Was meinte Kardinal Schönborn mit der Würdigung homosexueller Paare?

27. Oktober 2014 in Kommentar


Man darf man aus den Worten des Kardinals nicht heraushören wollen, er hätte die Lehre der Kirche zur Homosexualität ändern wollen. Ein kath.net-Klartext von Bischof Andreas Laun


Salzburg (kath.net) Kardinal Schönborn habe, so hieß es in einigen Medien, die Menschlichkeit vieler homosexueller Paare gewürdigt und sich dabei vor allem auf einen ihm bekannten Fall einer eingetragenen Partnerschaft bezogen: Als der Eine krank wurde, habe sich der Andere wunderbar um ihn gekümmert, menschlich wie christlich. „Diese Dinge muss man anerkennen“, fügte der Kardinal hinzu und wandte sich gegen eine Verurteilung Homosexueller.

Da sich viele Menschen über diese Aussagen wunderten oder sogar empörten, je nach dem, sind drei Anmerkungen angebracht:

Erstens stellt sich die Frage, was es eigentlich heißt, „jemanden zu verurteilen“? Beim weltlichen Gericht wissen wir, was gemeint ist. Aber worin besteht die Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit einer „moralischen Verurteilung“? Wenn jemand die 10 Gebote Gottes für wahr hält und verteidigt: Hat er damit alle, die sie da und dort nicht einhalten oder ablehnen, „verurteilt“ und zwar so, dass sich der Urteilende damit als selbst sündiger „Verurteiler“ erweist, als Heuchler im biblischen Sinn? Und weiter: Wer protestiert und mahnt, niemand „zu verurteilen“, wenn ein jemand Stalin oder Hitler oder andere Verantwortliche für Völkermord „Verbrecher“ nennt? Wer beschwert sich, wenn bestimmte Leute vom Gericht „verurteilt“ werden? Wie schwer muss die Sünde sein, dass man einen Täter moralisch „Verurteilen“ darf oder als „Gutmensch“ sogar muss, und welche Sünder darf man auf keinen Fall „verurteilen“? Woran merkt man, ob ich jemand in verwerflicher Weise „verurteilt“ habe oder nur die Sünde benannt habe ohne den Sünder zu verurteilen, weil das letzte moralische Urteil über einen Menschen immer bei Gott bleibt? Der Wirrwarr löst sich, wenn man festhält: Die Kirche nennt jede Sünde, die schwere und die lässliche, Sünde, aber sie verurteilt nicht den Sünder, sondern weiß, dass das eigentliche Urteil über einen Menschen Gott vorbehalten bleibt, sogar bei ganz schweren Sünden! Die Mahnung, man solle andere Menschen „nicht verurteilen“, ist eine moralische, nicht nur christliche Selbstverständlichkeit und kommt sozusagen allen Sündern zugute. Gott wird alle Sünder richten und sich ihrer erbarmen, wenn sie die Vergebung annehmen! Wenn jemand zur Beichte geht, könnte man sagen: Auch die Selbst-Anklage ist eine Art „Verurteilung“ und diese ist moralisch gut!

Zweitens: Soll und darf man das Gute anerkennen, auch wenn es ein Sünder tut? Selbstverständlich! Es ist eine Erfahrung, die eigentlich jeder Mensch guten Willens machen kann, dass Menschen, die objektiv eine Sünde begehen oder sogar in ihr leben, „daneben“ auch Gutes tun können und dass das Gute nicht böse oder wertlos wird, weil es ein Sünder tut! Nicht nur jeder Priester, jeder Mensch kennt solche Fälle im Alltag des Lebens. Ein besonders ergreifendes Beispiel dieser Art erzählte kürzlich eine Frau: Ihr Stiefvater, aus dem Krieg zurückgekehrt, heiratete ihre Mutter. Als diese aber gestorben war, missbrauchte er das Mädchen jahrelang, so dass sie, als sie alt genug war, so schnell als möglich ihre Heimatstadt verließ. Aber, fügte sie nachdenklich hinzu, „mein Schwiegervater hat mir auch viel Gutes getan und für mich gesorgt, er war nicht nur schlecht!“ Auch für diesen Mann gilt: Das Gute soll und muss man anerkennen, auch wenn man das Schlechte, in diesem Fall den Kindesmissbrauch, nicht gut nennen und nicht verharmlosen darf. Denkt man an diesen Mann, gilt auch für ihn: Man darf ihn nicht „verurteilen“ und man muss das Gute, das er tat, anerkennen. Das Prinzip „nicht verurteilen“ und das „Gute anerkennen“ kann man an Hand auf unzähliger, harmloser und schwerwiegender Beispiele anschaulich machen: Etwa an einem Mann wie König David.

Übrigens fällt auf: Die Kirche kennt Heiligsprechungen in großer Zahl. Im Prüfungsverfahren werden ihre Tugenden benannt, das Gute das sie getan haben, aber auch ihre Sünden vor ihrer Bekehrung werden nicht verschwiegen. Die Heiligsprechung setzt so ein „Urteil“ voraus. Aber niemals hat die Kirche einen Menschen „verurteilt“ und behauptet zu wissen, dieser Mensch sei sicher in der Hölle!

Die öffentliche Meinung von heute tut genau das Gegenteil von all dieser Behutsamkeit: Sie verharmlost oder leugnet Sünden wie Ehebruch, bestimmte Sünden (z.B. Abtreibung) erklärt sie für gut, fördert „Toleranz“ für die Sünde oder will sie sogar „zu einem Menschenrecht erheben. Die Entscheidung für die Sünde wird oft und oft als legitime und zu ehrende Gewissensentscheidung“ schöngeredet. Während die Öffentlichkeit „Toleranz“ für viel Böses fordert, praktiziert sie selbst „Null-Toleranz“ für denjenigen, der die Gebote Gottes verteidigt und verurteilt hasserfüllt als „bösen Menschen“, der es wagt, Sünde als das zu bezeichnen, was sie in den Augen Gottes ist: ein Gräuel. Noch politisch unkorrekter und „sündhaft“ gemäß dem Lehramt der Öffentlichkeit ist derjenige, der einen Schritt weitergeht und davon redet, dass Gott Rechenschaft für das Handeln der Menschen fordern wird und dass man für ganz schwere Sünden sogar in die Hölle kommt.

Mit einem Wort: Kardinal Schönborn hat recht, man darf keinen Sünder „verurteilen“, auch wenn es angesichts mancher Verbrechen schwer ist, das „Nicht-Verurteilen“ durchzuhalten. Nur darf man aus den Worten des Kardinals nicht heraushören wollen, er hätte die Lehre der Kirche zur Homosexualität ändern wollen. Eine solche Änderung der Lehre hat der Kardinal nicht versucht, er wird es nicht und er könnte es nicht, wenn er es wollte. Das gilt sogar für den Papst! An der Lehre der Kirche ändern kann sich immer nur eine Unschärfe oder eine falsche Auslegung. Wahr ist und bleibt: Mord, Diebstahl, Ehebruch, Geiz, Hochmut und vieles mehr sind und bleiben Sünden. Ebenso wahr bleibt: Weder Diebe, noch Ehebrecher, noch praktizierende Homosexuelle, noch Steuersünder, Mörder und Hochmütige darf man „verurteilen“!

Und wenn solche Sünder da und dort Gutes tun, ist es richtig, das Gute anzuerkennen, zumal diese Anerkennung eine Hilfe zur Umkehr sein kann. Vor allem und viel wichtiger: „Im Buch des Lebens“ geht nichts verloren, Jesus erinnert sich an jeden, der ihm zu essen brachte, als er hungrig war, oder sonst etwas Gutes tat, auch wenn es ein Sünder war. Jesus sagt ja auch von dem guten Samariter“ nicht, dass er ein „Heiliger“ gewesen sei.

Kurz gefasst: Die Sünde Sünde nennen, aber den Sünder nicht verurteilen, das Gute, das auch dieser tut, anerkennen. Diese Dreiheit gilt! Und was die Homosexualität betrifft, ist es gut, sich zudem vor Augen zu halten: Es hat in der Geschichte sicherlich Heilige gegeben, die mit homosexuellen Versuchungen zu kämpfen hatten. Es hat sie gegeben und wird sie immer wieder geben, auch wenn wir ihre Namen nicht kennen. Mit irgendwelchen Versuchungen, zum Teil unterschiedlich je nach Alter und Schicksal, kämpft jeder Mensch bis zu seinem Lebensende. Zur Sicherheit sei auch diese Selbstverständlichkeit ausgesprochen: Niemand hat je behauptet, dass Heterosexuelle diesen Kampf grundsätzlich siegreicher bestehen als Menschen mit homosexuellen Neigungen. Und schließlich: Der „geistliche Kampf“ ist der Normalfall im Leben jedes Menschen, worin auch immer „sein besonderer“ Kampf neben dem allgemein menschlichen (gegen Egoismus, Neid, Eitelkeit, Hochmut und anderes dgl.) bestehen mag. Gottes Gnade hilft dabei und schenkt auch nach manchen Niederlagen den Sieg jedem, der zu Ihm, zu Gott, gelangen will!

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