Experte: Islamische Dachverbände nicht mit Kirche gleichsetzen

10. Oktober 2014 in Deutschland


Der Freiburger Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi warnt die Bundesregierung vor einer Gleichbehandlung islamischer Verbände und kirchlicher Vertreter.


Frankfurt (kath.net/KNA) Der Freiburger Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi warnt die Bundesregierung vor einer Gleichbehandlung islamischer Verbände und kirchlicher Vertreter. Die Mitglieder in der «Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion» (Ditib) und ähnlicher Verbände stammten vorwiegend aus der Türkei und seien sunnitisch geprägt, betonte der aus Algerien stammende Wissenschaftler in einem Gastbeitrag in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Donnerstag). Dadurch sähen sich aber die in Deutschland lebende Schiiten, Aleviten sowie arabischstämmige Muslime nicht vertreten.

Zudem wirft Ourghi den türkischen Verbänden vor, «weit von der modernen Erschließung eines humanistischen Islam» entfernt zu sein. Eine historisch-kritische Vermittlung der islamischen Glaubenslehre sei den Dachverbänden fremd. Der Ditib etwa wirft Ourghi vor, der wissenschaftlichen Freiheit feindlich gegenüberzustehen. Als problematisch bewertete er in dem Zusammenhang, wenn solche Verbände Einfluss auf die Gestaltung von islamischem Religionsunterricht und Islamstudien in Deutschland nähmen.

Nach Einschätzung des Islamwissenschaftlers leiden die türkischen Verbände unter einer «schizophrenen Identität». «Sie agieren hier, vertreten jedoch Interessen der Türkei und versuchen, durch ihren Klientelismus Einfluss auf der universitären Ebene bei der Auswahl der Lehrkörperschaft zu nehmen», so sein Vorwurf. Er betonte, dass die Ditib sich dabei an den Vorgaben des Ministeriums für religiöse Angelegenheiten in Ankara orientiere.

«Der Staat begeht einen Fehler, wenn er die muslimischen Dachverbände mit den kirchlichen Vertretern der Katholiken und Protestanten gleich zu behandeln versucht», so Ourghi. Hingegen solle ein bundesweites islamisches Gremium aus muslimischen Persönlichkeiten eingerichtet werden, in dem sowohl Sunniten als auch Schiiten und andere muslimische Gruppen vertreten seien. «So könnte eine religiöse Renaissance eines europäischen Islam in einem westlichen Kontext beginnen», so der Wissenschaftler.

Ourghi leitet an der Pädagogischen Hochschule Freiburg den Fachbereich Islamische Theologie und Religionspädagogik. Anfang des Jahres machte er Schlagzeilen, als er dem Münsteraner Soziologen Mouhanad Khorchide vorwarf, mit seinem Buch «Islam ist Barmherzigkeit» den syrischen Reformdenker Muhammad Shahrour plagiiert zu haben. Das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) an der Universität Münster wies die Vorwürfe zurück und nannte die Argumente Ourghis «diffus» und «böswillig».

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