25. August 2014 in Kommentar
Die katholische Friedensbewegung Pax Christi demonstriert eindrucksvoll, warum der Pazifismus angesichts entschlossener und rücksichtsloser Aggressoren stets komplett versagt. Ein Kommentar von Klaus Kelle
Köln (kath.net) Die katholische Friedensbewegung Pax Christi hat sich dieser Tage zum Treiben der islamistischen Terrorbrigaden IS geäußert. Keine deutschen Waffenlieferungen in das Kampfgebiet, das ist ihre zentrale Forderung, stattdessen eine Friedenskonferenz mit allen wichtigen Mächten der Region und der Welt. Man darf bezweifeln, ob es das ist, was die unmittelbar vom Tod bedrohten Christen und Jesiden jetzt von uns erwarten. Auf jeden Fall demonstriert Pax Christi eindrucksvoll, warum der Pazifismus angesichts entschlossener und rücksichtsloser Aggressoren stets komplett versagt.
Eine Welt ohne Waffen und ohne Gewalt wäre das nicht schön, sozusagen eine irdische Variante des Paradieses? Aber die Welt ist nicht so. Jeder von uns, besonders die verantwortlichen Politiker und auch die Kirchenführer stecken in einem Dilemma. Du sollst nicht töten ist eine klare Ansage unseres Herrn, aber genauso der Aufruf zur Nächstenliebe. Und so verwundert es nicht, dass der päpstliche Sondergesandte im Irak, Kardinal Fernando Filoni, die internationale Gemeinschaft um schnelle Hilfe für die von muslimischen Gotteskriegern verfolgten Menschen in der Kriegszone anfleht. Natürlich fordert der katholische Geistliche keine Luftangriffe oder westliche Bodentruppen, aber er sagt deutlich, dass moralische Appelle nicht ausreichen. Was bedeutet das denn anderes angesichts von Massenexekutionen, von gekreuzigten, gesteinigten, geköpften Menschen? Wenn Zehntausende, Familien mit Kleinkindern und alten Menschen, zu Fuß versuchen, dem Inferno zu entkommen, verfolgt von einer gnadenlosen Soldateska, die keine Gespräche führen, sondern herrschen und töten will? Die Christen und Jesiden, die um ihr Leben rennen, benötigen keine internationalen Konferenzen und auch erstmal keine Decken und Zelte von Frau von der Leyen. Sie benötigen Schutz, bewaffneten Schutz. Die USA haben nun angesichts des Elends militärisch eingegriffen. Natürlich die vielgescholtenen Vereinigten Staaten, wer sonst könnte es so schnell, wer sonst würde es tun? Es würde wohl niemanden wundern, wenn demnächst die ersten Demonstrationen gegen dieses Eingreifen in unseren Wohlstandländern stattfinden. Nicht gegen die islamistischen Terroristen, sondern gegen die USA, versteht sich.
Es sind Grenzsituationen für jeden Christen angesichts des Grauens, wenn die IS mordet, wenn in Srebrenica ein Genozid stattfindet oder das Hitler-Regime ein industriell organisiertes System der Massentötung installiert. Es sind diese Situationen, in denen jeder Mensch guten Willens, auch jeder Christ, aufgerufen ist, zur Waffe zu greifen und seinem Nächsten zur Hilfe zu eilen. Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer von den Grünen hat diesen Konflikt während des Bosnienkrieges 1995 in einer bemerkenswerten Rede beschrieben, als er im Bundestag sagte, seine Generation habe sich geschworen Nie wieder Krieg, aber eben auch Nie wieder Auschwitz. Was aber tun im Angesicht des originär Bösen? Was tun, wenn jede Menschlichkeit verschwunden ist?
Pax Christi oder auch Frau Käßmann sind sicher ehrenwerte Leute, die Gutes wollen und an den unbedingten Friedenswillen glauben. Aber sie irren. Die katholische Friedensbewegung hat Recht mit ihrer Kritik an Fehlern der Vergangenheit. Zu oft haben die Amerikaner und der Westen insgesamt auf die Falschen gesetzt, sind Bündnisse mit Despoten und Verbrechern um eines vermeintlich höheren Zieles eingegangen. Aber diese Erkenntnis hilft den Verfolgten jetzt nicht weiter, sie verhindert nicht, dass kleine Kinder von johlenden Horden aufgehängt, Männer an Kreuze geschlagen und verstümmelt werden, nur weil sie an Christus glauben. Waffenlieferungen und Krieg müssen für eine zivilisierte Gesellschaft und für Christen sowieso immer das letzte Mittel sein, die ultima ratio. Heute in den von der IS kontrollierten Gebieten ist es geboten, einzuschreiten. Und die USA sollten nicht die Einzigen bleiben, die den bedrängten Menschen dort zur Hilfe eilen.
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