Wer ist Gott? Wer ist das Kind in der Krippe?

24. Dezember 2014 in Weltkirche


Bischof Klaus Küng in der Heiligen Nacht: "Vergessen wir nicht auf Gott, in dem alles Heil und alle Kraft liegt, um aufzustehen, und weiterzugehen."


St. Pölten (kath.net)
Liebe Brüder und Schwestern!
Kürzlich habe ich ein Interview gegeben. In diesem Interview ging es, recht lapidar gesprochen, um meinen Beruf als Bischof. Der Journalist - sicherlich niemand, der oft in die Kirche geht und viele Zweifel an dem hegte, was ich sagte - bat mich am Ende beim Verabschieden für mich überraschend darum, für ihn und seine jugendliche Tochter zu beten, deren gutes Heranwachsen ihm ganz offensichtlich sehr am Herzen lag. Ein Moment, der mir wieder gezeigt hat, dass Gottes Liebe und die Sehnsucht nach Gott immer stärker ist als jeder Zweifel.

Zuvor fragte er mich noch: Wer ist das, Gott? Was ist das Geheimnis?

Genau um diese Frage geht es in der heutigen Nacht, in der Heiligen Nacht. Wer ist Gott? Wer ist das Kind in der Krippe?

Von Bernhard von Clairvaux ist eine Predigt zum Advent überliefert, in der er ein sehr schönes Bild zeichnet: Gott ist das unendliche Licht, mit Jesus ist dieses Licht für uns Menschen wie in eine Laterne gefasst. Gott umhüllt seine Herrlichkeit mit dem glorreichen Leib, den er annimmt, um uns als Menschensohn geboren zu werden.

Gott ist in seiner unendlichen Liebe Mensch geworden in Jesus. Durch den Menschensohn Jesus führt er uns hin zu ihm, durch ihn wird Gott sichtbar. Gott will, dass wir teilhaben an seinem Dasein. Mit diesem Teilhaben beginnt unser Leben, und das ewige Teilhaben ist auch das letzte Ziel.

Das besondere zu Weihnachten besteht darin, dass Gott uns als kleines Kind, als Baby begegnet. In dieser Einfachheit und in dieser Urfreude der Menschen über neues Leben gibt er uns die Möglichkeit, vertrauensvoll und friedlich auf ihn zuzugehen. Er macht keine Angst, er ist nicht stark. Er macht es uns einfach, ihn zu lieben.

Zu Weihnachten erfüllt uns Christen einmal mehr diese Hoffnung, die in der heutigen Welt immer kühner ist: Die Hoffnung, dass wir alle in der großen Liebe Gottes gehalten sind. Dass wir in Gott Frieden finden. Dass er für unser inneres wie auch für unser äußeres Leben der Weg und das Ziel ist. In der angesprochenen Adventpredigt des hl. Bernhard heißt es außerdem: „Wunderbar ist die Herablassung Gottes, der uns sucht, groß ist die Würde des Menschen, der so gesucht wird.“ Und wir müssen uns fragen: „Herr, was ist der Mensch, dass Du ihn so groß machst? Warum hängst du dein Herz an ihn?“. Seine Liebe zu uns macht uns einzigartig. „Gott hat gesehen, dass wir, wie Gelähmte, wie Blinde, nicht zu ihm kommen konnten. So kam er zu uns herab. Er milderte seinen Lichtglanz für unsere kranken Augen“, so schließt die Predigt des hl. Bernhard.

Wir können darauf vertrauen: An uns hängt Gottes Liebe. In ihm können wir Kraft sammeln, er trägt unsere Sorgen, er stiftet Frieden in unserem Leben und in unseren Herzen. Vergessen wir auf dieses Potenzial nicht, wenn es dunkel wird in und um uns. Vergessen wir nicht auf Gott, in dem alles Heil und alle Kraft liegt, um aufzustehen, und weiterzugehen.

Nehmen wir dieses Zeichen an: „Ihr werdet ein Kind finden, in Windeln gewickelt, das in einer Krippe liegt“. Wenden wir uns wie die Hirten diesem Kind zu, glauben und staunen wir in aller Einfachheit. Seien wir Zeugen für die Wirksamkeit seines Lichtes unter den Menschen, das seinen Ausgang nimmt mit einer Familie, der ein Kind geboren wurde, in einem Stall in Bethlehem.

Vergessen wir dabei eines nicht: Die Liebe, die in diesem Kind verborgen liegt, verwandelt. Wer zu begreifen, zu erahnen beginnt, wer dieses Kind ist und warum es zur Welt gekommen ist, empfindet den Wunsch, sich Gott und den anderen zuzuwenden, ihnen Liebe zu zeigen. Als aller erstes jenen, die man an der Seite hat, der Familie, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, aber auch jenen, die weiter weg sind. Können wir ehrlich Weihnachten feiern, ohne an die vielen Menschen zu denken, die in großer Not sind, in ihrer Existenz bedroht, verfolgt, auf der Flucht oder im Krieg? Ist es nicht notwendig, unsere Häuser zu öffnen für jene, die kein Zuhause haben? Für ihn, für Jesus und seine Mutter, war in den Herbergen kein Platz. Muss es immer wieder von neuem geschehen?

Die Hirten sagten zueinander: „Kommt, wir gehen nach Bethlehem, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr verkünden ließ.“ Auch wir sind eingeladen hinzuschauen, unser Herz zu öffnen für die Botschaft, die uns verkündet wird. Maria, seine Mutter, und Josef werden uns mit ihrer Fürsprache beistehen, damit das Geheimnis der Geburt Jesu in unserem Leben Frucht bringt.


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