Klare Stellungnahme des Bistums Chur zu Ergebnissen der Vatikanumfrage

7. Jänner 2014 in Schweiz


„Das Gedankengut der Gender-Ideologie hat vor allem durch die Massenmedien und die pädagogischen Institutionen Verbreitung gefunden. Auch kirchliche Einrichtungen zeigen eine gewisse Anfälligkeit dafür.“ Churer Stellungnahme im Wortlaut


Chur (kath.net/pbc) „Das Gedankengut der Gender-Ideologie hat vor allem durch die Massenmedien und die pädagogischen Institutionen Verbreitung gefunden. Auch kirchliche Einrichtungen zeigen eine gewisse Anfälligkeit dafür. Die Destabilisierung der Familie, die an sich zu bedauern ist, wird nicht selten schöngeredet durch die Rechtfertigung einer Pluralität der Familienformen.“ Zu dieser Diagnose kommt das Bistum Chur in einer Stellungnahme nach der Auswertung der Antworten auf die Vatikanumfrage zu Ehe und Familie. „Die Ablehnung von 'Humanae vitae' durch massgebende Moraltheologen hatte und hat zur Folge, dass auch der Klerus große Vorbehalte hat gegenüber der Lehre der Kirche.“

Das Bistum gibt auch Lösungsvorschläge, beispielsweise könnten Menschen in irregulärer Lebenssitation um den Segen des Priesters bitten statt um die hl. Kommunion. In der Stellungnahme wird auch auf intensive Ehevorbereitungskurse hingewiesen, die jenen, die kirchlich heiraten wollen, das katholische Grundwissen zu Ehe und Familie vermitteln.

“Auch Homosexuelle und zivil wiederverheiratete Geschiedene sind gemeint. Deren Verbindung oder Lebenssituation kann die Kirche von der Lehre her zwar nicht segnen, den einzelnen Menschen jedoch sehr wohl. Der Segen ist eine Anrufung Gottes mit der Bitte um göttlichen Beistand. Auch Nicht-Katholiken können einen solchen Segen empfangen, wenn sie an der Messe teilnehmen.”

Der Medienbeauftrage des Bistums Chur, Giuseppe Gracia, äußerte gegenüber kath.net, dass die Möglichkeit zur Segnung anstelle des Kommunionempfangs auch „durch Homosexuelle und zivil wiederverheiratete Geschiedene“ genutzt werden solle. „Deren Verbindung oder Lebenssituation kann die Kirche von der Lehre her zwar nicht segnen, den einzelnen Menschen jedoch sehr wohl. Der Segen ist eine Anrufung Gottes mit der Bitte um göttlichen Beistand. Auch Nicht-Katholiken können einen solchen Segen empfangen, wenn sie an der Messe teilnehmen. Diese Praxis gibt es zwar schon in einigen Ländern, aber wir schlagen vor, dass die Kirche dies weltweit offiziell erklärt.“


kath.net dokumentiert die Stellungnahme des Bistums Chur betreffend die Bischofssynode III. außerordentliche Versammlung „Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung“ im Wortlaut

III – Fragebogen

Die nachfolgenden Fragen ermöglichen den Teilkirchen eine aktive Teilnahme an der Vorbereitung der Außerordentlichen Synode, die das Ziel hat, in den heutigen pastoralen Herausforderungen für die Familie das Evangelium zu verkünden. Aus allen drei Bistumsregionen gingen Rückmeldungen ein. Etwa zwei Drittel davon sind auf den folgenden Fragebogen eingegangen. Die anderen baten um eine Fristverlängerung oder teilten mit, dass sie den von der Schweizerischen Bischofskonferenz und dem SPI vorgeschlagenen Fragebogen beantworten wollen.

1 - Zur Verbreitung der Heiligen Schrift und des Lehramtes der Kirche in Bezug auf die Familie

a) Wie steht es um die wirkliche Kenntnis der Lehren der Bibel, um die Kenntnis von “Gaudium et spes”, “Familiaris consortio” und anderer Dokumente des nachkonziliaren Lehramtes über die Bedeutung der Familie nach der Lehre der katholischen Kirche? Wie werden unsere Gläubigen zum Familienleben nach der Lehre der Kirche herangebildet?

Die wenigsten Gläubigen kennen “Gaudium es spes”, “Familiaris consortio” und andere Dokumente des nachkonziliaren Lehramtes über die Bedeutung von Ehe und Familie nach der Lehre der katholischen Kirche. Im Kontext der Ablehnung von “Humanae vitae” halten viele Gläubige die Kirche in diesem Bereich nicht mehr für glaubwürdig und kompetent.

Nach der Veröffentlichung von “Familiaris consortio” wurde dieses Dokument in den Fortbildungskursen der Dekanate zwar näher vorgestellt und positiv gewürdigt. Es stiess jedoch auf erheblichen Widerstand, weil darin die Lehre von “Humanae vitae” bestätigt ist.

Der vom Bistum Chur mitverantwortete Ehevorbereitungskurs basiert auf “Familiaris consortio”.

Wenn in interessierten Gruppen von Gläubigen die Lehre zum Beispiel von “Gaudium et spes” über Ehe und Familie gut erklärt und begründet wird, reagieren manche Gläubige mit freudigem Erstaunen, verbunden mit dem leicht vorwurfsvollen Hinweis: “Warum hat uns dies bisher niemand gesagt? Es wäre uns wohl manches erspart geblieben, hätten wir das gewusst!”

b) Wird die Lehre der Kirche dort, wo sie bekannt ist, ganz angenommen? Zeigen sich bei ihrer Umsetzung in die Praxis Schwierigkeiten? Welche?

Wenn die Lehre der Kirche gut erklärt wird, wird sie in der Regel auch angenommen. Denn sie ist ja im Grunde ausgesprochen menschenfreundlich.

Die Hauptschwierigkeit bei der Umsetzung liegt in der Ablehnung von “Humanae vitae” und in diesem Zusammenhang in der Unkenntnis bzw. mangelnden Kenntnis der natürlichen Empfängnisregelung.

Die Ablehnung von “Humanae vitae” durch massgebende Moraltheologen hatte und hat zur Folge, dass auch der Klerus große Vorbehalte hat gegenüber der Lehre der Kirche. Die Erklärungen der Bischofskonferenzen im deutschen Sprachraum, welche die Frage der Familienplanung dem Gewissensentscheid der Ehepaare überliessen, führten dazu, dass in diesem sensiblen Punkt die Lehre der Kirche wenig gewissensbildend wirkte.

Die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe wird vor allem dann in Frage gestellt, wenn eine Ehe auseinanderbricht.

Schwierigkeiten ergeben sich auch aus der Situation heraus, dass oft nicht beide Ehepartner gleich denken, aber auch aufgrund einer Arbeitswelt und Freizeitkultur, die das Zusammenhalten schwierig macht.

c) Wie wird die Lehre der Kirche im Kontext der Pastoralprogramme auf nationaler, diözesaner und Pfarreiebene verbreitet? Wie sieht die Katechese über die Familie aus?

Was die nationale Ebene betrifft, so ist es bedauerlich, dass die Kommission für Ehe und Familie der Schweizerischen Bischofskonferenz sistiert bzw. die Fragen von Ehe und Familie der Pastoralplanungskommission der Schweizerischen Bischofskonferenz übertragen werden mussten. Der Grund lag darin, dass in dieser Kommission die Lehre der Kirche so umstritten war, dass die Kommission nicht fruchtbar arbeiten konnte.

Auf diözesaner Ebene hat die Diözesane Pastoralkonferenz im November 2004 Empfehlungen zur Familienpastoral verabschiedet, welche sich an der Lehre der Kirche orientieren.(http://www.bistum-chur.ch/dioezesane-raete/empfehlungen-zurfamilienpastoral/)

Was die Katechese über die Familie betrifft, greifen die Tage der Ehe im Bistum Chur solche Themen auf (Familie als Hauskirche, Spiritualität der Ehe, Theologie des Leibes). Auf pfarreilicher Ebene finden häufig Familiengottesdienste statt. Am Fest der Heiligen Familie ist eine Katechese möglich. Manche Pfarreien organisieren auch Familienferien.

d) In welchem Maß – und insbesondere bezüglich welcher Aspekte – ist diese Lehre im außerkirchlichen Bereich wirklich bekannt, wird akzeptiert, zurückgewiesen und/oder kritisiert? Welche kulturellen Faktoren behindern die volle Annahme der Lehre der Kirche über die Familie?

Im ausserkirchlichen Bereich wird die Lehre der Kirche kaum verstanden, ist sie doch nur ganz fragmentarisch bekannt. Viel mehr als die medialen Schlagworte weiss man nicht.

Die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung nach der 68er-Revolution behindern ihrerseits das Verständnis und die volle Annahme der Lehre der Kirche. Die Meinung der Kirche ist gesellschaftlich kaum noch relevant.

2 - Zur Ehe nach dem Naturrecht

a)Welchen Raum nimmt der Begriff des Naturrechts in der weltlichen Kultur ein, sowohl auf institutioneller, erzieherischer und akademischer Ebene als auch in der Volkskultur?

Der Begriff des Naturrechts ist weitgehend aus der weltlichen Kultur verschwunden. Da er in seiner ursprünglichen Bedeutung meist nicht mehr verstanden wird, gibt es um ihn viele Missverständnisse. Er wird in Gegensatz gebracht zu Erkenntnissen der Naturwissenschaft. Prägend ist vielmehr ein Rechtspositivismus. Was die Mehrheit denkt und will, das soll gelten.

Welche anthropologischen Sichtweisen liegen dieser Debatte über das natürliche Fundament der Familie zugrunde?

In den letzten Jahrzehnten hat der Gedanke an das Gemeinwohl an Bedeutung verloren. Vorherrschend ist eine individualistische und hedonistische Vorstellung vom Menschen. Diese Entwicklung schwächt den Familiensinn und das natürliche Fundament der Familie.

b) Wird der Begriff des Naturrechts in Bezug auf die Verbindung zwischen Mann und Frau von Seiten der Gläubigen im Allgemeinen akzeptiert?

Der Begriff des Naturrechts ist den Gläubigen kaum bekannt. Aber dass von der Schöpfungsordnung her Mann und Frau durch die Ehe in besonderer Weise einander zugeordnet sind, wird zwar von den meisten als persönliche Haltung gelebt, als gesellschaftliche Maxime jedoch abgelehnt.

c) Auf welche Weise wird in Theorie und Praxis das Naturrecht in Bezug auf die Verbindung zwischen Mann und Frau im Hinblick auf die Bildung einer Familie bestritten? Wie wird es in den zivilen und kirchlichen Einrichtungen dargelegt und vertieft?

Das Gedankengut der Gender-Ideologie hat vor allem durch die Massenmedien und die pädagogischen Institutionen Verbreitung gefunden. Auch kirchliche Einrichtungen zeigen eine gewisse Anfälligkeit dafür.

Die Destabilisierung der Familie, die an sich zu bedauern ist, wird nicht selten schöngeredet durch die Rechtfertigung einer Pluralität der Familienformen.

Mit den “Worten des Bischofs” wird in der Diözese Chur versucht, diesen Tendenzen entgegenzuwirken (“Sexualerziehung staatlich verordnet” (2011), “Die Würde des Menschen” (2012), “Gender - die tiefe Unwahrheit einer Theorie” (2013).

d) Wie soll man die pastoralen Herausforderungen annehmen, die sich ergeben, wenn nicht praktizierende oder sich als ungläubig bezeichnende Getaufte die Feier der Eheschließung erbitten?

Man sollte sie zunächst wohlwollend empfangen. Aber die Ehevorbereitung müsste viel intensiver sein. Ein Wochenende oder drei Abende genügen keinesfalls. Ungenügend vorbereitete Paare sollten noch nicht kirchlich getraut werden.

3 - Die Familienpastoral im Kontext der Evangelisierung

a) Welche Erfahrungen wurden in den letzten Jahrzehnten in Bezug auf die Ehevorbereitung gemacht? Auf welche Weise hat man sich bemüht, dem Evangelisierungsauftrag der Eheleute und der Familie Impulse zu geben? Wie kann man das Bewusstsein der Familie als „Hauskirche“ fördern?

Es ist offensichtlich, dass die üblichen Formen der Ehevorbereitung nicht genügen. Es kommt immer wieder vor, dass Brautpaare kaum vorbereitet getraut werden. Die Diözese verantwortet jährlich einen etwas intensiveren Kurs von drei Tagen mit. Wo jedoch verbindliche Standards fehlen, neigen viele Brautpaare dazu, nur ein Minimum in die Ehevorbereitung zu investieren.

Das Thema “Hauskirche” wird im erwähnten Ehevorbereitungskurs im Sinne von “Familiaris consortio” angesprochen. Auch ein “Tag der Ehe” war diesem Anliegen gewidmet.

Die Kirche hat sich vielleicht aus falscher Scheu aus diesen eher persönlichen Themen herausgehalten, um nicht bei den Leuten anzuecken. Nicht wenige Seelsorger und Laienmitarbeiter behandeln die Gläubigen mehr und mehr wie Kunden, die sie wegen der rückläufigen Mitgliederzahlen nicht verlieren möchten, vor allem weil es sich ja um steuerzahlende Mitglieder handelt. Bei aller pastoralen Klugheit ist es sicher sehr schwer, den Gläubigen mit dem unverkürzten Anspruch des Glaubens entgegenzutreten, wenn diese zugleich das Einkommen der Seelsorger durch die erhobenen Steuern sichern.

Das Kirchensteuersystem kann so die prophetische Kraft der Verkündigung und den missionarischen Geist behindern.

b) Ist es gelungen, für die Familie Gebetsformen vorzuschlagen, die in der Komplexität des heutigen Lebens und der aktuellen Kultur Bestand haben?

Manche jungen Familien beten zu Hause und nehmen auch am kirchlichen Leben teil. In Elternbriefen, Adventsgebeten und Familiengottesdiensten werden Gebetsformen vorgeschlagen, welche auf die Situationen der Familien Rücksicht nehmen.

c) Haben die Familien in der aktuellen Situation des Generationenkonflikts verstanden, ihre Berufung zur Weitergabe des Glaubens umzusetzen? Wie?

Eine besondere Chance ist die Geburt des ersten Kindes, um die Familien auf diese Berufung anzusprechen. Dank des schulischen Religionsunterrichtes kann die Kirche noch ein Grundlage legen. Aber mit der Firmung ist die religiöse Bildung meistens abgeschlossen.

Das Problem ist weniger ein Konflikt zwischen den Generationen als die von Generation zu Generation zunehmende Verdunstung des Glaubens. Die praktizierenden Familien leiden nicht selten an der Schwierigkeit, im heutigen gesellschaftlichen Umfeld den Glauben weiterzugeben. Weniger praktizierende Familien delegieren diese Aufgabe lieber an die Seelsorger sowie an die für die Katechese Verantwortlichen. Erschwerend wirkt sich ein religiöser Relativismus aus: “Es sind ja eh alle Religionen gleich”.

Eine Chance wäre die Vernetzung von praktizierenden Familien, welche im überschaubaren Rahmen die Gemeinschaft pflegen.

d) Wie haben es die Ortskirchen und Bewegungen der Familienspiritualität verstanden, vorbildliche Wege der Formung und Ausbildung zu schaffen?

In Bezug auf die Formung und Ausbildung gibt es auf diözesaner Ebene noch keine vorbildlichen Wege. Die neueren Bewegungen (Focolar, Schönstatt, Neokatechumenat) oder Opus Dei arbeiten stärker familienbezogen. Sie organisieren Familienferien, Einladungen zu Weltfamilientreffen, Ausbildung von Familientrainern bzw. beziehen jeweils die ganzen Familien in ihre Aktivitäten ein. Auf pfarreilicher Ebene gibt es meistens lediglich das Vorbild einzelner Familien.

e) Welchen besonderen Beitrag haben Ehepaare und Familien leisten können, um zur Verbreitung einer heute glaubwürdigen ganzheitlichen Sicht von Ehe und Familie beizutragen?

Viele heutige Grosseltern haben sich alle Mühe gegeben, als Eheleute und Eltern mit gutem Beispiel voranzugehen. Die nachfolgenden Generationen sind mehr und mehr von einer säkularisierten Gesellschaft mitgeprägt.

Im Rahmen und innerhalb der erwähnten neueren Bewegungen konnte eine ganzheitliche Sicht von Ehe und Familie eher verbreitet werden als in den diözesanen und pfarreilichen Strukturen.

f) Welche besondere pastorale Aufmerksamkeit hat die Kirche gezeigt, um den Weg der Paare, die am Anfang ihres gemeinsamen Weges stehen, sowie den der Ehepaare in der Krise zu unterstützen?

In den Ehevorbereitungskursen kommen auch Themen zur Sprache, die helfen, Krisen zu vermeiden oder mit Krisen besser umzugehen. In einzelnen Regionen der Diözese gibt es Ehe- und Familienberatungsstellen. Es werden Kurse angeboten in Kommunkationstraining und Ehebegleitung, die aber nicht gerade häufig besucht werden. Auch manche Seelsorger bieten eine Unterstützung an. Aber die spezifische Begleitung von jungen Ehepaaren und Familien wird in unseren Pfarreien zu einem grossen Teil vernachlässigt.

4 - Zur Pastoral für Gläubige in schwierigen Ehesituationen

a) Ist das Zusammenleben „ad experimentum“ in der Ortskirche eine relevante pastorale Wirklichkeit? Welchen Prozentsatz macht es schätzungsweise aus?

Ja, fast alle Paare leben schon vor der Eheschliessung zusammen.

b) Gibt es faktische Lebensgemeinschaften ohne religiöse oder zivile Anerkennung? Gibt es dazu verlässliche statistische Daten?

Im Jahr 2000 lebten in der Schweiz 5,7 Millionen Menschen. Etwa 309 000 lebten als Konsensualpaare ohne Kinder und etwa 130 000 als Konsensualpaare mit Kindern. 1,4 Millionen leben als Ehepaar ohne Kinder und 3,4 Millionen als Ehepaar mit Kindern. Etwa 420 000 leben als Elternteile mit Kindern.

Nur noch 21% der katholischen Gläubigen heiraten kirchlich. Wenn beide Ehepartner katholisch sind, sind es 32%, bei Mischehen sind es 11%. Bei ca. 69% der katholischen Trauungen im Bistum Chur sind beide Ehepartner katholisch, bei ca. 27% handelt es sich um konfessionsverschiedene Ehepartner.

c) Stellen die getrennt Lebenden und die wiederverheirateten Geschiedenen eine wichtige pastorale Realität in der Ortskirche dar? Welchen Prozentsatz machen sie schätzungsweise aus?

Begegnet man dieser Situation durch entsprechende Pastoralpläne? Welche? Seit 1970 hat sich die Zahl der Scheidungen generell von ca. 6 500 auf ca. 17 500 erhöht. Die Scheidung ist zu einem verbreiteten Muster der ehelichen Konfliktlösung geworden.

Im Jahre 2011 gab es allerdings eine Abnahme um ca. 30%. Das bei ca. 40000 Eheschliessungen. Bei etwas weniger als der Hälfte aller Scheidungen sind unmündige Kinder mitbetroffen.

Mit der Zahl der Scheidungen nimmt auch die Zahl der Scheidungskinder zu, wenn auch etwas weniger stark. Die meisten Kinder sind bei der Scheidung ihrer Eltern zwischen 5 und 14 Jahre alt.

Das bedeutet, dass die Geschiedenen eine wichtige pastorale Realität darstellen. Dies kann durchaus auch Gläubige betreffen, welche in der Seelsorge mitarbeiten (Katechese, Liturgie, Diakonie).

Bisher gab es einen Tag der Begegnung des Bischofs mit Getrennten, Geschiedenen und zivil wiederverheirateten Geschiedenen. Geplant sind Gruppen von Betroffenen, welche ihren Weg mit der Kirche gehen wollen. Der Bischofsvikar des Bistums Chur für pastorale Fragen begleitet solche Gruppen bereits im deutschsprachigen Ausland.

d) All diese Fälle betreffend: Wie leben die Getauften ihre irreguläre Situation? Sind sie sich dessen bewusst? Zeigen sie sich gleichgültig? Fühlen sie sich ausgegrenzt und leiden an der Unmöglichkeit, die Sakramente zu empfangen?

Viele Getaufte sind sich ihrer irregulären Situation nicht bewusst. Die meisten zeigen sich gleichgültig. Es sind relativ wenige und vor allem praktizierende, die sich ausgegrenzt fühlen und an der Unmöglichkeit, die Sakramente zu empfangen, leiden. Der Hauptgrund dieses Leidens ist die Unkenntnis der diesbezüglichen Lehre der Kirche. Erklärt man ihnen diese Lehre geduldig und liebevoll und zeigt man ihnen ihren Platz in der Kirche, lässt der Schmerz spürbar nach.

e) Welche Anfragen/Bitten gibt es von Seiten der wiederverheirateten Geschiedenen an die Kirche in Bezug auf die Sakramente der Eucharistie und der Versöhnung? Wie viele Gläubige, die in diesen Situationen leben, fragen nach diesen Sakramenten?

Zahlenmässig sind es nicht so viele, die um diese Sakramente ausdrücklich bitten. Es sind öfter solche, die erst nach dem Scheitern ihrer ersten Ehe einen Glaubensweg begonnen haben. Manche, die sich der Irregularität ihrer Situation nicht oder zu wenig bewusst sind, gehen weiterhin zu den Sakramenten. Die Gründe, weshalb (zivil) wiederverheiratete Geschiedene nicht zu den Sakramenten zugelassen werden können, sind den meisten zu wenig bekannt und werden deshalb auch nicht verstanden. Manche Theologen wünschen sich die Übernahme der orthodoxen Praxis.

f) Könnte die Straffung der kirchenrechtlichen Praxis zur Anerkennung der Nichtigkeitserklärung des Ehebandes einen wirklichen und positiven Beitrag leisten zur Lösung der Probleme der betroffenen Personen? Wenn ja, in welchen Formen?

Bei den Ehenichtigkeitsverfahren geht es primär um die Gerechtigkeit. Eine Straffung der kirchenrechtlichen Praxis könnte legitime Rechte von Gläubigen verletzen. Wichtig ist, dass überhaupt bekannt gemacht wird, dass es - im Unterschied zu den Ostkirchen - solche Verfahren gibt. Denn damit kann doch vielen Gläubigen geholfen werden.

g) Gibt es eine Pastoral, um diesen Fällen entgegenzukommen? Wie sieht diese Pastoral aus? Gibt es diesbezügliche Pastoralpläne auf nationaler und diözesaner Ebene? Wie wird den getrennt Lebenden und den wiederverheirateten Geschiedenen die Barmherzigkeit Gottes verkündet und wie wird die Unterstützung ihres Glaubensweges durch die Kirche umgesetzt?

Es gibt eine “Pastoral”, die sich faktisch darauf beschränkt, die (zivil) wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten zuzulassen, ja sie dazu ausdrücklich zu ermutigen. Es kommt vor, dass Seelsorger solche wiederverheirateten Paare “segnen”, wobei sie angeben, den Eindruck einer kirchlichen Trauung vermeiden zu wollen.

Es gibt aber auch eine Pastoral, welche im Sinne von “Familiaris consortio” den Gechiedenen eine besondere Seelsorge anbietet. Betroffene werden in Gruppen gesammelt, damit sie sich auch auf der menschlichen Ebene gegenseitig helfen können. Sie werden ermutigt, ihre Freundschaft mit Jesus Christus zu vertiefen. Sie lernen die Lehre der Kirche zu Ehe und Familie näher kennen und verstehen. Sie erkennen ihren Platz und ihre Berufung in der Kirche. Sie machen Schritte der Vergebung und ggf. der Versöhnung gegenüber ihrem Ehepartner. Sie werden bekannt gemacht mit der Möglichkeit eines Ehenichtigkeitsverfahrens.

Die Getrennten und die Geschiedenen werden ermutigt, dem Eheversprechen in Bezug auf den abwesenden Ehepartner treu zu bleiben. Die (zivil) Wiederverheirateten werden angeleitet, ihren Glaubensweg weiter zu gehen und und ggf. ihre Lebenssituation zu modifizieren sowie die geistliche Kommunion zu empfangen. Eine Zulassung der (zivil) wiederverheirateten Geschiedenen würde die Geschiedenen entmutigen, welche dem abwesenden Partner treu bleiben.

Eigentliche Pastoralpläne auf nationaler und diözesaner Ebene gibt es nicht (im Unterschied zu Ländern wie zum Beispiel Kanada, Frankreich und Italien). Die bisher bekannten Gruppen sind aus eigener Initiative von Betroffenen oder von Seelsorgern entstanden und werden von Priestern begleitet.

5 - Zu gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften

a) Gibt es in Ihrem Land eine zivile Gesetzgebung, die Verbindungen von Personen desselben Geschlechts anerkennt und damit in etwa der Ehe gleichstellt?

Ja. Als 2007 das Partnerschaftsgesetz (PartG) in Kraft trat, wurden im selben Jahr über 2000 eingetragene Partnerschaften begründet. Seither sank die Zahl der neu eingetragenen Partnerschaften jedes Jahr: um 54 Prozent im Jahr 2008, um 6 Prozent im Jahr 2009, um 17 Prozent im Jahr 2010 und um 7 Prozent im Jahr 2011. 2012 wurden rund 700 eingetragene Partnerschaften begründet. Dies entspricht erstmals einer Zunahme gegenüber dem Vorjahr (+3,4%). Nach wie vor begründen mehr Männer- als Frauenpaare eine eingetragene Partnerschaft (430 bzw. 270 im Jahr 2012). Die Adoption von Kindern ist nicht möglich. Sie wird jedoch von interessierten Kreisen angestrebt.

b) Was ist die Haltung der Teilkirchen und Ortskirchen sowohl gegenüber dem Staat, der die zivilen Verbindungen zwischen Personen desselben Geschlechts fördert, als auch gegenüber den von dieser Art von Verbindungen betroffenen Personen?

Die Teilkirche lehnt solche eheähnlichen zivilen Verbindungen ab. Denn sie führen zu einer Aushöhlung des Begriffes der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau.

c) Welche pastorale Aufmerksamkeit ist möglich gegenüber Menschen, die sich für derartige Lebensgemeinschaften entschieden haben?

Auch wenn ihre Entscheidung nicht gutgeheissen werden kann, sind sie grundsätzlich gleich zu behandeln wie andere Personen, die sich in einer irregulären Situation befinden. Auch sie brauchen eine liebevolle Erklärung der Lehre der Kirche. Auch sie haben Anspruch auf eine angemessene seelsorgliche Begleitung, sofern sie dies wünschen.

Obwohl eine kirchliche Trauung unmöglich ist, werden da und dort unerlaubterweise sogenannte “Segensfeiern” durchgeführt.

d) Wie soll man sich auf pastoraler Ebene mit Blick auf die Glaubensweitergabe in jenen Fällen verhalten, in denen gleichgeschlechtliche Partner Kinder adoptiert haben?

Es soll vor allem das persönliche und geistliche Wohl der betroffenen Kinder im Auge behalten werden. Es darf nicht sein, dass diese Kinder Konsequenzen tragen müssen für eine Situation, die sie nicht selbst verschuldet haben.

6 - Zur Erziehung der Kinder in irregulären Ehesituationen

a) Wie hoch ist der geschätzte Prozentsatz der Kinder und Heranwachsenden im Vergleich zu den in regulären Familien geborenen und aufgewachsenen Kindern?

Dazu gibt es keine zuverlässigen Zahlen. Nur noch ca. ein Drittel der katholischen Gläubigen heiraten kirchlich. Auch diese dürften eine Scheidungsrate von etwa einem Drittel haben.

b) Mit welcher Haltung wenden sich die Eltern an die Kirche? Um was bitten sie? Nur um die Sakramente oder auch um die Katechese und den Religionsunterricht im Allgemeinen?

Auch die Kinder, deren Eltern in einer irregulären Ehesituation leben, nehmen in der Regel am Religionsunterricht und an der Vorbereitung auf die Feier sowie an der Sakramente teil.

c) Wie kommen die Teilkirchen dem Wunsch dieser Eltern nach, ihren Kindern eine christliche Erziehung zu bieten?

Alle diese Kinder werden gleich behandelt wie die anderen Kinder. Die Angebote, welche eine christliche Erziehung unterstützen, stehen allen Eltern offen: Kleinkinderandachten, Segnungen, Hausbesuche, Elternbriefe, Familiengottesdienste. Manches stösst auf positives Echo, anderes wird weniger beachtet.

d) Wie läuft in diesen Fällen die sakramentale Praxis ab: die Vorbereitung, die Spendung der Sakramente und die Begleitung?

Es gibt den Religionsunterricht in der Schule und/oder in der Pfarrei sowie Besuche der Familien. Es gibt hier keinen Unterschied zu den anderen Kindern. Ein Problem ist der Gottesdienst bei der Erstkommunion bzw. der Firmung. Hier kommen in der Regel die meisten Teilnehmenden zur Kommunion, auch wenn sie in einer irregulären Ehesituation leben bzw. schon sehr lange nicht mehr gebeichtet haben.

7 - Zur Offenheit der Eheleute für das Leben

a) Wie steht es um die wirkliche Kenntnis der Gläubigen in Bezug auf die Lehre von Humanae vitae über die verantwortliche Elternschaft? Welches Bewusstsein gibt es von der moralischen Bewertung der unterschiedlichen Methoden der Geburtenregelung? Welche Vorschläge zur Vertiefung dieses Themas aus pastoraler Sicht gibt es?

Die wenigsten Gläubigen und auch die wenigsten Seelsorger haben eine wirkliche Kenntnis der Lehre von “Humanae vitae” über die verantwortete Elternschaft. Empfängnisregelung und Empfängnisverhütung werden im allgemeinen nicht unterschieden. Abtreibung als Verhütungsmethode wird zwar noch abgelehnt, aber die frühabtreibende Wirkung vieler Verhütungsmittel wird kaum ernst genommen. Hier zeigt sich ein grosser Nachholbedarf an Bildung.

Der Bischofsvikar für pastorale Fragen hat mitgewirkt bei einer kommentierten Neuausgabe der Enzyklika “Humanae vitae”. Darüber hinaus müsste die Lehre der Kirche neu in Erinnerung gerufen werden.

Die besten Wegbereiter sind Ehepaare, welche nach der Lehre der Kirche froh und zufrieden leben. Motivierend könnte auch die gesicherte Erkenntnis wirken, dass Ehen, welche in diesem Punkt nach der Lehre der Kirche leben, eine signifikant niedrigere Scheidungsrate haben.

b) Wird diese Morallehre akzeptiert? Welches sind die problematischsten Aspekte, die die Akzeptanz bei der großen Mehrheit der Ehepaare erschweren?

Die Lehre von “Humanae vitae” wird nur von einer Minderheit akzeptiert. Sie ist vor allem in ihrer Begründung zu wenig bekannt. Aber auch die Methoden der Selbstbeobachtung der Fruchtbarkeit sind zu wenig bekannt. Viele kennen nur die relativ unzuverlässigen Kalendermethoden. Das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Verhütungsmethoden ist grösser. Die Motivation zur periodischen Enthaltsamkeit ist eher gering. Längere berufsbedingte Abwesenheit des einen Ehepartners sowie unregelmässige Arbeitszeiten können die Akzeptanz erschweren.

c) Welche natürlichen Methoden werden von Seiten der Teilkirchen gefördert, um den Ehepaaren zu helfen, die Lehre von Humanae vitae umzusetzen?

Unser Bistum fördert die zuverlässigen Methoden der natürlichen Empfängnisregelung durch eine Unterstützung der “Interessengemeinschaft Natürliche Familienplanung Schweiz und Fürstentum Liechtenstein”. Dieser Verein ist ökumenisch ausgerichtet. Er unterstützt alle seriösen Methoden der natürlichen Empfängnisregelung. Er führt eine Koordinationsstelle, gibt ein Bulletin heraus und vergütet die Spesen der ehrenamtlich tätigen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der natürlichen Empfängnisregelung. Am meisten verbreitet ist in unserer Region wohl die sympto-thermale Methode noch Prof. Dr. Josef Rötzer.

Die natürliche Empfängnisregelung ist auch ein Thema im vom Bistum mitgetragenen Ehevorbereitungskurs. Auch der Vorstand der “Vereinigung der katholischen Ärzte in der Schweiz” bemüht sich im Rahmen seiner Möglichkeiten um die Akzeptanz von “Humanae vitae”.

Für Jugendliche sind Programme zu empfehlen, die bereits bestehen und die Lehre der Kirche als Grundlage haben, und so zu einem verantwortlichen Umgang mit der eigenen Sexualität und der Fruchtbarkeit vermitteln.

d) Welche Erfahrung gibt es hinsichtlich dieses Themas in Zusammenhang mit der Praxis des Bußsakraments und der Teilnahme an der Eucharistie?

Da den meisten Gläubigen der Unterschied zwischen Empfängnisverhütung und Empfängnisregelung nicht bewusst ist, ist sie auch nur selten ein Thema in der Beichte.

Aus dem gleichen Grund ist wohl für die meisten Gläubigen Empfängnisverhütung kein Grund, der Kommunion fernzubleiben.

Die Enzyklika “Humanae vitae”, deren Ablehnung durch viele Theologen und in der Folge der Missachtung durch die meisten Ehepaare scheint mit ein Grund gewesen zu sein für den Einbruch der Beichtpraxis ab dem Ende der 60er-Jahre.

e) Welche Gegensätze fallen zwischen der Lehre der Kirche und der weltlichen Erziehung in diesem Bereich auf?

Die weltliche Erziehung ist weitgehend von einer emanzipatorischen Sexualpädagogik geprägt. Der Widerstand gläubiger Eltern dagegen ist nicht leicht.

f) Wie kann man eine mehr für die Nachkommenschaft offene Mentalität fördern? Wie kann man einen Anstieg der Geburtenrate fördern?

Selbstverwirklichung scheint heute vielen erstrebenswerter zu sein als Selbsthingabe. Es bräuchte zunächst eine grössere Anerkennung der Mutterschaft und der Vaterschaft ganz allgemein, verbunden auch mit entsprechenden finanziellen Anreizen. Zwei Kinder pro Familie sind noch relativ häufig. Das reicht aber noch nicht, um die Generationen zu ersetzen. Psychologisch ist das Ja zum dritten Kind eine gewisse Hürde. Es ist den Familien Mut zu machen zum dritten Kind. Der christliche Verein “Jugend & Familie” hat eine Interessengemeinschaft “Familie 3+ gegründet, um kinderreiche Familien zu vernetzen und zu unterstützen. Diese Initiative wird auch von der Diözese unterstützt.

8 - Zur Beziehung zwischen Familie und Individuum

a) Jesus Christus offenbart das Geheimnis und die Berufung des Menschen: Ist die Familie ein privilegierter Ort, damit dies geschieht?

Selbstverständlich ist die Familie ein privilegierter Ort. Denn in ihr machen die Kinder erste Erfahrungen der Gottes- und Nächstenliebe. In ihr soll und kann sich auch eine erste Erfahrung der persönlichen Freundschaft mit Jesus Christus entfalten. Dazu müssten die (jungen) Familien seelsorglich gut begleitet werden.

Allerdings ist das Gespräch über den Glauben in manchen Familien wegen mangelnder Glaubenserfahrung und verschiedener Ansichten verstummt.

b) Welche kritischen Situationen der Familie in der heutigen Welt können zu einem Hindernis für die Begegnung des Einzelnen mit Christus werden?

Der Glaube widerspricht in verschiedener Hinsicht dem Zeitgeist, der dem Individuum und dem Genuss huldigt. Es ist für gläubige Eltern schwierig, hier einen eigenständigen Weg zu gehen.

Familien, in denen der Glaube im Alltag nicht gelebt wird, Familien in oder nach Trennung, Scheidung und Wiederverheiratung können ein Hindernis sein für die Begegnung des Einzelnen mit Christus. Zerrüttete Ehen können Bindungsängste auslösen und die Bindungsfähigkeit beeinträchtigen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Christus immer einen Weg finden kann ins Herz eines Menschen, wenn dieser sich auch nur ein wenig dafür öffnet.

c) In welchem Maß wirken sich die Glaubenskrisen, die die Einzelnen durchmachen können, auf das Familienleben aus?

Gläubige Eltern können unter den Glaubenskrisen ihrer heranwachsenden Jugendlichen schon erheblich leiden. Der Familienfriede kann dadurch beeinträchtigt sein. Aber auch Glaubenskrisen der Eltern können für die ganze Familie zur Belastung werden. Es fehlt den Kindern dann das gute Beispiel. Der gemeinsame praktizierte Glaube ist in jedem Fall eine große Hilfe für das Familienleben. Die Krise von einzelnen Mitgliedern der Familie kann von der ganzen Familie jedoch auch “abgefedert” werden. Die Familie gibt Halt und Bodenhaftung auch in turbulenten Zeiten.

9 - Weitere Herausforderungen und Vorschläge

Gibt es andere Herausforderungen und Vorschläge hinsichtlich der in diesem Fragebogen behandelten Themen, die nach Meinung der Befragten dringlich oder nützlich sein mögen?

Den häufigen Kommunionempfang gibt es erst seit Papst Pius X. und er war an eine ganze Reihe von Bedingungen gebunden. Diese Bedingungen sind heute weitgehend weggefallen. Geblieben ist der häufige Kommunionempfang, der routinemässig zur Teilnahme an der Eucharistiefeier gehört. Es ist ganz allgemein zu überlegen, wie die Ehrfurcht gegenüber dem Sakrament der Eucharistie wieder vermehrt werden kann. Diese Frage bildet den Hintergrund für viele Fragen betreffend den Sakramentenempfang u.a. auch für die Frage der Zulassung der (zivil) Wiederverheirateten zu den Sakramenten.

Es wäre sehr wünschenswert, wenn es – angeraten durch die Bischofssynode und bekräftigt durch den Papst – universalkirchliche Praxis würde, was in vielen Ländern schon praktiziert wird und was auch an den Weltjugendtagen bereits eine gute Gewohnheit ist:

Es soll niemand daran gehindert werden, beim Kommuniongang vor den Priester zu treten. Wer jedoch aus einem bestimmten Grund (fehlende volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche, Leben in schwerer Sünde bzw. in einer irregulären Situation oder aus einem anderen Grund) nicht die Eucharistie empfangen kann, signalisiert dies durch das Verschränken der Arme. Diese Person erhält dann vom Priester den Segen.

Die zukünftigen Heiratswilligen sollen vorerst in eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus hineinwachsen.

In vielen Bereichen zeigt sich, dass die Gläubigen die Lehre der Kirche besser und sogar dankbar annehmen können, wenn sie genug darüber wissen und man ihnen den Glauben besser und ohne Angst vor vertiefteren Diskussionen erklärt. Daher braucht es mehr Glaubenswissen im Sinn der Evangelisierung. Dies wiederum verlangt nach Seelsorgern, die keine Angst haben, den Gläubigen mit dem unverkürzten Anspruch des Glaubens entgegenzutreten, auch wenn die Gläubigen zugleich das Einkommen der Seelsorger durch die in der Schweiz erhobenen Steuern sichern.

Der Grundton des Schlussdokumentes muss positiv, ermutigend sein. Die Menschen, welche das Eheideal nicht zu leben vermögen, müssen mit Geduld und Klugheit mit dem Weg des Glaubens vertraut gemacht werden. Die Kirche muss mutiger werden, die richtigen Antworten auf die Herausforderungen der Zeit zu geben. In diesem Sinn muss sie missionarischer werden; nur so wird sie an Glaubwürdigkeit gewinnen können.

Chur, 24. Dezember 2013

Weiterführender Artikel: Einige Tage nach der Veröffentlichung dieser Stellungnahme kritisierte das Bistum Chur die Berichterstattung der (deutschen) Katholischen Nachrichtenagentur (KNA): Chur kritisiert KNA-Berichterstattung: Desinformation und Manipulation


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