3. Dezember 2014 in Chronik
«Man sollte Luthers dunkle Seite nicht wegdrücken wollen», sagte der Kölner Sprachforscher Dietz Bering. Es sei unstrittig, «dass Luther die Juden vertreiben wollte und dabei auch in die Nähe von Totschlagen kommt».
Köln (kath.net/KNA) Der Kölner Sprachforscher Dietz Bering hat seine These bekräftigt, dass Martin Luther ein Antisemit gewesen sei. «Luthers judenfeindliche Schriften am Anfang und besonders am Ende seines Lebens mit ihren schrecklichen Schmähungen zeigen zumindest, dass er der Auffassung war, die Juden würden sich nie bekehren», sagte Bering vergangene Woche im Interview des Kölner «Stadt-Anzeiger». «Wenn man aber glaubt, es sei halt die angeborene Eigenschaft 'der' Juden, sich nicht bekehren zu lassen, dann ist man jedenfalls über den traditionellen Antijudaismus des Mittelalters weit hinaus.»
Mit dem Reformator sei der Antijudaismus erstmals antisemitisch transformiert worden, betonte Bering. Anders als Luthers Gewährsmann Paulus schließe er eine Rettung der Juden am Ende der Zeiten praktisch aus.
Laut Bering verdächtigten die Gegner Luthers den Reformator, «es mit den Juden zu haben». Diese Nähe zum Judentum habe seine aggressive Betonung der Unterschiede umso zwingender gemacht. Das neue Buch Berings hat den Titel: «War Luther Antisemit? Das deutsch-jüdische Verhältnis als Tragödie der Nähe.»
Nach den Worten des Wissenschaftlers ist es unstrittig, «dass Luther die Juden vertreiben wollte und dabei auch in die Nähe von Totschlagen kommt». Allerdings hätte er Auschwitz «mit Sicherheit grässlich gefunden». Die systematische Vernichtung eines Volkes habe nicht in seinem Denkhorizont gelegen. Grundlage von Luthers Antisemitismus sei nicht der nazistische Erlösungswahn gewesen.
Laut Bering kann es Luthers Antisemitismus von seinem Gewicht her aber keinesfalls mit den reformatorischen Zentralschriften der Jahre um 1520 mit dem dort entwickelten Freiheitsbegriff aufnehmen. «Die sind nicht antisemitisch.» Dies sei die Brücke, über die gläubige Protestanten heute gehen könnten. «Man sollte aber Luthers dunkle Seite nicht wegdrücken wollen», sagte der Wissenschaftler.
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