Hat Volker Beck keine Argumente mehr?

8. Jänner 2014 in Kommentar


Volker Beck, der religionspolitische Sprecher der Grünen, wirft dem Papst in Bezug auf die Homo-Ehe einen ‚theologischen Rückfall’ vor. Seine Kritik ist unsachlich und schlecht fundiert. Ein Kommentar von Johannes Graf


Berlin (kath.net/jg)
Volker Beck, der religionspolitische Sprecher der Grünen im deutschen Bundestag, hat Papst Franziskus einen „theologischen Rückfall“ vor das Zweite Vatikanische Konzil unterstellt. Papst Franziskus hatte zuvor ein geplantes Gesetzesvorhaben zur Gleichstellung homosexueller Paare mit Ehepaaren in Malta als „anthropologischen Rückschritt“ bezeichnet.

Beck zog in seiner Stellungnahme die Erklärung „Dignitatis humanae“ heran, die er als „zentrale Schrift des Konzils zur Glaubensfreiheit“ charakterisierte. Darin habe die Kirche die Gewissensfreiheit derjenigen betont, die nicht ihren Lehren folgen würden. Die Kirche solle „aufhören, den weltlichen Gesetzgeber, der den verfassungsrechtlichen Geboten von Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit verpflichtet ist, direkt oder indirekt aufzufordern, die gegenüber Homosexuellen diskriminierende Sexuallehre der Kirche zu übernehmen“, wurde Beck wörtlich zitiert.

Seine Argumentation kann man wie folgt zusammenfassen. Die katholische Kirche ist aus religiösen Gründen gegen die Ausweitung der Ehe auf homosexuelle Paare. Weltliche Gesetzgeber sind den angegebenen verfassungsrechtlichen Geboten verpflichtet, die nach Becks Ansicht im Falle der Homo-Ehe nicht mit der Lehre der Kirche vereinbar ist. Die Kirche vertritt seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Ansicht, dass in religiösen Dingen die Gewissensfreiheit des einzelnen zu achten sei. Wenn nun Papst Franziskus behauptet, die Gleichstellung der Homo-Ehe mit der Ehe heterosexueller Paare sei ein „anthropologischer Rückschritt“, dann macht er damit gleich zwei Fehler.

Erstens verlange er von der Gesellschaft, die – wie oben dargestellt – angeblich anderen Prinzipien verpflichtet ist als die katholische Kirche, ihre Lehre zu übernehmen. Papst Franziskus fordere als Vertreter einer Religionsgemeinschaft, dass weltliche Instanzen eine Lehre übernehmen, die ihren Prinzipien widerspricht. Das stehe ihm nicht zu.

Zweitens widerspreche der Papst der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dieses betone die Gewissensfreiheit in religiösen Fragen. Niemand dürfe in religiösen Fragen gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln. Genau das würde aber verlangt, wenn die Kirche ihre Lehre der Gesellschaft aufzwingen würde. Da Beck behauptet, Papst Franziskus falle mit dieser Aussage hinter das Zweite Vaticanum zurück, geht er wohl davon aus, dass das Konzil in dieser Frage die Lehre der Kirche geändert hätte.

In dieser Argumentation ist eine ganze Reihe von eklatanten Fehlern zu finden. Es ist erstaunlich, wie wenig ein deutscher Spitzenpolitiker offenbar von einer Materie versteht, zu der er die Position seiner Partei vertreten soll.

Der wesentlichste Fehler besteht in einer Voraussetzung, die Beck gar nicht explizit anspricht. Er wirft der Kirche vor, die Gewissensfreiheit in religiösen Fragen zu missachten, wenn sie „Regierungen oder Parlamente weiter auffordert, Homosexuelle zu benachteiligen“. Das heißt aber, dass das Eintreten der Kirche gegen die Homo-Ehe nach Becks Ansicht eine rein religiöse Grundlage hat. Das stimmt nicht, wie man in den „Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen Homosexuellen“ nachlesen kann, welche von der Glaubenskongregation im Jahr 2003 veröffentlich worden ist. Es handle sich um eine Materie, die das natürliche Sittengesetz betrifft. Dieses wird „von der rechten Vernunft erkannt“, heißt es in Absatz 6. Die Kirche argumentiert in dieser Sache nicht nur auf Grundlage der göttlichen Offenbarung, sondern mit Argumenten, die prinzipiell allen zugänglich sind, die sich „für die Förderung und den Schutz des Gemeinwohls der Gesellschaft einsetzen“, und zwar unabhängig von ihrer religiösen Überzeugung.

Wenn Beck fordert, die Kirche solle aufhören, weltliche Gesetzgeber dazu aufzufordern, ihre Sexualmoral zu übernehmen, so geht der darin enthaltene Vorwurf ins Leere. Papst Franziskus hat nicht verlangt, die Sexuallehre der Kirche zur Homosexualität solle zur Grundlage für zivilrechtliche Gesetze werden. Er hat sich gegen die Gleichstellung der Homo-Ehe mit der traditionellen Ehe ausgesprochen. Das müsste eigentlich jedem auffallen, der sich wirklich mit der Aussage des Papstes auseinander setzt.

Die Erklärung „Dignitatis humanae“ eignet sich zur Unterstützung der Beckschen Argumentation herzlich wenig. Sie befasst sich mit dem Recht des Menschen auf freie Ausübung seiner Religion. Dieses Recht muss vom staatlichen Gesetzgeber respektiert werden (DH 2). In diesem Sinn ist der Satz zu verstehen, dass in religiösen Dingen niemand gezwungen werden darf, gegen sein Gewissen zu handeln. Gleichzeitig gilt, „dass die höchste Norm des menschlichen Lebens das göttliche Gesetz selber ist“ und jeder Mensch die Pflicht und das Recht hat, „die Wahrheit im Bereich der Religion zu suchen“ (DH 3). Die Erklärung will auch die Lehre der Kirche nicht verändern, wie Beck offenbar annimmt, wenn er von einem „Rückfall“ vor das II. Vaticanum spricht. Das Konzil befragt „die heilige Tradition und die Lehre der Kirche, aus denen es immer Neues hervorholt, das mit dem Alten in Einklang steht“, heißt es wörtlich in DH 1.

Volker Becks Kritik an Papst Franziskus erweist sich als nicht fundiert und unsachlich. Er ist immer wieder als scharfer Kritiker der katholischen Kirche aufgefallen. Hat er sich nur schlecht informiert, oder hat er schlicht keine Argumente?


Link zu den Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen

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