ARD-Film: Autorinnen antworten den Kritikern

15. August 2014 in Deutschland


Nach umstrittenem Film über evangelikale Christen hat der NDR nach eigenen Angaben rund 7.000 vorwiegend kritische Anfragen erhalten - Die Fernsehverantwortlichen behaupten, dass sie keinerlei religiöse Werte oder Einstellungen verletzen wollten


Hamburg (kath.net/idea) Die Verantwortlichen der ARD-Sendung „Mission unter falscher Flagge - Radikale Christen in Deutschland“ haben nach eigenen Angaben rund 7.000 vorwiegend kritische Anfragen erhalten. Selten habe eine Dokumentation so viele Reaktionen ausgelöst, schreibt der NDR, der für die am 4. August ausgestrahlte Sendung verantwortlich war. Die Redakteure Kuno Haberbusch und Julia Stein sowie die Autorinnen Mareike Fuchs und Sinje Stadtlich antworteten jetzt in einem ausführlichen Schreiben auf die Anfragen. Darin räumen sie einzelne Fehler ein, verteidigen aber die Grundausrichtung und die Kritik an einigen charismatischen bzw. pfingstkirchlichen Gemeinden und Organisationen. Diese stellte der Film, der bei seiner Erstausstrahlung knapp 1,5 Millionen Zuschauer hatte, als gefährlich heraus und warf ihnen unter anderem religiösen Machtmissbrauch vor. Die Fernsehverantwortlichen betonen, dass sie keinerlei religiöse Werte oder Einstellungen verletzen wollten: „Sollte das in Einzelfällen dennoch passiert sein, tut uns das leid.“ Sie verwahren sich gegen den Vorwurf, der Film habe pauschal alle Christen oder Evangelikale diffamiert und den Glauben an Gott ins Lächerliche gezogen. Man habe nur jene Gemeinden und Gruppierungen zum Thema gemacht, „bei denen wir unseres Erachtens problematische Strukturen gefunden haben und in denen nach unserer Erkenntnis die geistlichen Leiter ihre Macht ausnutzen“. Die vielen vorbildlichen Kirchengemeinden sollten ermutigt werden, „indem wir auf die fehlende Seriosität jener hinweisen, die statt ‚normaler’ Gemeindearbeit lieber auf spektakuläre Inszenierungen, unheilvolle Heilungsversprechen oder absurde ‚Sündenregister’ setzen“.

Allianz-Leiter sagten Interviews ab

Der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz – Dachorganisation von rund 1,3 Millionen Evangelikalen aus Landes- und Freikirchen – , Michael Diener (Kassel), hatte sich gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea dagegen verwahrt, Evangelikale unter einen „Generalverdacht“ zu stellen: „Wir erwarten von Fernsehbeiträgen gerade öffentlich-rechtlicher Sender, dass sie sich um ein differenziertes Bild auch der Evangelikalen bemühen und nicht einseitig nur auf teils durchaus negativ zu betrachtende Erscheinungen hinweisen.“ In dem Film war lediglich der Vorstandsvorsitzende von ERF Medien (früher Evangeliums-Rundfunk), Jürgen Werth (Wetzlar), zu Wort gekommen, der dem Hauptvorstand der Allianz angehört. Die NDR-Verantwortlichen begründen dies damit, dass Diener und der Generalsekretär der Allianz, Hartmut Steeb (Stuttgart), Interviewanfragen abgesagt und stattdessen auf Werth verwiesen hätten.

Keine heimlichen Aufnahmen

Im Film wurden folgende Gemeinden und Organisationen kritisch dargestellt: das Stuttgarter Gospel Forum, der Verein „Mission Freedom“ (Mission Freiheit) der Hamburger Kämpferin gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution Gaby Wentland, die TOS Gemeinde Tübingen (Tübinger Offensive Stadtmission), die in Berlin und Brandenburg tätige Organisation „Zukunft für Dich“ sowie die Freie Christliche Jugendgemeinschaft (FCJG) in Lüdenscheid. Alle hatten mit kritischen Stellungnahmen reagiert. Die Filmemacher weisen ihren Vorwurf zurück, Aufnahmen seien „heimlich“ gemacht worden. Viele Sequenzen stammten aus Internetübertragungen oder DVDs der porträtierten Organisationen. Von allen habe man Drehverbote erhalten. Außer dem Leiter der TOS-Gemeinde, Jobst Bittner, sei kein Verantwortlicher bereit gewesen, ein Interview vor der Kamera zu geben.

Eine Formulierung war „missverständlich und deshalb misslungen“

Die Filmemacher weisen die Behauptung des Vorsitzenden des Gospel Forums, Peter Wenz, zurück, sie hätten Mitglieder zu Hause aufgesucht oder eine Person in einer psychosozialen Station angerufen und unter Druck gesetzt. Im Blick auf „Mission Freedom“ beharren die Autorinnen auf der Feststellung, dass die Geschichte einer angeblichen Zwangsprostituierten Lisa, die in einem Video gezeigt wurde, „frei erfunden“ sei. Wentland hält dies für nicht zweifelsfrei erwiesen, hat aber nach eigenen Angaben die DVD längst zurückgezogen. Im Blick auf „Zukunft für Dich“ räumen die Autorinnen ein, dass ihre Formulierung, der Leiter, Jörg Kohlhepp, habe sich vor allem auf Kinder spezialisiert, „missverständlich und deshalb misslungen“ sei.

„Bedrückende Schilderungen“ über FCJG

Im Blick Aussteiger aus der FCJG, die auf eigenen Wunsch anonym zitiert wurden, schreiben die Autorinnen, dies erscheine ihnen verständlich „angesichts der bedrückenden Schilderungen um das Innenleben dieses Vereins und ihrer Angst vor dem langjährigen Vorsitzenden Walter Heidenreich“. Im Blick auf die TOS-Gemeinde sei deren Engagement gegen Antisemitismus zu begrüßen. Kritikwürdig erscheine aber die in Videos dokumentierten Heilungsversprechen von Depressionen, Krebs und anderen Krankheiten als Folge der „Blutschuld“ von Verbrechen der Vorfahren.

Autorinnen als „verpfuschte Existenzen“ beschimpft

Die Autorinnen betonen, dass sie Kritik an ihrem Film „aus ehrenwerten Motiven“ respektieren. Allerdings seien sie sowie Redakteure auch als „verpfuschte Existenzen“, „vom Teufel getrieben“, „verantwortungslose Gestalten“, „psychisch gestört“ oder „vergleichbar mit Goebbels“ bezeichnet worden.


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