacht. Wer eine lokale Tageszeitung aufschlägt, findet im überregionalen Teil fast nur noch Agenturberichte, die gleich die Meinung mitliefern. Das muss mal diskutiert werden, wie sauber hier Bericht und Kommentar getrennt sind. Wie sauber wird eigentlich recherchiert? Wie groß ist der Zeitdruck? Es sind ja nicht alle Journalisten böse Finsterlinge, die nichts anderes zu tun haben, als uns Leser fehlzuinformieren.

Die großen Medien schwimmen leider nur zu gerne mit auf der großen Meinungswelle und machen sich oft erst dann, wenn sie Widerstand in Form von Leserreaktionen spüren auf den Weg, gegenteiligen Ansichten Geltung einzuräumen. Da - dank sozialer Medien - der Widerstand wächst, verändert sich langsam etwas zu Gunsten einer Meinungspluralität. Für viele geschieht dies zu langsam, zu widerstrebend. Die große Welle ist leichter zu reiten. Darum sind Diskussionen über Meinungsbildung nötig und auch dann nicht verfassungswidrig, wenn sie mit Kampfbegriffen operieren.

Nachdenklich macht es, warum sich Frau Florin noch fast zwei Jahre nach dem letzten Konklave immer noch am Ratzinger- Pontifikat abarbeiten muss. Den von Kardinal Ratzinger geprägten Begriff „Diktatur des Relativismus“ pauschal und unreflektiert auf den demokratischen Rechtsstaat zu beziehen und dem emeritierten Papst unterschwellig eine Demokratiefeindlichkeit zu unterstellen, ist schlicht lächerlich. Aber - horribile dictu - auch Papst Franziskus verwendet diesen Begriff. Was will uns das sagen?

Last not least sei die Frage beantwortet, wem das Heftchen „Gender- Ideologie“ hilft, das Kirche in Not herausgebracht hat. Es hilft besonders jungen Menschen, eine andere Sicht auf diese völlig undemokratisch und ohne jegliche gesellschaftliche Diskussion oder Parlamentsbeschlüsse zur Maxime politischen Handelns erhobenen Ideologie zu bekommen. Es ist sinnvoll, diese Informationen kurz, knapp und griffig bereit zu stellen. Es ist meines Wissens das einzige in dieser Art. Ich selber kannte es gar nicht. Mein Sohn, der übrigens das Kapuzenshirt dem Pullunder vorzieht, hat sich diese Heftchen gleich stapelweise besorgt und verteilt sie an Mitschüler und Lehrer. Nicht mit dem Anspruch, hier absolute Wahrheiten zu verbreiten, sondern um einen anderen Blickwinkel auf eine gesellschaftlich fast schon unhinterfragbare Ideologie überhaupt erst zu ermöglichen. Auch das müssen die Meinungsmacher in unserem Land aushalten, wenn sie sich nicht doch Meinungsdiktatur vorwerfen lassen wollen.



Foto Peter Winnemöller © kath.net/Michael Hesemann



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