Standortbestimmung mit vielen Standpunkten

17. Juli 2014 in Kommentar


Publizist Volker Resing: Auch in den Unionsparteien müsse man als Christ heute für seine Überzeugung streiten und dürfe diese Auseinandersetzung nicht scheuen. Gastbeitrag von Franziska Harter


Bonn (kath.net) Politik als Möglichkeit für Christen in einer säkularen Welt, die Gesellschaft aus der kirchlichen Soziallehre heraus zu gestalten und christliche Positionen argumentativ verständlich zu machen - das war der Ausgangspunkt der fünften gemeinsamen Soiree der Initiative Pontifex (ehemals Generation Benedikt) und des traditionsreichen Instituts für Gesellschaftswissenschaften Walberberg e.V. „Christliches Engagement in Politik und Gesellschaft - eine Standortbestimmung“, so der Titel der Veranstaltung. Doch wie können sich Christen in der Politik für die Verankerung ihrer Werte in einer Gesellschaft einsetzen, in der die Kirche(n) ihre Prägekraft weitgehend eingebüßt hat/haben? Mit dieser Leitfrage führte Professor Wolfgang Ockenfels als einer der Veranstalter in die diesjährige Soiree im Uniclub Bonn ein.

Die Situation von Christen in der Politik fasste Martin Kastler, bis zum Mai diesen Jahres CSU-Europaabgeordneter und aktuell europapolitischer Sprecher des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, so zusammen: Die politisch engagierten Christen seien in Deutschland und Europa weniger geworden, während gleichzeitig die als christlich firmierenden Positionen „bunter“ im Sinne von differenzierter geworden seien. Gleichzeitig lasse sich eine Tendenz zu einem fortschreitenden Rückzug des Religiösen ins Private feststellen. Resignation könne darauf keine Antwort sein.

Armin Laschet, Landes- und Fraktionsvorsitzender der CDU NRW und stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU, forderte eine stärkere Betonung der christlichen Soziallehre in einer Politik mit christlicher Prägung. Die Soziallehre der Kirchen betrachte den Menschen als Individuum und soziales Wesen, nehme ihn also gleichermaßen in seiner persönlichen Freiheit und seiner Einbindung in zwischenmenschliche Beziehungen wahr. Mit dieser Verortung des Menschen im sozialen Kosmos grenze sich das christliche Menschenbild in der einen Richtung von individualistischen, einseitig auf die persönliche Autonomie des Einzelnen abhebenden Positionen sowie in der entgegengesetzten Richtung von jeder kollektivistischen Ideologie ab. „Sozial“ sei ein Grundgedanke der christlichen Soziallehre, der auch als solcher propagiert werden solle, damit dieser nicht einer Vereinnahmung durch linksgerichtete Argumentationen zum Opfer falle. Dafür brauche es Köpfe. Anders als früher und in seinem persönlichen Fall, erführen heute auch in den C-Parteien viele junge Politiker ihre Sozialisierung jedoch nicht mehr in den kirchlichen Jugendbewegungen. Das verlange eine intensivere Auseinandersetzung mit der Theorie an sich.

Von einer „Atomisierung des ‚C‘-Labels“ sprach Volker Resing, Journalist, Buchautor und designierter Chefredakteur der Herder-Korrespondenz, und bezog sich damit auf die Pluralisierung der Positionen, die sich als christlich bezeichnen. Auch in den Unionsparteien müsse man als Christ heute für seine Überzeugung streiten und dürfe diese Auseinandersetzung nicht scheuen. Gerade die Frage nach dem, was unter christlichen Werten zu verstehen sei, könne Ansatzpunkt einer „offensiven Selbstvergewisserung“ sein und biete gleichzeitig die Möglichkeit, die eigene Position basierend auf vernünftigen Argumenten darzulegen.

Das Podium beließ es nicht bei der begrifflichen Arbeit, sondern leuchtete unter der Moderation von Nathanael Liminski, Chefredakteur des JU-Magazins „ENTSCHEIDUNG“, die Möglichkeiten für christliches Engagement in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen aus. Martin Kastler wies auf die Europäische Bürgerinitiative als ein Instrument zivilgesellschaftlicher Einflussnahme auf die EU-Politik hin. Gegenüber jenen, welche das Christentum auch auf europäischer Ebene bewusst zurückdrängen wollen, gebe es viele Möglichkeiten, bestimmte Themen wie etwa auch das Gendermainstreaming aus der Tabuzone zu holen, eine Auseinandersetzung anzustoßen und so die Gesellschaft christlich zu prägen. Gleichzeitig sei es wichtig, auch solche Themen zu besetzen, die nicht von vorneherein mit einer christlichen Zielsetzung identifiziert würden, und hier mit gesundem Menschenverstand und strategischen Partnerschaften die Menschen „positiv zu überraschen“.

Volker Resing betonte, dass es Christen in Politik und Gesellschaft nicht nur um die Kirche und das Christliche selbst gehen sollte, sondern darum, auch offensichtlich religionsferne Themen in christlicher Weise zu bearbeiten. Armin Laschet verwies auf die unterschiedliche Haltung von Protestanten und Katholiken in der Politik, mit ihrem Glauben öffentlich umzugehen. Während es zahlreiche politische Amtsträger gebe, die sich auch als Protestanten aktiv an der öffentlichen Diskussion beteiligten, sei bei Katholiken eine größere Zurückhaltung zu spüren. Hier sei jedoch erfahrungsgemäß mit einer kritischeren Rezeption in der Öffentlichkeit zu rechnen. Vor diesem Hintergrund forderte der emeritierte Kölner Weihbischof Klaus Dick, langjähriger Wegbegleiter von Joseph Ratzinger, zu mehr Mut im öffentlichen Bekenntnis auf: Das Christentum als Bekenntnisreligion dürfe sich nicht in die Privatheit zurückziehen oder auch drängen lassen. Hier setzten die Teilnehmer des Podiums unterschiedliche Schwerpunkte, die sich jedoch alle um die drei Pole Engagement, persönliche Positionierung und Aktion drehten: Sich ungeachtet der (oft geringen) Anzahl an Mitstreitern überhaupt für die Allgemeinheit zu engagieren, die eigenen christlichen Standpunkte in der Diskussion offenlegen und durch aktive Themensetzung und -besetzung Einfluss ausüben. In diesem Rahmen sind Christen dazu berufen, durch persönliches Handeln in Verantwortung vor Gott die Gesellschaft als einen menschenwürdigen Lebensraum mitzuformen. In der Diskussion wurde jedoch deutlich, dass die Sorge vor medialer Diffamierung für junge Menschen ein großes Hemmnis darstellt, sich in der Politik zu engagieren. Die Konzentration auf Familie und Karriere statt auf politisches Engagement stellt offensichtlich eine attraktive Alternative dar, so lange man als überzeugter Christ in der Gefahr steht, allzu schnell in der Öffentlichkeit in eine radikale Ecke gedrängt zu werden.

In ihren abschließenden Worten plädierte Mareike Bues, Sprecherin der Initiative Pontifex, Spielräume im eigenen Umfeld auszunutzen, um im Kleinen Veränderungen herbeizuführen. Ein solcher Weg der kleinen Schritte möchte das Mediennetzwerk junger Katholiken selbst sein, indem es die mediale Aufmerksamkeit nicht scheut, sondern sich ihr als „Pontifex“, als Brückenbauer zwischen Öffentlichkeit und Glaube, zur Verfügung stellt.

Fotos aus der Veranstaltung:





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