Trendforscher Horx: 'Fürchtet euch nicht!'

8. Jänner 2014 in Interview


Die Klimakatastrophe fällt aus, und der Weltuntergang findet nicht statt


Wetzlar (kath.net/idea) Zu mehr Zukunftsoptimismus hat der Trendforscher Matthias Horx (Wien) aufgefordert. Bei Katastrophenszenarien solle man sich an die christliche Botschaft „Fürchtet euch nicht!“ erinnern. Der Euro werde nicht scheitern, die Klimakatastrophe bleibe aus, und der Weltuntergang finde nicht statt, sagte Horx der Evangelischen Nachrichtenagentur idea (Wetzlar). Der 58-Jährige gründete 1999 das „Zukunftsinstitut“ und berät zahlreiche europäische Unternehmen. Horx zufolge gibt es heute nicht mehr Krisen, Naturkatastrophen oder Kriege als früher. Der Mensch sei darüber nur besser informiert. Die Idee, dass die Menschheit den Planeten umbringen könne, sei eine Selbstüberhebung. Horx: „Ich halte die Wahrscheinlichkeit für sehr hoch, dass es unseren Kindern und Enkeln bessergehen wird als uns heute. Wir werden Umweltprobleme lösen, und immer mehr Menschen auf diesem Planeten werden auch im Wohlstand leben. Gleichzeitig werden wir immer noch Probleme, Krisen und Konflikte haben. Das Paradies ist auf der Erde nicht zu haben – aber Verbesserungen sind nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich.“

Der Euro bleibt bestehen

Horx zufolge wird der Euro nicht scheitern. Die Nachteile bei seiner Abschaffung würden für viele Länder, Banken und Unternehmen überwiegen. Horx: „Es gibt eine Menge Akteure auf dem Spielfeld, die am Erhalt interessiert sind. Auch immer noch die Mehrheit der europäischen Bürger. Deshalb wird der Euro weiter existieren.“

Klimakatastrophe sehr unwahrscheinlich

Auch den Eintritt einer Klimakatastrophe hält der Zukunftsforscher für unwahrscheinlich. Bei einer Erderwärmung von zwei Grad Celsius erhöhe sich der Meeresspiegel um etwa 50 Zentimeter: Das wird man in den meisten Regionen der Welt gar nicht bemerken, weil sich die Wassermassen auch ungleich um den Planeten verteilen. In anderen Gegenden wird man Deiche bauen müssen, so wie man das in Hamburg getan hat. Klimawandel wird ein Wandel – aber keine Katastrophe.“ Man müsse unterscheiden zwischen „sachlicher Information und apokalyptischen Übertreibungen bestimmter Interessengruppen, die für ihre Warnungen Aufmerksamkeit und Fördergelder erhalten wollen“. Horx zufolge lieben es Medien, die extremsten Szenarien auszuwählen und als Realität zu verkaufen. Eine verzerrte Berichterstattung trage aber dazu bei, die Zukunft zu gefährden. Immer mehr Menschen reagierten ängstlich auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung. Die Angst vor dem Weltuntergang sei dadurch normativ geworden.

Geburtenrate wird wieder steigen

Kein Grund zur Sorge bestehe auch bei der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland. Seit vielen Jahren sterben mehr Menschen als geboren werden; die Geburtenrate beträgt 1,4 Kinder pro Frau. Sie wird nach Ansicht von Horx wieder steigen. Deutschland solle sich anschauen, was Länder wie Schweden, Frankreich und Island getan haben, um ihre Geburtenrate zu steigern. Es komme darauf an zu fragen: „Was ist zu tun, damit wir wieder mehr Kinder bekommen?“

Die Zukunft der Religion

Zum Thema Religion äußerte Horx, tendenziell nehme in Wohlstandsgesellschaften die Bedeutung klassischer Religionen ab. Zugleich individualisiere sich der Glaube. Naturglaube, Esoterik und buddhistische Elemente mischten sich mit dem Christentum. Es werde aber nie eine Gesellschaft geben, die völlig ohne Religion auskomme.

Kritik an „Panik- und Hysteriebereitschaft“

Sorge bereitet Horx „die Panik- und Hysteriebereitschaft“ in Deutschland. Es habe sich die „Untergangs-Rhetorik“ eines „apokalyptischen Spießertums“ verbreitet, die viele offensichtlich genössen. Etwa 75 Prozent der Deutschen rechneten damit, dass die Zukunft schlechter werde. Dieser Wert sei weltweit einmalig. Wenn sich so viele darin einig seien, könne die Zukunft tatsächlich schlechter werden, so Horx.

Das idea-Interview in voller Länge. Von Karsten Huhn:

idea: Herr Horx, wie geht es uns denn 2014? Wird der Euro scheitern?

Matthias Horx: Nein.

idea: Warum sind Sie da so sicher?

Horx: Der Euro ist eine Erfindung, die am Ende eines langen historischen Prozesses stand. Das Ergebnis eines Evolutionsprozesses. Die Wahrscheinlichkeit, dass man eine solche Institution wieder abschafft, ist etwa so hoch, wie wenn man Autos und Supermärkte wieder abschaffen würde oder Straßen oder Züge. Schaffte man ihn ab, würden die Nachteile für viele Länder, Banken und Unternehmen überwiegen. Es gibt eine Menge Akteure auf dem Spielfeld, die am Erhalt interessiert sind. Auch immer noch die Mehrheit der europäischen Bürger. Deshalb wird der Euro weiter existieren.

idea: Was nicht funktioniert, verschwindet früher oder später. Der Kommunismus hat auch nicht überlebt.

Horx: Vorsicht! Was nicht funktioniert, muss deshalb nicht gleich aufgelöst werden – das macht man bei einer Krise in der Ehe ja auch nicht. Es besteht die Möglichkeit, sich zu wandeln, zu verändern und anzupassen.

idea: Europa wird also nicht auseinanderbrechen?

Horx: Ich weiß gar nicht, wie Sie auf eine solche Frage kommen! Genauso gut könnten Sie fragen, ob der Mond in zwei Teile bricht.

idea: Die Frage knüpft an eine Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel an. Sie sagte: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.“

Horx: Das ist polemisch zugespitzt formuliert und hatte, als es gesagt wurde, die Funktion wachzurütteln. Europa wird aber ebenso wenig auseinanderbrechen wie der Euro. Das heißt nicht, dass nicht einzelne Länder einmal austreten können.

Fällt die Klimakatastrophe aus?

idea: Was ist mit der Klimakatastrophe – findet sie statt?

Horx: Was verstehen Sie darunter?

idea: Die Erde erwärmt sich um mehr als zwei Grad Celsius, und es kommt zu gewaltigen Überschwemmungen.

Horx: Bei einer Erderwärmung von zwei Grad Celsius erhöht sich der Meeresspiegel um etwa 50 Zentimeter. Das wird man in den meisten Regionen der Welt gar nicht bemerken, weil sich die Wassermassen auch ungleich um den Planeten verteilen. In anderen Gegenden wird man Deiche bauen müssen, so wie man das in Hamburg getan hat. Klimawandel wird ein Wandel – aber keine Katastrophe.

Medien lieben apokalyptische Übertreibungen

idea: Die Warnungen der Klimaforscher bringen Sie nicht um den Schlaf?

Horx: Ich habe zu unterscheiden gelernt zwischen sachlicher Information und apokalyptischen Übertreibungen bestimmter Interessengruppen, die für ihre Warnungen Aufmerksamkeit und Fördergelder erhalten wollen.

Dazu kommt: Die Medien lieben es, die extremsten Szenarien auszuwählen und als Realität zu verkaufen. Dadurch ist die Angst vor dem Weltuntergang für uns normativ geworden. Wir sind darauf geradezu fixiert. Bei „Klima“ assoziieren wir gleich die Sintflut, weil wir das in Roland-Emmerich-Filmen so gesehen haben und weil es dazu ja auch jede Menge archaischer Bilder gibt, nicht zuletzt in der Bibel.

idea: Wie kommt das?

Horx: Unser Hirn widmet seine Aufmerksamkeit immer der Risiko- und Gefahrenabwehr – das ist evolutionär bedingt. Es fällt uns schwer, über die Zukunft differenziert nachzudenken und Wahrscheinlichkeiten abzuwägen. Stattdessen neigen wir zu Übertreibungen, Vereinfachungen, dramatischen Bildern.

Das wiederum wissen die Medien zu nutzen, die wie ein Symbiont diese negativen Angst-Energien abzapfen. Deshalb wimmelt unsere mediale Umwelt von Superkatastrophen, und deshalb glauben so viele Menschen an das Allerschlimmste. Diese uralte Eigenschaft des Menschen, die übrigens schon die Religionen zu nutzen verstanden, hat aber eine Nebenwirkung. Sie macht uns unter Umständen hysterisch.

Die großen Zivilisationskrisen entstehen durch überschießende Angst, die mit Verschwörungs- und Feindbildern verbunden werden. Panik ist die eigentliche Mutter der Katastrophe. Dabei ist das Eintreten von Extremszenarien nie sehr wahrscheinlich. Auch die Bankenkrise hat nicht den Untergang der Weltwirtschaft verursacht, wie das vor zwei Jahren in jedem Blatt zu lesen war.

Fliegen uns die Schulden um die Ohren?

idea: Der deutsche Staat ist mit zwei Billionen Euro verschuldet, dazu kommen weitere vier Billionen Euro implizite Staatsschulden, vor allem durch Pensionsverpflichtungen. Fliegen uns diese Schulden um die Ohren?

Horx: In den Fragen, die wir an die Welt stellen, bilden sich immer auch die inneren Antworten. Wenn Sie die Wortwahl „Fliegen uns diese Schulden um die Ohren?“ benutzen, dann entsteht im Kopf sofort das Bild von tödlichen Explosionen. Das kriegen Sie dort nie mehr raus – und damit lässt sich im Grunde nicht mehr sachlich diskutieren. Genauso ist es mit dem Wort „Bevölkerungsexplosion“. Das assoziiert eine Flut von Menschen, die uns die Butter vom Brot nehmen wollen, und lässt sich prima für Fremden- und Familienfeindlichkeit nutzen. Ich antworte Ihnen darauf mit der christlichen Botschaft: „Fürchtet euch nicht!“. Beziehungsweise: Schaut etwas genauer hin, was da überhaupt behauptet wird. Können Schulden überhaupt „explodieren“? Vielleicht werden sie irgendwann korrigiert, und es gibt auch einmal eine Pleite, das kann schon sein.

Steigt die Weltbevölkerung wirklich so rapide, wie man das vor zwanzig Jahren voraussah? Nein, die Geburtenraten gehen überall massiv zurück …

idea: Ich habe die Staatsverschuldung nicht erfunden – diese Zahlen wird Ihnen der Bundesfinanzminister sicher bestätigen.

Horx: Wie hoch die Staatsverschuldung sein kann oder darf, bevor es gefährlich wird, darüber streiten die Ökonomen seit Jahrzehnten gewaltig. Sind es 60 Prozent, 80 Prozent des Bruttosozialprodukts? In diesem Bereich bewegen sich heute die Staatsverschuldungen in Europa, einige Länder liegen drüber, andere drunter, wieder andere, wie Irland, schaffen es, ihre Schulden abzubauen. Darf man als Mensch oder Staat gar keine Schulden machen? Jeder, der ein Haus baut, verschuldet sich dafür, im Vertrauen auf die Zukunft. Darum geht es: Vertrauen. Um Vertrauen zu gewinnen, muss man andere Zukunftsfragen stellen.

idea: Welche Fragen sind das?

Horx: Es gibt zwei grundsätzliche Zukunftsfragen: Unmöglichkeitsfragen machen die Zukunft immer zu einem unmöglichen Ort. Sie lauten im Grunde immer: „Warum muss es schiefgehen?“. Fragen, die Zukunft ermöglichen, fragen von der Zukunft aus: „Was können wir tun, damit …? Wie können wir unser System so gestalten, dass uns die Staatsverschuldung nicht aus dem Ruder läuft? Nur wer so fragt, findet auch Lösungen: Die Fragerichtung ist entscheidend. Wenn Sie den Menschen die Staatsverschuldung als Katastrophe verkaufen, rennen alle auf die Bank, heben ihr Geld ab – und dann ist die Katastrophe tatsächlich da! Das ist der in der Zukunftsforschung schon lange bekannte Effekt der sich selbst erfüllenden Prophezeiung.

Kann man in diese Welt noch Kinder setzen?

idea: Ein anderes Phänomen: Seit rund 40 Jahren herrscht in Deutschland Geburtenmangel. Ist der für Sie auch kein Grund zur Sorge?

Horx: Man könnte auch sagen, dass es sich um eine Art natürlicher Korrektur handelt. Wir durchlaufen eine Phase, in der sich die hohe Bevölkerungsdichte in Mitteleuropa vielleicht etwas reduziert.

Aber Erfahrungen zeigen: Die Geburtenrate von derzeit 1,4 Kindern pro Frau wird wieder steigen, so wie das in anderen Ländern um uns herum bereits wieder der Fall ist. Wir sollten uns also anschauen, was Schweden, Frankreich und Island getan haben, um ihre Geburtenrate zu steigern. Meine Prognose: Wenn wir die nötigen Reformen durchführen, steigt die Geburtenrate auch wieder. Außerdem gibt es deutlich mehr Immigration, wir sind ein Einwanderungsland.

Deshalb wird sich die Bevölkerung viel weniger reduzieren, als es in den Medien zu lesen ist. Es kommt nur darauf an, konstruktiv zu fragen: „Was ist zu tun, damit wir wieder mehr Kinder bekommen?“
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idea: „In diese Welt kann man keine Kinder mehr setzen“, sagen viele Deutsche.

Horx: Das ist genau das Resultat jener Untergangsrhetorik, von der wir gesprochen haben. Und die viele offensichtlich auch genießen. Man kann sich wahnsinnig selbstgerecht vorkommen, indem man die Welt als hoffnungslos verderbt brandmarkt. Ich nenne dieses Phänomen „das apokalyptische Spießertum“. Etwa 75 Prozent der Menschen in den deutschsprachigen Ländern rechnen damit, dass die Zukunft schlechter wird. Dieser Wert ist weltweit einmalig. Das Problem ist vor allem: Wenn so viele sich einig sind bei diesem Problem, kann es auch eintreten!

idea: Welche Krise bereitet Ihnen die größte Sorge?

Horx: Die mentale Krise. Ich mache mir Sorgen um die Panik- und Hysteriebereitschaft unserer Gesellschaft, über den Mangel an Zukunft in den Köpfen. Als ich in den 80er Jahren als Journalist arbeitete, gab es drei Fernsehsender und am Bahnhofskiosk 250 Publikationen. Heute haben wir mehr als 150 Fernsehkanäle und mehr als 1.500 Zeitungen und Zeitschriften; dazu kommt noch das gigantische Meer des Internets. All diese Kanäle kämpfen um unsere Aufmerksamkeit – und das gelingt am besten, indem man Angst auslöst. Als zum Beispiel vor zwei Jahren die Eurokrise begann, waren viele Journalisten mehr als bereit, genüsslich den Euro totzuschreiben. In den Talkshows tummelten sich die Auguren der „gigantischsten Wirtschaftskrise aller Zeiten“ und des „Endes des Wohlstandes“. Die Folge: Immer mehr Menschen reagieren ängstlich auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung. So trägt eine verzerrte Berichterstattung dazu bei, die Zukunft zu gefährden.

Die größte Fehlprognose in jüngster Zeit

idea: Was ist der größte Humbug, der zuletzt prognostiziert wurde?

Horx: Können Sie sich noch an die Debatte vor zwölf Jahren erinnern, dass uns die Arbeit ausgeht? Damals hieß es in jeder Talkshow, dass die Arbeitslosigkeit bald 30 Prozent betragen würde. Dann kamen die Hartz-Gesetze, die grundsätzlich als unsozial verteufelt wurden. Und die Arbeitslosigkeit sank. Heute gehört zu jeder öffentlichen Debatte die Überzeugung, dass sich die Gesellschaft „spaltet“ und „die Schere auseinandergeht“. Das wird in Form eines negativen Mantras unentwegt wiederholt, bis alle es glauben. In Wahrheit hat sich der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit misst, wenig verändert. Wir haben eher mehr Reiche als mehr Arme. Was nicht heißt, dass wir uns nicht bemühen müssen! Ich bin für Mindestlohn, ich bin für bessere Schulen – keine Frage. Aber wir müssen auch Übertreibungen vermeiden und die Erfolge sehen, die es in unserem stabilen Wohlstand gibt. Wir sollten unsere Segnungen annehmen, sonst versündigen wir uns in gewisser Weise an der Zukunft!

idea: Sie sind ein unverbesserlicher Optimist.

Horx: Das ist ein Klischee. Pessimismus wie Optimismus sind beides „-ismen“, also Ideologien. Ich forsche nach Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten. Ich bin „Possibilist“. Mir geht es darum, ein realistisches Bild von der Welt zu gewinnen. Die Welt ist nicht gut, aber sie kann besser werden. Das ist der Kern jeder Hoffnungsbotschaft.

Gibt es immer mehr Krisen?

idea: Herr Horx, wir sind von Krisen umzingelt!

Horx: Das erinnert mich an den Satz im Fernsehen: „Bleiben Sie dran, die nächste Sondersendung kommt sofort!“ Natürlich. Das menschliche Leben ist krisenhaft. Ich leugne Krisen nicht, ich habe nur ein anderes Verständnis von Krisen. Eine Ehe oder Liebe ohne überstandene Krisen ist flach. Gesellschaften, Menschen wachsen an Krisen, deren Veränderungsbotschaft sie annehmen und akzeptieren. Aber auch der Eindruck, dass es „immer mehr Krisen“ gäbe, trügt. Es gibt heute nicht mehr Naturkatastrophen oder Kriege als früher – wir erfahren heute nur ständig hautnah durch Mikrofone und Kameras davon. Anders als früher, fühlen wir uns heute für die ganze Welt verantwortlich.

idea: Der Weltuntergang fällt also aus?

Horx: Der Weltuntergang ist der Größenwahn der Depressiven. Die Idee, dass wir den Planeten gewissermaßen umbringen können, ist eine Hybris, die sich im Laufe der Zeit leider zu einer allgemeinen Überzeugung verfestigt hat. Ich halte die Wahrscheinlichkeit für sehr hoch, dass es unseren Kindern und Enkeln bessergehen wird als uns heute. Wir werden Umweltprobleme lösen, und immer mehr Menschen auf diesem Planeten werden auch im Wohlstand leben. Gleichzeitig werden wir immer noch Probleme, Krisen und Konflikte haben. Das Paradies ist auf der Erde nicht zu haben – aber Verbesserungen sind nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich.

idea: Der „Globale Trend Report“ sagt für das Jahr 2014 unter anderem Folgendes voraus: „Die politischen, sozialen und religiösen Spannungen wachsen, ebenso die Zahl von individuellen Gewaltakten.“

Horx: Wie wäre es mit folgender Gegeninformation: Die Kriminalitätsrate ist seit Jahren in vielen Städten rückläufig. Die Anzahl der Kriegstoten war noch nie so gering wie heute. Auch schreckliche Bürgerkriege wie der in Syrien sind kein Zeichen dafür, dass die Welt insgesamt gewalttätiger wird. Im Gegenteil: Es entwickeln sich neue Konfliktmoderationsmechanismen, in denen Nationen kooperieren, die sich früher spinnefeind waren. In Afrika mehren sich Hoffnungszeichen, dass die immer noch schwelenden Konflikte moderiert werden können und die Stabilität sich erhöht. Aber es ist immer wohlfeil zu sagen: „Es wird schlimmer werden.“ Wenn es dann doch nicht schlimmer kommt, liegt es ja nur daran, dass man so toll gewarnt hat!

Die große Zukunftsfrage: Was kommt nach dem Tod?

idea: Welche Zukunft sehen Sie für die Kirchen?

Horx: Tendenziell nimmt die Bedeutung klassischer Großreligionen in Wohlstandsgesellschaften ab und der Glaube individualisiert sich. Wenn man die Deutschen heute danach fragt, woran sie glauben, sagen immer noch knapp zwei Drittel, dass sie an Gott glauben. Aber wenn Sie etwas tiefer gehen, finden Sie ganz unterschiedliche Glaubensbilder: Naturglaube, Esoterik und buddhistische Elemente mischen sich mit dem Christentum. Es wird aber nie eine Gesellschaft geben, die völlig ohne Religion auskommt. Die Kirchen erleben also einen ständigen Niedergang – und eine stetige Renaissance zugleich.

idea: In Ihren Büchern gehen Sie einer Frage nach, die auch die Kirche beschäftigt: „Wie können wir jemals an die Zukunft glauben, solange es den Tod gibt?“.

Horx: Viele Menschen haben einen sehr eingeschränkten Horizont; er umfasst oft nur die nächsten zehn oder fünfzehn Jahre, die eigene Lebenszeit – als wenn es danach nicht weiterginge. Es ist erstaunlich, wie kurzfristig wir oft nur denken und fühlen. Aber wenn wir über den Tod nachdenken, ihn integrieren, kommen wir näher zu den alten philosophischen Grundfragen: Was ist der Mensch? Was können wir hoffen?

idea: Was hoffen Sie?

Horx: Ich bin Agnostiker bzw. Atheist und vertrete – ironisch gesagt – einen molekularen Futurismus: Wir alle sind Teil einer großen evolutionären Entwicklung, die vom Einfachen zum Komplexen, vom Primitiven zum Subtilen verläuft – und dabei immer wieder Rückschläge erleidet.

Natürlich habe ich dabei auch viele offene Fragen: Gibt es irgendwann Transzendenzsprünge? Wird der Mensch in eine neue Spezies mutieren? Was würde passieren, wenn wir noch in diesem Jahrhundert Kontakt mit Außerirdischen hätten oder zumindest auf einen bewohnbaren Planeten stoßen würden?

idea: Die Christenheit setzt ihre Hoffnung nicht auf den Kontakt mit Aliens, sondern auf die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.

Horx: Das ist schön für sie!

idea: Vielen Dank für das Gespräch!

Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx (Wien) gründete 1999 das „Zukunftsinstitut“ und berät zahlreiche europäische Unternehmen. Seit 2007 ist der 58-Jährige zudem Dozent für Trend- und Zukunftsforschung an der Zeppelin-Universität (Friedrichshafen). Horx ist Autor zahlreicher Bücher. 2013 erschien sein Buch „Zukunft wagen: Über den klugen Umgang mit dem Unvorhersehbaren“ (DVA, München). Horx ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.


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