Johannes Paul II. und die Heiligkeit als Postulat christlichen Lebens

26. April 2014 in Spirituelles


Nach Heiligkeit zu streben, ist kein Privileg der Seligen und Heiligen sondern die Pflicht eines jeden Gläubigen. Von Ulrich Nersinger


Rom (kath.net/as) „Ohne Umschweife sage ich vor allen anderen Dingen: Die Perspektive, in die der pastorale Weg eingebettet ist, heißt Heiligkeit!“ Diese provokante Aussage findet sich in dem Apostolischen Schreiben Novo Millennio Ineunte, mit dem Papst Johannes Paul II. das Heilige Jahr 2000 zum Abschluss führte.

Der Papst erinnert in seinem Schreiben an das Zweite Vatikanische Konzil und fordert dazu auf, „das fünfte Kapitel der Dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen gentium in seinem ganzen programmatischen Wert neu zu entdecken“. Das betreffende Kapitel ist der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit gewidmet. Der Papst merkt an: „Wenn die Konzilsväter diesem Thema so viel Bedeutung beigemessen haben, dann taten sie das nicht, um der Ekklesiologie gleichsam einen spirituellen Anstrich zu geben; vielmehr wollten sie, dass dadurch eine innere Dynamik zum Ausdruck kommt, die ihr eigen ist“.

Das Streben nach Heiligkeit müsse die ganze christliche Existenz leiten, denn „das ist es, was Gott will: eure Heiligkeit“ (1 Thess 4,3). Dieser Auftrag ergehe nicht nur an einige wenige Christen: deutlich habe das Konzil dargelegt, dass alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen seien.

Für Johannes Paul II. steht fest, „dass es widersinnig wäre, sich mit einem mittelmäßigen Leben zufriedenzugeben, das im Zeichen einer minimalistischen Ethik und einer oberflächlichen Religiosität geführt wird, wenn die Taufe durch die Einverleibung in Christus und die Einwohnung des Heiligen Geistes ein wahrer Eintritt in die Heiligkeit Gottes ist. Das Konzil selbst hat erklärt, dass man dieses Ideal der Vollkommenheit nicht falsch verstehen darf, als sei es eine Art außerordentlichen Lebens, das nur von einigen »Genies« der Heiligkeit geführt werden könnte. Die Wege der Heiligkeit sind vielfältig, und der Berufung eines jeden angepasst ... Es ist jetzt an der Zeit, allen mit Überzeugungskraft diesen »hohen Maßstab« des gewöhnlichen christlichen Lebens neu vor Augen zu stellen“.

Die Berufung zur Heiligkeit ergehe an jedes Individuum in der Kirche. Aber auch jede Gemeinschaft von Christen, jede Ausprägung von Gemeinde, sei diesem unabdingbarem Ideal verpflichtet – sie müsse Heiligkeit als Postulat wahrnehmen. Dazu bedürfe es Ansporn und Hilfe. Das siebte Kapitel der Dogmatischen Konstitution Lumen gentium widme sich der Beziehungen der irdischen zur himmlischen Kirche, es spreche von „Schicksalsgenossen unserer Menschlichkeit“, die schon bei Gott sind, und uns als Wegweiser und Gefährten des Glaubens dienen: den Heiligen. Nicht ohne Grund stehe der Großteil der Gemeinden unter dem Titel, dem Patronat eines Heiligen.

Der Papst stellt am Schluss des Apostolischen Schreibens Novo Millennio Ineunte die Frage: „Kann man Heiligkeit etwa planen?“. .Er bejaht dies; er fordert sogar „eine eigene Pädagogik der Heiligkeit“. In diese Pädagogik müsse sich jede kirchliche Gemeinschaft – ob Bistum, Pfarre, Orden oder geistliche Gemeinschaft – einbinden lassen. Das Patronat eines Heiligen gebe ihr hierzu eine unschätzbare Hilfe, „denn wenn wir auf das Leben jener blicken, die Christus treu nachgefolgt sind, erhalten wir auf neue Weise Antrieb, die künftige Stadt, das himmlische Jerusalem, zu suchen. Ohne Zweifel besitzen wir eine große Wolke von Zeugen, durch die Gott uns gegenwärtig wird und zu uns spricht. Dadurch werden wir mit großer Kraft hingezogen, sein himmlisches Reich zu erlangen“.

Kirche, die nicht mehr zur Heiligkeit aufrufe, verleugne ihren Auftrag, verliere ihre Existenzberechtigung, denn sie sei von ihrem Wesen her auf Verkündigung, Mission angelegt, den „die geheime Quelle und das unfehlbare Maß der missionarischen Kraft der Kirche ist ihre Heiligkeit“ (Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles Laici, Nr. 17, 3).

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