Die Gefahren des ‚weichen Atheismus’

27. Mai 2014 in Chronik


Auch der sogenannte ‚weiche Atheismus’ sieht in den Religionen ein irrationales Phänomen. Obwohl er dem Glauben eine gewisse Nützlichkeit für die Gesellschaft zugesteht hält er ihn letztlich für überflüssig.


Skokie (kath.net/jg)
Kardinal Newman habe Mitte des 19. Jahrhunderts darum gerungen, die Vernünftigkeit des Glaubens zu verteidigen. Dieselbe Auseinandersetzung sei auch heute zu führen. Das Wirken der „neuen Atheisten“ wie Richard Dawkins sei dafür der Beweis, schreibt Pater Robert Barron. Konkreter Anlass für seinen Artikel auf dem Blog Strange Notions ist ein Interview mit Philip Kitcher in der New York Times.

Kitcher ist Professor für Philosophie an der Columbia Universität in New York. Er bezeichnet sich selbst als Vertreter eines „weichen Atheismus“, der sich von der polemischen Variante eines Richard Dawkins oder Christopher Hitchens dadurch unterscheide, dass er der Religion eine nützliche Rolle in der Gesellschaft zubilligt.

Religiöse Lehren seien für ihn nicht glaubhaft, sagte Kitcher. Es gebe so viele verschiedene Religionen, die radikal unterschiedliche Auffassungen der Wirklichkeit, des Göttlichen und des Sinnes des Lebens hätten. Alle Religionen hätten ein vergleichbares Fundament, nämlich eine göttliche Offenbarung an frühe Vorfahren. Es gebe deshalb keinen vernünftigen Weg, die verschiedenen religiösen Lehren zu beurteilen, sagte Kitcher. Der einzige Grund warum jemand Christ sein könne sei dass er christliche Eltern gehabt habe, die diese religiöse Lehre an ihn weiter gegeben hätten. Jemand der in einer jüdischen oder hinduistischen Tradition aufgewachsen sei, könne nicht mit Gründen der Vernunft von der Richtigkeit der christlichen Lehre überzeugt werden. Ein Mythos stehe dem anderen ohne Möglichkeit einer Vermittlung gegenüber, sagte Kitcher.

Was Kitcher hier referiere sei nichts anderes als eine aus der Aufklärung bekannte Position die besage, dass religiöse Offenbarungen der Vernunft unzugänglich seien, schreibt Barron. Kitchers grundlegender Fehler sei es, dass er die Rolle der religiösen Tradition in der Entwicklung und Definition der Lehre übersehe. Er habe insoweit recht als Religionen im Allgemeinen von konkreten, sie begründenden Ereignissen ausgehen würden. Doch würden diese Erfahrungen nicht einfach kritiklos von einer Generation in die nächste weiter gegeben. Sie würden mit anderen, ähnlichen Ereignissen verglichen und mit dem was wir aus anderen Quellen über die Welt wüssten in Verbindung gesetzt. Sie würden – im Gegensatz zu Kitchers Behauptung – sehr wohl rational analysiert und philosophisch durchdrungen. Die Diskussion um die Bedeutung von Offenbarungsinhalten könne sich über Jahrhunderte und Jahrtausende ziehen. Auch mit Vertretern anderer Religionen könne man in einen vernünftigen Diskurs treten um Gemeinsamkeiten und Unterschiede fest zu stellen, schreibt Barron.

Ihn störe, dass Kitcher alles Religiöse dem Bereich des Irrationalen zuordne. Im Verlauf des Interviews vergleiche er religiöse Erfahrungen mehrmals mit den Erfahrungen von Menschen die unter einer Psychose litten. An diesem Punkt werde die Gefahr von Kitchers Ansatz deutlich. Eine Gesellschaft die von „weichen Atheisten“ dominiert werde würde die Religion zunächst tolerieren, sie aber bald marginalisieren und religiöse Menschen im Extremfall sogar in psychiatrische Anstalten einliefern. Wem das paranoid erscheine, der möge sich daran erinnern, dass dies tatsächlich mit Regimekritikern in der Sowjetunion geschehen sei, erinnert Barron.

In dem Interview mit der New York Times sagte Kitcher, er sei als Gegner der Religionen vielleicht noch heimtückischer als Daniel Dennet und Richard Dawkins. Diese würden bestimmte Formen von Religion einfach ignorieren, nämlich jene, die sich primär um soziale Gerechtigkeit und andere irdische Dinge annehmen würden. Er hingegen wolle auch diese Religionen schrittweise verschwinden sehen.


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