Gold statt Kirchen? Gläubigenrevolte gegen orthodoxes Establishment

24. März 2003 in Weltkirche


300 Familien müssten umgesiedelt, zwei Kirchen und drei Friedhöfe abgerissen werden, damit eine kanadische Firma Gold abbauen kann. Die Kirchenleitung hat dem (Geld-) Druck offenbar nachgegeben.


Rosia Montana / Siebenbürgen (www.kath.net,gk) Die geplante Errichtung eines Zyanidsees sorgt für Unruhe in der rumänisch-orthodoxen Kirche, wie lokale Zeitungen berichten. Im Cornatal in Siebenbürgen will ein kanadisches Unternehmen den seit der Antike dort praktizierten Goldbergbau wieder aufnehmen. Um den dafür nötigen mehreren Hektar großen Zyanidsee errichten zu können, müssen nicht nur rund 300 Familien umgesiedelt, sondern auch zwei über 300 Jahre alte rumänisch-orthodoxe Kirchen und drei Friedhöfe abgerissen werden. Die Kirchenleitungen der Katholiken und Protestanten sprachen sich bei bei einem Treffen mit der Geschäftsleitung der kanadischen "Gold Corporation" im Oktober des Vorjahres einhellig gegen den Abriss aus und erklärten, ihre Kirchen nicht hergeben zu wollen. Im Gegensatz dazu zeigte sich das orthodoxe Erzbistum von Alba Julia durchaus geneigt und das, so spekulieren Kritiker, unter dem Einfluss von viel Geld.

Wie anders ist es zu erklären, dass der Ortspriester beim Sonntagsgottesdienst am 16. März den versammelten Gläubigen von Rosia Montana einen Brief von Erzbischof Andrei Andreicut vorlas, der ihnen mitteilte, die Kirchenleitung habe zugestimmt, die drei orthodoxen Friedhöfe des Cornatales aufzulassen und als Ersatz den Friedhof in Piatra Alba zu erweitern. Unter den Gläubigen, die das zum ersten Mal erfuhren, machte sich Schock und Empörung breit, denn sowohl Kirche als auch die Gräber ihrer Vorfahren haben einen hohen Stellenwert in ihrem Leben, ein technokratisches Denken in "Projekten" und "Projektnotwendigkeiten" ist ihnen unnachvollziehbar.

Eine alte Frau fragte den Priester, wo sie einmal begraben werden würde und erhielt die zynische Antwort, sie könne sich noch im Cornatal begraben lassen, aber ihre Angehörigen müssten schriftlich einwilligen, über ihrem Grab den Zyanidsee schwimmen zu lassen. Diese Antwort führte zu emotionalen Ausbrüchen und tumultartigen Szenen im Gottesdienst. Man verlangte das persönliche Erscheinen des Bischofs. Im Laufe der folgenden Woche verweigerte der örtliche Kirchenrat den Gehorsam und wandte sich in Protestschreiben an den Bischof und an den Sfantul Sinod, das höchste Gremium der rumänisch-orthodoxen Kirche.

Man forderte auch Auskunft, ob "nur" die Friedhöfe oder auch die zwei alten Kirchen abgerissen werden sollen, worauf die Kirchenleitung erklärte, die Kirchen würden erhalten bleiben. Die empörten Gläubigen halten dies für unehrliche Beschwichtigung, da die Kirchen mitten in dem für den Zyanidsee vorgesehenen Gebiet liegen. Letzten Medienberichten zufolge befindet sich derzeit praktisch die gesamte Bevölkerung des großteils orthodoxen Cornatales in Aufruhr gegen die Kirchenleitung. Die weitere Entwicklung ist noch nicht abzusehen.

Im Cornatal wurde von der Antike bis ins frühe 20. Jahrhundert Gold geschürft, dann waren die mit herkömmlichen Mitteln zugänglichen Erzadern erschöpft. Zurückgeblieben ist eine einzigartige, teils auch bizarre, mehrere hundert Hektar große Kulturlandschaft. Zu ihr gehören die römischen Minengalerien des antiken Alburnius Maior, die teilweise noch gar nicht ausgegrabenen römischen Bergwerkssiedlungen, und etliche malerische Dörfer und teils orthodoxe, teils unierte Kirchen. Zentrum ist der historische Bergwerksort Rosia Montana.

Seit dem Jahr 2000 verfolgt die kanadische "Rosia Montana Gold Corporation" das Projekt einer Wiederaufnahme des Goldbergbaues. Da das noch vorhandene Gold im Gestein zu fein verteilt ist, um geschürft werden zu können, soll hinter Betonmauern ein mehrere Hektar großer Zyanidsee entstehen. Die goldhaltigen Berge sollen mit riesigen Bulldozern abgetragen und zerkleinert werden, der Schotter würde dann im Zyanid aufgelöst und das Gold chemisch abgesondert werden. Obwohl die Umwelt- und Kulturzerstörung durch dieses Projekt offensichtlich ist, hat die rumänische Regierung und das Parlament schon Zustimmung signalisiert. Deshalb hat die Gesellschaft, obwohl noch wichtige Bewilligungen aus dem Umweltbereich ausstehen, schon jetzt unbehelligt mit teils illegalen Absiedlungen begonnen.

Rund 300 Familien wären von einer Umsiedlung betroffen. Dagegen erhoben sich in den letzten Monaten Proteste, vor allem von Archäologen, von der rumänischen Akademie der Wissenschaften und von Umweltschützern. Greenpeace Hungary verbreitet von Budapest aus, wohin der Arm der rumänischen Behörden nicht reicht, ganz ungeschminkt die Ansicht, dass die bisherige Erlangung von staatlicher Zustimmung und Duldung nur durch massive Schmiergeldzahlungen an korrupte Entscheidungsträger und Parlamentarier möglich war.


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