Gewerkschaften ante portas

27. November 2014 in Deutschland


Katholische Bischöfe reformieren kirchliches Arbeitsrecht. Mehrere Bischöfe, darunter auch der DBK-Vorsitzende Kardinal Marx, hatten sich in den vergangenen Monaten für eine Liberalisierung stark gemacht. Von Christoph Arens (KNA)


Bonn (kath.net/KNA) Wenn über Gehälter und Arbeitsrecht für die 1,3 Millionen Beschäftigten von Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden Caritas und Diakonie verhandelt wird, sitzen künftig auch die Gewerkschaften mit am Tisch. Nach der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beschlossen jetzt auch die katholischen Bischöfe eine entsprechende Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts, wie die Deutsche Bischofskonferenz am Mittwoch in Bonn mitteilte.

Dass die Kirchen ihre Tariffindung und ihr Arbeitsrecht weithin eigenständig regeln können, ist weltweit einmalig. Und den Gewerkschaften - vom Marburger Bund bis zu ver.di - schon lange ein Dorn im Auge. Damit würden die Grundrechte Hunderttausender Beschäftigter unvertretbar eingeschränkt, argumentieren beide. 2013 legte ver.di Verfassungsbeschwerde ein, um ein Streikrecht in kirchlichen Unternehmen durchzusetzen.

Dabei räumt das Grundgesetz den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ein weitgehendes Selbstverwaltungs- und Selbstbestimmungsrecht ein. Hintergrund ist die Auffassung, dass Arbeit im kirchlichen Dienst eine religiöse Dimension hat. Daraus leiten sich besondere Loyalitätspflichten ab. So können kirchliche Mitarbeiter für ein Verhalten im Privatleben entlassen werden, das den Werten und Prinzipien ihrer Glaubensgemeinschaft widerspricht - etwa bei einer zweiten Heirat nach Scheidung. Das Betriebsverfassungsgesetz und die Möglichkeiten von Streiks und Aussperrung gelten für die Kirchen nicht. Alle Fragen des Tarifrechts werden durch paritätisch aus Dienstgebern und Dienstnehmern besetzte Kommissionen geregelt.

Zuletzt sind diese Regelungen aber zunehmend unter Beschuss geraten. Als Arbeitgeber hat die Kirche zunehmend Akzeptanzprobleme in Gesellschaft und Politik. Große Bedeutung hat auch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom November 2012: Damals entschieden die Richter in einem Grundsatzurteil, dass Streiks in kirchlichen Betrieben nicht grundsätzlich ausgeschlossen seien, aber dann untersagt sind, wenn die Kirchen die Gewerkschaften in ihre Verhandlungen einbinden.

Das hat der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD), in dem alle 27 katholischen Diözesanbischöfe vertreten sind, jetzt mit einer Empfehlung in die Wege geleitet. In den kommenden Monaten muss diese Empfehlung in den Diözesen und Caritasverbänden umgesetzt werden.

Für die Mitwirkung der Gewerkschaften in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen formulieren die Bischöfe allerdings Voraussetzungen. So müssten die entsandten Gewerkschaftsmitglieder «die Gewähr dafür bieten, dass sie das verfassungsmäßige Selbstbestimmungsrecht der Kirche achten und die Eigenart des kirchlichen Dienstes respektieren». In welchem Umfang die Gewerkschaften zu beteiligen sind, hängt nach dem Willen der Bischöfe grundsätzlich von ihrer Organisationsstärke ab. Allerdings sollen mindestens 10 bis 15 Prozent der Arbeitnehmersitze von Gewerkschaftsmitgliedern übernommen werden.

An einer anderen Baustelle des kirchlichen Arbeitsrechts sind die katholischen Bischöfe noch nicht so weit: Am Dienstag teilten sie mit, dass sie in der Frage des Umgangs mit Mitarbeitern, die beispielsweise nach Scheidung erneut zivilrechtlich geheiratet haben, noch keine Entscheidung getroffen hätten.

Mehrere Bischöfe, darunter auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hatten sich in den vergangenen Monaten für eine Liberalisierung stark gemacht. Schon jetzt gebe es keinen «Kündigungsautomatismus» für wiederverheiratet Geschiedene, betonte der Münchner Erzbischof. «Verstöße gegen die Loyalitätsanforderungen der Kirche führen nur bei schwerwiegenden Fällen zu Kündigungen».

Eine Woche zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht das kirchliche Arbeitsrecht in diesem Bereich noch einmal bestätigt und das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gestärkt: Der Zweite Senat hob ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts auf, das die Kündigung eines Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus nach dessen Wiederheirat für unwirksam erklärt hatte.

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