Volkskirche hui – Katakombenkirche pfui?

22. Mai 2014 in Kommentar


Politiker und Politikerinnen interessieren sich immer mehr für kirchliche Quasi-Ämter in Gremien und Laienvertretungen. Wird das Christentum überparteilich als gesellschaftlicher Kitt interessant? Ein Gastkommentar von Peter Esser


Düsseldorf (kath.net/Echo Romeo) In einer Diskussion über die Frage, ob sich die Kirche als Bekenntnisgemeinschaft der Eingeschworenen in möglichen, zukünftigen »Katakomben« selbst fromm gettoisiert – oder ob sie im Versuch, Breitenkirche zu bleiben, ihr geistliches Profil verlieren wird, habe ich folgende Gedanken formuliert. Vielleicht sind sie hilfreich, vielleicht nicht. Auf jeden Fall wollte ich mal wieder bloggen.

Für mich ist eine paradox korrelierende Entwicklung auszumachen. Je mehr die Kirche als gesellschaftliche Größe in einem Marginalisierungsprozess ist, desto mehr interessieren sich Politiker und Politikerinnen für kirchliche Quasi-Ämter in Gremien und Laienvertretungen. Ich finde es atemberaubend, wie viele Politiker dem ZdK angehören; ein Bundestagspräsident schreibt eine Vaterunser-Paraphrase, zur Vertonung frei gegeben. Die Familienministerin wirbt über katholisch.de für Ehrenamtlichkeit bei Jugendlichen. Die Reihe lässt sich fortsetzen …

Seltsamerweise scheinen Parteigrenzen bei dieser neuen Form religiösen Engagements keine bedeutende Rolle zu spielen. Das Christentum wird überparteilich als gesellschaftlicher Kitt interessant.

Dabei ist festzustellen, dass bei Politikchristen parteiübergreifend eine Tendenz wahrzunehmen ist, das Christentum nicht mehr als normsetzend, sondern eine als relative kulturelle Größe unter anderen Größen neu zu beschreiben.

Aber damit ist die zentrale Botschaft von Jesus Christus, der als der eine Bestimmungspunkt Gottes in der Geschichte (Menschheit) doch derjenige ist, der das All trägt (Göttlichkeit) – der Relativierung und dem jeweiligen Zweck preisgegeben.

Wenn Politiker versuchen, auf die Kirche Druck auszuüben (»Ökumene jetzt!«, Kreuzstreit, Neubewertung der Morallehre) dann kann es sehr schnell geschehen, dass sich die eigentliche Gemeinde unter dem Druck der Tagesmeinung doch auf den gläubigen Kern reduziert – aber das geschieht nie in Selbstgenügsamkeit!

Erst eine bekennende Kirche wird auch wieder eine missionarische Kirche. Gefährlich für die Kirche ist nicht der Verzicht auf Strukturen, die zu Zeiten einer Volkskirche sinnvoll waren. So klingt das oft in der etwas suggestiven Warnung davor an, sich auf die »Sakristeiperspektive« zurückzuziehen. Eine Selbstmarginalisierung wäre hingegen der Versuch, die Menschenmassen in einem inhaltlich vagen Raum des Quasibekenntnisses als »Volkskirche« zu erhalten. Zum lebendigen Herz der Kirche finden dann nur wenige. Eine Kirche im Ungefähren steht ihrer eigenen Sendung im Wege. Sie muss anstößig bleiben.

Den Autor Peter Esser kann man im kath.net-Interview näher kennenlernen: „Ich erbitte von der Kirche in Deutschland für mich: Den Glauben“



Cartoon © Peter Esser


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